Der Spieler wimmerte unterdessen. Er sackte noch vorne, gegen die Tür. Die Waffe entglitt seiner Rechten und rutschte zu Boden. Als der Rancher seinen Colt leergeschossen hatte und die Waffe des Spielers an sich nehmen wollte, bemerkte er, dass die junge Mrs. Coburn mit starrem Blick auf ihrem Platz saß. Ihr Mund war weit geöffnet, wie zu einem stummen Schrei. Und in ihrer Stirn war ein rundes, rotes Loch. Sie war tot.
Dem Rancher versetzte es einen Stich. Er musste schlucken.
Inzwischen verlangsamte die Kutsche ihre Fahrt. Den Banditen gelang es schließlich, das Gespann wieder unter Kontrolle zu bringen. Einer der Kerle hatte sich auf den Rücken eines Zugpferdes geschwungen und wenige Augenblicke später kam das ganze Gefährt zum Stillstand. Die Banditen preschten heran und zügelten ihre Pferde.
Der Rancher sah ihre rauen Gesichter. Sie waren nicht maskiert, offenbar hielten sie das nicht für nötig. Der Rancher wusste, dass es kaum Sinn hatte, sich noch zu wehren, jetzt, da die Kutsche stand. Vielleicht würden sie ihn am Leben lassen.
Es war, als ob sich eine eisige Hand auf seinen Rücken legte.
Die Türen der Kutsche wurden aufgerissen, und ein halbes Dutzend Mündungen zeigten auf den Rancher. Der leblose Körper des Spielers fiel den Banditen entgegen. Der erste von ihnen, der seiner Kleidung nach ein Mexikaner war, trat einen Schritt zurück, so dass die Leiche auf den Boden schlug. Der Mexikaner grinste zynisch. Aber als sein Blick auf die tote Mrs. Coburn fiel, veränderte sich sein Gesicht.
"Madre de dios!", rief er aus.
"Was gibt's?", fragte ein finster wirkender Reiter. Unter dem dunklen, tief ins Gesicht gezogen Hut blitzten zwei grausame Augen. Sein Haar und der Stoppelbart waren rotstichig.
Er lenkte sein Pferd heran und stieg ab.
"Im Wagen war eine schwangere Frau!", sagte der Mexikaner.
Der Rothaarige kam heran und warf einen Blick in das Innere der Kutsche. Er zuckte die Schultern. Sein Gesicht blieb regungslos, als er sagte: "Vergiss es, Pedro! Hast du gehört? Vergiss es einfach!"
Der Mexikaner atmete tief durch.
Dann deutete er mit dem Lauf seines 45er Colts auf den Rancher, der kreidebleich und regungslos auf seinen Platz saß. "Was machen wir mit ihm, Boss?"
Der Rothaarige bedachte den Rancher mit einem Blick, der diesem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Umlegen", sagte der Anführer der Bande dann. Er sprach leise. Es klang wie das Zischen einer Schlange. "Wir können keinen Zeugen gebrauchen."
"Lassen Sie mich am leben!", flehte der Rancher. "Ich gebe Ihnen mein Geld! Ich habe den Erlös aus dem Verkauf einer Rinderherde bei mir... Ein schöner Batzen!"
"Wir werden es uns ohnehin nehmen", sagte der Rothaarige.
Der Rancher schluckte. Angstschweiß lief ihm über die Stirn. "Aber es ist gut versteckt!", wandte er dann ein. "Ihr werdet es nicht finden!"
Der Rothaarige schien zu überlegen und nickte schließlich.
"Okay."
"Ihr lasst mich am Leben?"
"Wo ist das Geld?"
Der Rancher zog seine Lederweste aus und gab sie dem Rothaarigen. "Es ist hier eingenäht!", erklärte er.
Über das Gesicht des Banditen ging ein mattes Lächeln.
"Gut", meinte er. Dann griff er blitzartig zu dem Revolver, den er an der Seite trug und feuerte kurz hintereinander zwei Schüsse auf den Rancher ab.
Pedro, der Mexikaner, schaute zur Seite.
Dann sagte er an den Rothaarigen gerichtet: "Wirklich! Du trägst deinen Namen zu recht, El Diablo!"
2
John Read war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit dunklen Haaren. Er war vor zwei Jahren nach Jefferson gekommen. Irgendwie hatte man es geschafft, ihm den Sheriff-Stern anzudrehen. Und Read hatte damals in wenigen Wochen in dem kleinen aber wilden Arizona-Nest Ordnung geschaffen.
Seitdem war er geblieben.
Read war gerade auf dem Weg zum einzigen Saloon von Jefferson, um dort sein Mittagessen einzunehmen, als ein Reiter in wildem Galopp auf den Sternträger zupreschte.
Read kannte den Mann nur zu gut.
Er hieß Chuck Slater und arbeitete als Vormann auf der größten Ranch der Umgebung.
Slater zügelte sein Pferd und sprang mit katzenhafter Geschmeidigkeit aus dem Sattel.
Er schien ziemlich aufgeregt zu sein. Offenbar war irgend etwas geschehen. Und Slaters Miene nach konnte das nichts Erfreuliches sein.
"Was gibt's, Chuck?", fragte Read stirnrunzelnd.
"Die Postkutsche ist überfallen worden. Ungefähr sechs oder sieben Meilen von hier in Richtung Tucson ist es passiert!"
Slater rang nach Atem.
Der Vormann war ein ziemlich harter Brocken, aber das Geschehene schien selbst ihn ziemlich erschüttert zu haben.
Er atmete tief durch und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
"Erzähl schon!", forderte Read, dessen Augen auf einmal schmal geworden waren.
"Ich war auf der Suche nach Mavericks, als ich die Geier kreisen sah...", flüsterte Chuck Slater mit belegter Stimme.
Er schüttelte den Kopf. "Es war schon alles vorbei... So etwas Furchtbares habe ich noch nie gesehen! Diese Banditen haben alle getötet. Auch eine schwangere Frau."
"Die junge Mrs. Coburn", zischte Read. Sein Gesicht wurde dabei zu einer eisigen Maske.
Slater blickte zur Seite.
"Ja."
"Ich werde einen Suchtrupp zusammentrommeln."
"Es muss schnell gehen, John! Sonst sind diese Geier über alle Berge!"
"Ich weiß. Du hast einen scharfen Ritt hinter dir, Chuck. Kann ich trotzdem mit dir rechnen?"
Slater nickte.
"Keine Frage, John!"
"Gut!"
Read wollte an dem Vormann vorbei, weiter in Richtung Saloon, um ein paar Männer zu fragen, ob sie sich dem Trupp anschließen wollten.
Aber Slater hielt den Sheriff am Arm und dieser wandte sich halb herum.
"Jemand wird Billy Coburn die schlimme Nachricht überbringen müssen, dass seine Frau und das ungeborene Kind tot sind", brummte Slater.
Read hielt einen Moment lang inne und nickte dann.
"Ich werde das übernehmen", entschied er. "Wir werden bei der Coburn-Farm vorbeireiten. Billy wird sicher mit uns kommen wollen."
3
Der Suchtrupp war schnell zusammengestellt. Im Eilverfahren wurden die Männer zu Deputies vereidigt.
Insgesamt sieben Reiter waren es, die sich wenig später bis an die Zähne bewaffnet aufmachten, um die Spur der Banditen aufzunehmen.
In scharfem Galopp ritten sie zunächst in Richtung der Farm von Billy Coburn. Der junge Mann war vor einem Jahr mit seiner Frau hier her gezogen und hatte die Farm buchstäblich aus dem Nichts aufgebaut.
Die Farm war nicht groß, konnte aber eine Familie ganz gut ernähren. Sie war nur wenige Meilen von Jefferson entfernt.
Die Reiterschar hatte sie schnell erreicht.