Gesammelte Erzählungen. Jules Verne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jules Verne
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783958555143
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Ja, bis zum Ende, das nicht auf sich warten lassen wird.

      – Wenn nun eine Gelegenheit der Rettung sich ergibt, das Handeln im Moment notwendig wird, woher nehmen wir die Kraft zum Handeln, wenn wir uns durch Nahrungsmangel abschwächen lassen?

      – Aber, Oheim, was bleibt uns dann, wenn dieser Rest aufgezehrt ist?

      – Nichts, Axel, nichts. Aber wird’s Dich mehr nähren, wenn Du es mit den Augen verzehrst? Du urteilst wie ein Mensch ohne Willenskraft, ein Geschöpf ohne Energie!

      – Verlieren Sie denn nicht die Hoffnung? rief ich gereizt.

      – Nein! entgegnete fest der Professor.

      – Wie? Sie glauben noch an eine Möglichkeit der Rettung?

      – Ja! Gewiß, ja! Und ich lasse nicht gelten, daß ein mit Willen begabtes Geschöpf, so lange sein Herz schlägt, so lange sein Fleisch zuckt, der Verzweiflung Raum gebe.«

      Welche Worte! Der Mann, welcher unter solchen Umständen sie aussprach, hatte sicherlich einen ungewöhnlich festen Charakter.

      »Schließlich, sagte ich, was denken Sie zu tun?

      – Diesen Rest von Nahrung bis zum letzten Krümchen aufzehren, und damit unsere Kräfte ersetzen. Wird dieses Mahl unser letztes sein, gut! Aber zum Mindesten werden wir dann, anstatt entkräftet, wieder Menschen geworden sein.

      – Nun denn! So verschlingen wir’s!« rief ich aus.

      Mein Oheim nahm das Stück Fleisch und den wenigen Zwieback, welcher aus dem Schiffbruch gerettet war, machte daraus drei gleiche Portionen und teilte sie aus. Es betrug für den Mann etwa ein Pfund Nahrung. Der Professor verzehrte es gierig, mit fieberhaftem Ungestüm; ich, ohne Behagen, trotz meines Hungers fast mit Widerwillen; Hans ruhig, langsam, kaute stille kleine Stückchen, und genoß sie mit der Ruhe eines Menschen, den die Sorgen um die Zukunft nicht quälten. Er hatte noch eine halbe Flasche Wachholderbranntwein aufgefunden und bot uns denselben an. Dieser wohltuende Trunk vermochte mich ein wenig wieder zu beleben.

      »Förtrafflig! sagte Hans, indem er trank.

      – Vortrefflich!« stimmte mein Oheim ein.

      Ich hatte wieder einige Hoffnung gefaßt. Aber unser letztes Mahl war nun zu Ende. Es war fünf Uhr frühe.

      Nach dieser Mahlzeit gab sich jeder seinem Gedankenspiel hin, Hans, dieser Mann des äußersten Westens, einer fatalistischen Resignation der Orientalen. Meine Gedanken bestanden nur aus Erinnerungen, und die führten mich auf die Oberfläche der Erde, welche ich nie hätte verlassen sollen: das Haus der Königsstraße, mein armes Gretchen, die gute Martha, schwebten mir als wie Phantome vor Augen. Mein Oheim, der stets, was er tat, mit ganzer Seele betrieb, untersuchte mit der Fackel achtsam die Natur der Erdarten. Ich hörte ihn geologische Worte murmeln; ich verstand sie und interessierte mich wider Willen dafür.

      »Ausgeworfener Granit, sagte er. Wir befinden uns noch in der Urzeit; aber es geht aufwärts! Wer weiß?«

      Wer weiß? Er hegte stets Hoffnung. Eigenhändig betastete er die senkrechte Wand, und nach einigen Augenblicken fuhr er fort:

      »Hier ist Gneis! Hier Glimmerschiefer! Gut! Bald wird das Erdreich aus der Übergangsepoche kommen, und dann …«

      Was wollte der Professor damit sagen? Konnte er die Dicke der Erdrinde über unserem Kopf messen? Besaß er irgendein Mittel, diese Berechnung vorzunehmen? Nein. Es fehlte der Manometer, und keine Schätzung konnte ihn ersetzen.

      Indessen nahm die Wärme in steigendem Verhältniß zu, und wir waren von Schweiß bedeckt inmitten glühender Atmosphäre. Hans, mein Oheim und ich, wir hatten allmälig unsere Westen und Gilets ablegen müssen; die leichteste Kleidung verursachte Übelbefinden, wo nicht Schmerzen.

      »Fahren wir denn auf einen weißglühenden Herd zu? rief ich aus, als die Hitze zunahm.

      – Nein, erwiderte mein Oheim, das ist unmöglich! Unmöglich!

      – Jedoch, sagte ich, die Wand betastend, diese Wand ist ja brennend heiß!«

      In dem Augenblick geriet meine Hand ins Wasser und ich mußte sie rasch herausziehen.

      »Das Wasser ist siedend!« rief ich aus.

      Diesmal antwortete der Professor nur mit einer zornigen Bewegung.

      Jetzt aber befiel mein Gehirn ein unüberwindlicher Schrecken, und verließ es nicht mehr. Ich hatte die Ahnung einer bevorstehenden Katastrophe, so wie die kühnste Phantasie sie nicht hätte fassen können. Eine Idee, erst unbestimmt, unsicher, wurde mir im Geiste zur Gewißheit. Ich wies sie zurück, aber sie drängte sich hartnäckig wieder auf. Ich wagte nicht, ihr eine Fassung zu geben. Doch einige unwillkürliche Beobachtungen bestimmten meine Überzeugung. Beim unstäten Fackelschein bemerkte ich in den Granitschichten außerordentliche Bewegungen; eine Naturerscheinung, wobei die Elektrizität eine Rolle spielte, war offenbar im Begriff, sich zu vollziehen; sodann diese übermäßige Hitze, dies siedende Wasser! … Ich wollte den Kompaß befragen.

      Er war irre.

      Dreiundvierzigstes Kapitel

      Ausgeworfen aus dem Krater

      Ja, irre! Die Nadel sprang von einem Pole zum andern in grellen Stößen, durchlief die ganze Zeigerscheibe und dann rückwärts, als sei sie von Schwindel befallen.

      Ich wußte wohl, daß, nach den verbreitetsten Theorien die minerale Erdrinde nie im Zustand völliger Ruhe ist; die von der Zersetzung der inneren Stoffe veranlaßten Modifikationen, die von den großen Strömungen herrührende Erschütterung, die Einwirkung des Magnetismus trachten sie unablässig zu erschüttern, selbst dann, wenn die auf ihrer Oberfläche verbreiteten Geschöpfe keine Ahnung von seiner Tätigkeit haben. Diese Erscheinung hätte mich daher nicht weiter erschreckt, oder hätte wenigstens nicht in meinem Geiste eine schreckliche Idee aufkommen lassen.

      Aber andere Tatsachen, gewisse Details eigentümlicher Art, konnten mich nicht länger täuschen. Mit erschreckender Heftigkeit wiederholte sich häufiges Getöse. Ich konnte es nur mit dem Lärm vergleichen, welchen eine große Anzahl Karren, die reißend schnell übers Pflaster fahren, verursachen. Es war ein ununterbrochenes Donnergeroll.

      Sodann die durch elektrische Erscheinungen aus der Ordnung gebrachte Magnetnadel bestätigte meine Vermutung, die minerale Rinde drohte zu bersten, der granitene Grundbau sich zusammenzufügen, die Spalten fest zu schließen, die leeren Räume sich auszufüllen, und wir arme Atome würden dann jämmerlich zerdrückt.

      – »Oheim, lieber Oheim! Wir sind verloren! rief ich aus.

      – Was für ein neuer Schrecken? erwiderte er mit auffallender Ruhe. Was hast Du denn vor?

      – Sehen Sie doch, wie diese Wände wanken, der Grundbau aus den Fugen geht, diese glühende Hitze, dies siedende Wasser, diese sich verdichtenden Dünste, die irre Magnetnadel, lauter Anzeigen eines Erdbebens!«

      Mein Oheim schüttelte sanft den Kopf.

      »Ein Erdbeben? sagte er.

      – Ja!

      – Lieber Junge, ich glaube, Du irrst!

      – Wie? Erkennen Sie diese Voranzeichen nicht? …

      – Eines Erdbebens? Nein! Ich bin auf Besseres gefaßt!

      – Was meinen Sie damit?

      – Einen Ausbruch, Axel.

      – Einen Ausbruch! sagte ich. Wir befinden uns im Schlund eines tätigen Vulkans!

      – Ich denke, sagte der Professor lächelnd, und das ist ja das Glücklichste, was uns treffen kann!«

      Das Glücklichste! War mein Oheim ein Narr geworden? Was wollte das bedeuten? Und dabei die Gemütsruhe und das Lächeln?

      »Wie! rief ich aus, wir sind in einem Ausbruch begriffen! Das Verhängniß