El Culo del Mundo - der Arsch der Welt.
Kaliber 3 - Bibeln und Beschwerlichkeiten
Den Geschichten des Mimbrenjo Paranusz wird gern gelauscht, der ist dabeigewesen 1952. Wenn Rotwein auf den Tisch kommt, lässt er sich nicht lange bitten und kommt ins Erzählen. Der Methusalem gilt als anekdotenschwerer Bursche: einer jener verstaubten stolzen Veteranen biblischen Alters, die bei solcherlei Berichten versonnen brummen, sich gegenseitig anstoßen mit ernstem wissenden Blick; die Halbwüchsigen hängen gebannt an den faltigen Lippen, wenn sie Erinnerungen hervorstoßen.
Mimbrenjos Geschichte trägt sich zu im Norden Pelargoniens auf einem Gebirgsübergang zu den Desertas - fünf Wochen, bevor ein nasser Sack auf ElTrozo stranden und von GOTT an einen Leuchtturm gekettet wird.
Auf der Südhalbkugel herrscht Frühling, Herbst in der Nordwelt. Zu diesem Zeitpunkt röhrt der Bürgerkrieg am lautesten in Pelargoniens Südwesten, liegt dafür im Norden in den letzten Zügen. Doch was an diesem Tage auf einem vergessenen Pass hinter einem vergessenen Dorf geschieht, bekommt außer den Beteiligten niemand mit.
Kurz nach der vom Caudillo Magno Don Episcopao Sprizz (scheu auch genannt: EL SUPREMO) angeordneten Bürgerkriegswende ist Mimbrenjo Paranusz unterwegs mit seinem betagten Renault-Lastwagen durch die Schroffen und Schluchten des meerzugewandten Höhenzuges von DosLaszivos. Mann und Maschine werden sich die Serpentinen hinaufschrauben in die Picos, um an einem kleinen Bergsee eine verhängnisvolle Pause einzulegen. Die genauen Koordinaten sind nicht überliefert, doch jeder der Beteiligten, so er denn heute noch lebt, schisse dem, der nachbohrte, einen wütenden Haufen auf seine maßstäbliche Landkarte - so kommt höchstens heraus: die Örtlichkeit liegt kurz hinter dem Kaff ElPaseo auf einem Hochplateau mit namenlosem Gebirgsweiher längs der Piste.
Neben Paranusz und seinem französischen Lastwagen bestreitet die Eröffnungssequenz des Dramas ein lampedusischer Signore namens Rinaldo: winziger Opernsänger mit großer Stimme und dem schwachsinnigen Familiennamen Tagliatelle. Zugegen auch seine normal ausgewachsene Stieftochter Esmeralda: rothaarige Augenweide und gefeierte Ausdruckstänzerin. Hinzu kommen drei, abgedroschene Lebensweisheiten und Landwein feilbietende Halsabschneider, ein schwarzer Bestattungshelfer, dazu ein rüder Mordskerl und noch ein paar andere komische Heilige.
Soviel zum Personal. Auch Zeit und Orte sind abgesteckt. Man braucht das alles nicht so genau zu behalten - aber damit beginnt es!
Bei DaPlauz im Nordwesten ist die Volksfront der Cimarrones zusammengebrochen, die Region Punta-Cocolor befreit! so die offizielle Meldung. Während EL SUPREMO an der Spitze der Armee über schmale Gebirgspfade gegen südliche Rebellennester stürmte, durfte Mimbrenjo Paranusz in diesem befreiten Landstrich bleiben und Bibeln fahren für Monsignore Ruiz dePomello, Bischof der vom Caudillo jüngst rückeroberten Cocolorischen Provinz. Der Oberpriester hatte verfügt dass in unserer mit GOTTes und EL SUPREMOs Hilfe rückgegebenen Vicarie nach all den gottlosen Monaten der überdauernde Rest der aufbegehrenden und dafür kriegsgezüchtigten Taglöhner und Arbeiter baldmöglichst wieder das Heilige Wort aus den Mündern der von ihnen schändlich verjagten und nunmehr schleunigst zu retournierenden Priesterschaft zu vernehmen hat, Halleluja!
Mimbrenjo Paranusz war wie geschaffen für solch gebenedeite Transporte, hatte er doch im Namen des HERRn und im Auftrage Hochwürdens schon einige Fuhren gedeichselt mit allerlei empfindlichen Gütern wie Alkohol und Sprengstoff, Waffen und Jungfrauen. Und jetzt Bibeln - wieder solch explosives Zeug!
Paranusz, Ende 30 damals, führte als Berufsbezeichnung Zuckerschleck, Motormechanik und Galgenstrick im Schilde. Das abenteuerlustige Einzigkind eines Hostienbäckers aus dem elenden VivaLaDiva im Nordosten verkrachte sich 20-jährig wegen seiner exorbitanten Naschsucht mit dem Vater, tourte fast zwei Jahrzehnte über den amerikanischen Doppelkontinent, sich von Süd nach Nord und zurück mit dubiosen Verrichtungen durchschlagend, wobei er gute technische Kenntnisse über Lastwagen, Kranbahnen und Miststreuer erwarb. Trotzdem hatte es Paranusz nie wirklich zu auskömmlichem Dasein, geschweige denn Dolce Vita gebracht.
Eines Nachts - Mimbrenjo logierte gerade im finstersten Asyl der südamerikanischen Stadt Sulaco in der Costaguanaischen Repubik - spülten ihm dunkle Kanäle eine amtliche Note in die Hände, in der es hieß, dass sein alter Vater verstorben sei und ihm die elterliche Hostienbackstube hinterlassen habe. Der verlorene Sohn versah sich daraufhin unter Gefahr für Leib und Leben mit den Börsen betrunkener Mitschläfer und eilte auf einem preiswert gedungenen Seelenverkäufer zurück nach Pelargonien. Doch kurz bevor er seinen Heimatort VivaLa-Diva erreichte, war der Bürgerkrieg auch über diesen Flecken hinweggegangen und hatte Papas Backstube in Waffelbruch zerlegt. Aus purer Existenznot heuerte Mimbrenjo bei den RegularesPelargonias an und diente EL SUPREMO - genauer: der regierungstreuen Mutter Kirche - als armierter Leibchauffeur des Provinzbischofs.
Zum Zeitpunkt der Begebenheit lagen 13 unaufgeregte Tage hinter ihm. Der Sold war karg, dafür gabs in den wiederbelebten Kirchen und Klöstern für den Verteiler des gedruckten Heiligen Wortes umsonst zu essen und zu trinken; oft nur bitteren Kräuteraufguss oder sauren Wein zu Bohnenbrot und Bohnensuppe - Bohnen, gekocht, gebraten, gebacken oder geröstet, aus letzteren auch ein Gebräu, dass sich frecherweise Bohnen-Kaffee nannte - doch oft fanden sich auch ein paar Brocken Ziegen- oder Hammelfleisch auf dem Teller. Der Magen füllte sich, nachts wartete ein trockenes und friedliches Nachtlager - warum also hetzen?
An diesem Mittag also steuerte Paranusz den bibelschweren Laster aus dem zerschossenen Kloster PaviaGrande hinaus zu einem kleinen Pass in Richtung der sonst kargen Täler des Abendgebirges, die sich zum Malpais hin öffnen. Doch als hätte der HERR nur auf den Wiedereinsetzer der christliterarischen Oberherrschaft gewartet, ließ ER einen für diese herben Areale ungewohnt linden Frühling erwachsen; es kroch aus der Erde, was nur irgendwie zu grünen oder zu blühen vermochte, so dass auch EL SUPREMO ruhmbedeckt über blütenberauschte (Schlacht)Felder schreiten konnte - besser gesagt: rollen, denn der greise Caudillo Magno war seit längerem auf nämlichen Stuhl angewiesen, den er - wie es im PelargoniaCourier geschrieben stand - dem tückischen Rückenschuss eines nichtswürdigen Cimarrones-Rebellen verdankte.
Wie auch immer! Auch Mimbrenjo Paranusz zeigte sich angerührt von der wohlig-weichen Luft, die in den blütenschwangeren Weißdornhecken döste, und in der die Glockentürme wieder ungestraft zur Vesper läuten durften. Mimosen, Lorbeeren und schwergrüner Wacholder plusterten sich am Wegrand in der Sonne, winkten dem Wagenlenker freundlich und wären sicher gern zugestiegen, aber das ginge ja nur mit gültigem Fahrschein.
Menschenmäßig wars auf den Gebirgspisten ebenfalls nicht einsam: barfüßige Taglöhner ächzten am Wegrand ihre Karren daher mit mageren Frauen und Kindern neben sich im Geschirr; an Häuserecken lungerten borkige Vaqueros, Mülltonnen durchwühlend nach Essbarem und immer auf dem Sprung vor den funkelnagelneuen Cabriolets der örtlichen Kriegsgewinnler; verschwitzte Anzugträger hasteten vorbei mit Aktentaschen voller Denuntiatiönchen; rotbunte Soldatentrupps marschierten zackig längs - und natürlich die vorgenannten Priester, die wie Schwärme rückkehrender Krähen einfielen, durchdrungenes Leuchten in den Augen.
Doch an jenem Tag hatte Mimbrenjo nur Blick, Nase und Ohren fürs Frühlingserwachen. Auch heutzutage noch, wenn wieder so ein Jahrhundertsprießen