Mein Vater war, was das Essen betraf sehr penibel. Aufgewärmtes Essen vom Vortag aß er nicht. Das Essen musste für ihn immer frisch serviert werden. Es gab zu dieser Zeit häufig Streit über Geldangelegenheiten und über das Thema Sparsamkeit zwischen meinen Eltern.
Mein erstes Mofa
Mein verstorbener Großvater hatte an mich gedacht und mir sein Mofa vermacht. Ab diesem Zeitpunkt fuhr ich morgens dann immer ganz stolz mit dem Mofa nach Gernsheim zur Schule und nicht mehr mit dem Fahrrad. Ich hatte Glück gehabt. Mein Großvater war ein Tyrann und warf in seinen besten Zeiten mit der Axt oder der Mistgabel hinter einem her, wenn es nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Da war er bei mir ja an der richtigen Adresse. Einmal, als ich nicht seinem Willen folgte, nahm es seine Mistgabel und rannte hinter mir her. Als er merkte, dass er mir nicht folgen konnte, setzte er an und warf mir die vierzinkige Gabel wie ein Speerwerfer nach. Glücklicherweise konnte ich gerade noch einen Sprung über den Gatterzaun machen, sonst wäre die Gabel nicht im Holz, sondern in meinem Rücken stecken geblieben. Ich entkam und ließ mich nach dieser lebensgefährlichen Attacke meines Großvaters sicherheitshalber nicht mehr auf dem Hof meiner Großeltern blicken. Mein Großvater kam dann irgendwann zu mir als wäre nichts geschehen. Er brauchte mich während der Erntezeit zum Kartoffelausmachen und fragte mich, ob ich den Traktor fahren könnte.
Ich auf meinem Mofa
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und bewusst Verantwortung übernehmen
Schon während meiner Kindheit und Jugend musste ich meine Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit unter Beweis stellen, denn meine Arbeitskraft wurde auf dem Bauernhof meiner Großeltern eingefordert. Bei ihnen galt das Prinzip: „Wer morgens nicht spätestens um 5 Uhr pünktlich auf der Matte steht, ist ein Faulenzer!“. Menschen, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nicht arbeitsam waren, galten als Drückeberger und Nichtsnutze. Das Tageswerk musste am Abend bei meinem Großvater sichtbar sein, sonst war es kein guter Tag. Studenten, Beamte und Menschen, die geistige Arbeit verrichteten, waren für ihn nichts wert. Meine Ferien musste ich nach diesem Motto auf dem Hof arbeitend verbringen. Ich quälte mich jeden Morgen aus dem Bett heraus und fiel abends wie ein nasser Sack wieder hinein. Im Nachhinein weiß ich die harte Arbeit meiner Großeltern zu schätzen. Ich bewundere bis heute deren Disziplin, Durchhaltevermögen und den liebevollen Umgang mit ihren Tieren. Die Tiere bekamen als Allererste etwas zu fressen, bevor sich meine Großeltern selbst an den Essenstisch setzten. Das Wort Urlaub kannte keiner von ihnen. Die Verantwortung für die Tiere und die Bewirtschaftung der Felder standen im Vordergrund. Jeden Sonntag ging mein Großvater über die bepflanzten Felder und betete dabei für eine gute Ernte zu Gott. Die Felder waren seine Kirche, weit entfernt von den eigentlichen kirchlichen Bauten. Er sprach mit den Pflanzen, die ihm letztendlich eine reiche Ernte bescheren sollten. Manchmal durfte ich an diesem besonderen Ritual teilnehmen. Es war für mich immer wieder sehr eindrucksvoll, dabei sein zu dürfen. Ich erkannte, was Demut und Dankbarkeit bedeuten, und dass letztendlich der Ernteerfolg von den Gesetzen der Natur abhängig ist, denn ich habe miterlebt, wie ein Gewitter mit Hagel innerhalb von wenigen Minuten die halbe Ernte zu Nichte machte. Ich hatte verstanden, was es bedeutet, die Verantwortung für Tier und Mensch zu tragen, und wie wichtig es ist, pünktlich und zuverlässig jeden Tag seine Arbeit zu verrichten. Ich bekam eine Ahnung, wie schwer es für meine Großeltern mit zunehmenden Alter sein musste, alltäglich diese Arbeit zu leisten und spürte plötzlich in mir ein Pflichtgefühl und eine Art von Dankbarkeit, ihnen ein Teil von ihrer schweren Arbeit abnehmen zu dürfen. Während dieser Zeit entdeckte ich meine Fähigkeiten, Tieren und Menschen, die gesundheitliche Probleme hatten, energetisch zu helfen. Eines Tages, ich war gerade beim Ausmisten des Kuhstalls, kam ein Kalb auf mich zu und leckte meine Hand. Danach drehte es sich so lange vor mir herum, bis meine Hand an einer Stelle war, an der es sich offensichtlich verletzt hatte. Das Kalb verharrte in dieser Position geschätzte drei Minuten, bis es schließlich dankbar nochmals meine Hand leckte und wegging. Tiere haben ein sehr gutes intuitives Gespür für Menschen, die ihnen gut gesonnen sind. Auch mein Vater entdeckte meine Fähigkeiten und bat mich oft, wenn er einen schweren Arbeitstag hinter sich hatte, meine Hände auf seine Schultern zu legen, was ihm sehr wohl tat. Im Laufe der Zeit wurde ich neugierig und begriff, dass ich offenbar eine besondere Fähigkeit besaß. Ich begann zu experimentieren, kaufte mir Fachliteratur und verstand immer besser, dass ich Heilungsenergie entwickeln und weitergeben konnte.
Erst viele Jahre später erkannte ich, wie wertvoll es damals war, auf dem Bauernhof meiner Großeltern gearbeitet zu haben, denn dort wurde der Grundstein für mein späteres Leben als „Baubiologischer Gesundheitsberater, Energiearbeiter und Erfinder des „Bioenergetischen Informationsmanagements“ gelegt. Meine Erlebnisse und Erfahrungen haben im Laufe der Zeit enorm dazu beigetragen, dass ich zu dem Menschen wurde, der ich heute bin.
Meine Großmutter vertraute mir kurz vor ihrem Tot an, dass sie die Zeit richtig genossen hätte, nachdem mein Großvater tot war, ja es wäre sogar die schönste Zeit ihres Lebens gewesen. Sie erzählte mir eine Geschichte, die den Charakter meines Großvaters in seinen vollen Zügen widerspiegelte. Meine Großeltern mussten zum Führen ihres landwirtschaftlichen Betriebes die gesetzlichen Grundlagen erfüllen und auch mehrere Prüfungen als Befähigungsnachweis bestehen. Die Existenz des Betriebes war irgendwann bedroht, da sich mein Großvater keineswegs darum scherte, die Auflagen zu erfüllen. Wochenlang lag ein Mahnschreiben auf dem Küchenschrank in dem von der Landwirtschaftskammer gefordert wurde, die erforderlichen Nachweise zum Führen eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Milchwirtschaft bis zu einem gewissen Stichtag zu erbringen, oder den Betrieb einzustellen.
Meine Großmutter nahm sich schließlich der Sache an und klemmte sich dahinter. Zum vorgegebenen Prüfungstermin fuhr sie mit dem Zug nach Darmstadt, um diese Prüfungen abzulegen. Sie war damals die älteste Prüfungsteilnehmerin, bestand aber auf Grund ihrer bereits jahrelangen Erfahrung die Tests und mündliche Prüfung auf Anhieb. Sie hatte mit ihrem Einsatz die Existenz und Fortführung des Betriebes gesichert und klopfte sich selbst stolz auf die Schultern, da es ja sonst keiner machte und von der Familie alles was sie tat als selbstverständlich angesehen wurde. Sie wollte sich für das Gelingen etwas Gutes tun und bedankte sich für ihre großartige Leistung mit einem Speiseeis. Sie verlor dabei die Zeit aus ihren Augen und verpasste den Zug, so dass sie erst zwei Stunden später als erwartet zu Hause ankam.
Großmutter Elisabeth
Was nun geschehen würde, konnte sie sich im Vorfeld schon ausmalen. Sie erhielt von meinem Großvater eine ordentliche Standpauke und zur Strafe für ihr zu Spätkommen durfte sie den Rest des Abends noch im Kuhstall mit Kühe melken verbringen. Als ich diese Geschichte hörte, wurde mir klar, dass es ihr nach dem Tod meines Großvaters wesentlich besser erging. Meine Oma hatte einen Lieblingssong, der, wenn ich ihn manchmal heute im Radio höre, mich an sie erinnern lässt. Der Text war von Camillo Felgen und lautet:
Ich Hab‘ Ehrfurcht vor Schneeweißen Haaren
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren,
sie verschönern der Mutter Gesicht.
Und sie krönen die Arbeit von Jahren,
und ein Leben in Treue und Pflicht.
Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren,
vor den Falten von Sorge und Leid.
Ich will helfen, aus den letzten Jahren,
zu machen ihre glücklichste Zeit.