Langsam näherte er sich der Hazienda. Er ließ sein Pferd dabei nur langsam voranschreiten. Nur ja keine schnellen Bewegungen, die einen Posten auf ihn aufmerksam machen konnten.
Ein verhältnismäßig kühler Wind strich über die Ebene und bog die dürren Sträucher hin und her.
Der Wind blies Coburn entgegen.
Gut so!, dachte er. Man würde ihn dann noch schlechter hören können als ohnehin schon.
Als er schon ziemlich nahe an das Lager der Outlaws herangekommen war, stieg er vom Pferd, zog das Tier noch etwas hinter sich her, um es dann an einem Strauch festzumachen.
Coburn zog die Winchester aus dem Sattelschuh heraus und lud die Waffe mit einer energischen Bewegung durch.
Jetzt wurde es ernst.
Auf leisen Sohlen kam der junge Mann näher und ließ den Blick über die Hazienda schweifen.
Es war ruhig dort.
Das Lagerfeuer in der Mitte war inzwischen längst niedergebrannt.
Auf dem flachen Dach eines der Gebäude patrouillierte ein Posten hin und her. Im Mondlicht sah Coburn, wie er einen Schluck aus einer Flasche nahm. Besonders aufmerksam schien der Kerl nicht zu sein.
Coburn erreichte das erste der Gebäude und presste sich an die Steinwand.
Er hörte Schritte.
Ein Schatten tauchte auf und hob sich düster gegen das Mondlicht ab. Ein Wächter. Er hatte ein Gewehr lässig über die Schulter gelegt, blieb einen Augenblick lang stehen und ließ den Blick schweifen.
Er blickte auch in Coburns Richtung.
Aber Coburn stand im Schatten. Der Kerl konnte ihn nicht sehen, drehte sich halb herum und ging weiter.
Er schien nichts bemerkt zu haben.
Vorsichtig arbeite Coburn sich vor, die Winchester dabei immer im Anschlag.
Er blickte über den Platz, um den herum die Gebäude der Hazienda angeordnet waren. Die meisten Häuser waren wohl ehemalige Stallungen und Lagerhäuser. Manche von ihnen machten schon einen sehr verfallenen Eindruck.
Für das Wohnhaus galt das nicht.
Auf der Veranda stand ein Posten, der sich die langweiligen Stunden des Wacheschiebens mit einer Zigarre vertrieb. Deren brennendes Ende wirkte in der Dunkelheit wie ein Glühwürmchen.
Dort im Wohnhaus war wahrscheinlich Warren zu finden.
Coburn ging an der Wand entlang, duckte sich dann und schlich zum nächsten Gebäude. Er wollte einen Bogen schlagen, um von hinten ins Wohnhaus zu gelangen.
Das Gebäude, bei dem sich Coburn jetzt befand, war offenbar ein Pferdestall. Eines der Tiere schnaubte gut hörbar. Der Posten mit dem Glimmstängel stolzierte indessen unruhig auf der Veranda herum.
Seine Schritte waren deutlich zu hören.
Coburn schlich inzwischen weiter.
Hinter dem Stall kam etwas, das wohl irgendwann einmal eine Baracke für die Vaqueros der Hazienda gewesen war. Jetzt war es eine Ruine ohne Dach.
Coburn warf einen Blick hinüber zur Veranda.
Der Kerl mit der Zigarre hatte sich inzwischen hingesetzt.
Coburn versteckte sich für einen Augenblick in einer Nische.
Dafür, dass dies ein fast menschenleeres Land war, hatte El Diablo viele Wachen aufgestellt. Vermutlich war er nervös geworden wegen der Indianer...
Vorsichtig arbeitete Coburn sich zur hinteren Seite der Ruine vor.
Als er um die Ecke kam, entspannte sich seine Körperhaltung etwas, denn hier konnte ihn keiner der Wächter sehen.
Glaubte er.
Ein Geräusch ließ ihn schon einen Augenblick später buchstäblich erstarren.
Es machte klick! und Billy Coburn wusste nur zu gut, was das bedeutete. Jemand hatte den Hahn eines Revolvers gespannt.
31
"Bleib wo du bist!"
Es war kaum mehr als ein Wispern, was da aus der Finsternis an Coburns Ohren drang. Aus der Dunkelheit kam ihm ein Revolverlauf entgegen. Der Griff der Waffe wurde von zwei zarten Händen fest umklammert.
Vor ihm stand eine Frau.
"Wenn du nur einen Ton von dir gibst oder dich bewegst, bist du ein toter Mann!", flüsterte sie.
Ihre Stimme zitterte - und nicht nur die!
Eine unwahrscheinliche Furcht schien sie fest im Griff zu haben.
Sie machte einen Schritt nach vorn, so dass das Mondlicht auf sie herabfiel.
Coburn blieb wie erstarrt.
In dieser Sekunde hatte er auch gar keine andere Wahl. Die Frau war kaum drei Schritte von ihm entfernt. Auf eine so geringe Distanz konnte sie ihn nicht verfehlen, selbst wenn sie zum erstenmal in ihrem Leben eine Waffe in der Hand hielt.
Coburn fixierte sie mit seinem Blick. Sie war zierlich und vielleicht Mitte zwanzig. Und eigentlich war sie sicher auch recht hübsch.
Aber ihr blondes Haar war zerzaust und ungepflegt, das Kleid kaum mehr als ein Fetzen.
Ihr musste übel mitgespielt worden sein, denn das, was von ihrem Körper im Mondlicht sichtbar war, war übersät von blauen Flecken und Schürfungen.
"Du brauchst keine Angst zu haben!", sagte Coburn so ruhig er konnte.
Sie machte eine kurze Bewegung mit dem Revolverlauf.
"Wirf das Gewehr weg!" forderte sie, aber Coburn dachte gar nicht daran, darauf zu reagieren.
Stattdessen erkundigte er sich: "Wer hat dich so zugerichtet?"
Er bemerkte ihr Zittern.
"Wenn du noch so eine dumme Frage stellst, blase ich dir den Kopf weg!"
"Dann wird die ganze Meute innerhalb einer halben Minute hier sein. Wenn dir das nichts ausmacht..."
Sie wirkte irritiert.
Coburn kam einen Schritt näher. Sie schoss nicht. Und das hieß, dass er so gut wie gewonnen hatte.
"Du wolltest zu den Pferden, nicht wahr?"
Sie zuckte die Achseln.
"Wohin sonst?"
"Du könntest dir gleich selbst eine Kugel geben. Vor dem Wohnhaus steht ein Posten, der direkt auf das Stalltor blickt. Du hättest kleine Chance mit einem Gaul dort heraus zu kommen!"
Sie senkte den Revolver ein wenig.
"Du bist keiner von Warrens Bluthunden?", fragte sie.
Coburn schüttelte den Kopf.
"Nein."
"Aber..."
"Ich bin hier, um mit ihm abzurechnen."
"Dann musst du verrückt sein!"
"Schon möglich. Aber das braucht nicht deine Sorge zu sein, oder?"
Sie atmete tief durch und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
Dann waren plötzlich Schritte zu hören. Mit einem Handzeichen bedeutete Coburn der jungen Frau, sich ruhig zu verhalten und in Deckung zu gehen.
Doch dazu war keine Gelegenheit mehr.
Der Kerl mit der Zigarre kam um die Ecke.
Er schien keinen Verdacht