Das Gesicht des kleinen Mannes verlor jegliche Farbe und er schaute Read an, als hätte er ein exotisches Tier vor sich.
"No, Señor!", beeilte er sich dann. "Ich kenne keinen Mann, der Warren heißt." Er zuckte die Achseln. "Woher auch? Hier kommen täglich Dutzende von Gringos an, um ihr Vergnügen zu haben und zu trinken. Es es ist unmöglich, sich alle Namen zu merken. Glauben Sie mir! Die meisten bleiben nicht lange und..."
Sein Redefluß wurde jäh unterbrochen, als Coburns langer Arm über die Theke ging und den Bodegero beim Kragen packte.
Coburn zog.
"Reden Sie keinen Unfug, Hombre!", zischte er dabei.
Read packte Billy bei der Schulter.
"Lass ihn los", sagte er ruhig, was Billy auch tat - wenn auch widerwillig.
"Madre de dios! Was ist mit deinem Freund los?"
"Er ist mit den Nerven ziemlich am Ende", sagte Read. "Uns ist in Arizona eine dumme Sache passiert. Spielt keine Rolle, was es war. Jedenfalls war am Ende ein Mann tot..."
Der Bodegero verzog geringschätzig das Gesicht. "Solche Geschichten sind hier nichts besonderes!", fauchte er.
Aber Read fuhr unbeirrt fort.
"Wir können nicht zurück. Und als wir von Warren - El Diabolo - gehört haben, da dachten wir, wir könnten uns dort vielleicht anschließen. Wir vertrinken hier nämlich gerade unsere letzten Dollars! Ich wette, du kennst jemanden, der uns mit Warren zusammenbringen kann."
Der Bodegero zitterte vor Angst.
Und auf einmal war es ziemlich ruhig in der Bodega geworden. Die meisten Gespräche an die Tischen hatten aufgehört, selbst die Pokerrunde in der hintersten Ecke machte eine Pause.
"So, ihr wollt also zu El Diablo!", brach plötzlich ein hoch aufgeschossener, schlaksig wirkender Mann das Schweigen, dessen blonde Mähne ungezähmt unter dem Hut hervorquoll. Die Haare gingen ihm fast bis zur Schulter. Die Rechte baumelte in Höhe des tiefgeschnallten Revolvers, während die Linke mit dem dicken Griff des Bowie-Messers herumspielte, das er am Gürtel trug.
Read wandte sich langsam herum und nickte.
"So ist es", bestätigte er und musterte dabei sein Gegenüber eingehend.
Neben dem Blondschopf stand ein dunkel gekleideter, untersetzter Kerl mit einem Doppelholster. Die beiden Männer schienen irgendwie zusammenzugehören.
Der Blondschopf wandte kurz den Blick zu einem Mexikaner, der bei der Poker-Runde saß und der daraufhin aufstand und die Bodega verließ.
"Du hast also Ärger in Arizona...", begann der Blondschopf dann und kam etwas näher.
Sein Unterton gefiel Read nicht.
"Ja", nickte er, während er gleichzeitig bemerkte, dass die Hände des Doppelholster-Manns langsam tiefer sanken.
"Wo war das?", fragte der Blonde.
"Was geht dich das an?", erwiderte Read.
"Sagen wir mal, vielleicht kenne ich Warren."
"Es gibt kaum einen in Santa Cruz, der ihn nicht kennt!", versetzte Read ätzend.
Das Gesicht des Blonden wurde zu einer eisigen Maske. Die blauen Augen blitzten gefährlich auf.
Der Mann mit dem Doppelholster machte inzwischen ein paar Schritte nach links und postierte sich bei einer Treppe, die hinauf ins obere Stockwerk führte. Auf seinem Gesicht stand ein zynisches Grinsen.
Der Blonde trat indessen vor und stellte sich neben Read an die Theke.
"Wie heißt du?", fragte er an Read gewandt.
"Ich glaube, du hast Warren noch nie gesehen und machst nur heiße Luft", erwiderte Read, ohne auf die Frage seines Gegenübers einzugehen.
Damit wandte er sich wieder zur Theke und seinem Essen zu.
Er stopfte die letzten Bissen des Eintopfs in sich hinein und trank den Whisky aus.
Der Blonde wurde ärgerlich.
"Doug Warren ist in der Stadt! Und ich kann dich zu ihm bringen, wenn du willst! Allerdings müsstest du mir schon einen überzeugenden Grund dafür nennen, weswegen Warren an euch zwei Herumtreibern interessiert sein sollte..."
Aus den Augenwinkeln heraus sah Read die Bewegung bei dem Kerl mit dem Doppelholster.
Dieser glaubte offenbar, dass sein Moment gekommen wäre und griff blitzartig zu den beiden Eisen, die er an den Seiten trug.
Die Hand des Blonden ging ebenfalls zur Seite.
Doch er hatte den Revolver noch nicht einmal halb herausgezogen, da spürte er schon den Lauf von Reads 45er in der Magengrube.
"Lasst die Dinger besser stecken!", raunte Read.
Billy hatte ebenfalls gezogen und seine Waffe auf den Mann mit dem Doppelholster gerichtet.
Für einen schrecklich langen Augenblick hing alles in der Schwebe. Dann ließ der Blonde seinen Colt zurück ins Holster sinken und rief: "Tu schon, was er sagt, Lewis!"
Einen Augenaufschlag lang war der Kerl mit den zwei Revolvern noch unschlüssig, dann steckte er seine Waffen zurück.
"Das war ein Missverständnis, Amigo!", sagte der Blonde mit einem schwachen Grinsen.
Read hob die Augenbrauen.
"Ach, ja?"
"Du bist verdammt schnell. Es gibt nur wenige Männer, die ihr Eisen so schnell ziehen können."
Read steckte die Waffe ein.
"Vielleicht hast du jetzt eine Idee, weshalb Warren uns gebrauchen könnte..."
Der Blonde schluckte.
"Sicher..."
"Bringt uns zu ihm!", forderte Billy.
Der Blonde atmete tief durch, dann zwang er sich zu einem dünnen Lächeln und streckte Read die Hand hin.
"Mein Name ist Davis!", sagte er. "Und ich werde den Boss schon davon zu überzeugen wissen, dass einer, der mit dem Eisen so gut umgehen kann wie du, unbedingt auf unserer Seite stehen sollte!"
17
Doug Warren zündete sich gerade eine dicke Zigarre an und blickte aus seinem Zimmer im Hotel de Santa Cruz. Ein Bad und ein richtiges Bett waren eine Wohltat nach dem Ritt durch die staubige Wildnis.
In seine roten Haare hatte El Diablo Pomade geschmiert und sie nach hinten frisiert.
Es sah lächerlich aus, aber im Umkreis von vierzig Meilen gab es niemanden, der es gewagt hätte, El Diablo dies zu sagen.
"Du musst etwas unternehmen, Doug!", sagte der zweite Mann im Raum. Er war so dunkel wie ein Halbblut und trug den Revolver links. Offenbar war er gerade erst angekommen und hatte einen harten Ritt hinter sich. Von oben bis unten war seine Kleidung mit Staub bedeckt.
Warren kniff die Augen zusammen.
"Was schlägst du vor, Paco?"
"Du musst schleunigst zurück zur Hazienda! Sonst hat McCain alle Macht an sich gerissen!"
Warren ballte die Hand zur Faust. "McCain! Ich hätte es mir denken können! Dieser Hund!"
"Ich hatte dich von Anfang an gewarnt", sagte Paco.
"Ja, ich weiß! Ich hätte die Hazienda nicht verlassen sollen! Aber es hat mir halt auf die Dauer nicht gepasst, dort festzukleben!"
"Vor allen Dingen hättest du nicht