Wer die Beschlüsse des Konzils ablehnt und die Evangelien in gemalter Form oder die Darstellung der menschlichen Natur Jesu Christi nicht zulässt, dem droht das Anathem und damit der Kirchenbann.33 Das Konzil grenzt sich vom Konzil von Hieraia ab, das die Christusbilder ablehnt. Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott und die Bilder dienen der Beglaubigung der Inkarnation und der Verkündigung des Evangeliums. Einzig allein die Eucharistie kann Christus vergegenwärtigen und abbilden und über die Konsekration die Materie durch Berührung mit den Händen mit Geist heiligen, ist die Gegenposition von Hieraia.34 Bilder sind dagegen Menschenwerk, die keine göttliche Kraft enthalten. Dieses wird nun durch Nizäa relativiert und abgelehnt, sodass es auch nur bedingt zu einer „Demokratie“, einem Austausch zwischen beiden Systemen und Vorstellungen kommt. Es gibt nur den „einen“ Weg. Der andere Weg muss daher häretisch sein, um die Einheit der Kirche als Ganzes zu schützen, gegen eine Pluralität, sodass Freiheit begrenzt wird, um diese „Freiheit“ zu schützen, auch wenn es eher eine relative ist, in Abgleich mit den Autoritäten und Konzilen oder der Allgegenwart der Bilderfrömmigkeit. Von einem Freiheitsbegriff im Sinne der Neuzeit kann so nicht die Rede sein, sodass eine Ethik authentischer Freiheit von den zeitlichen Kontexten abhängig ist oder wahrscheinlich von dem Begriff der „Freiheit“ überhaupt keine Rede sein kann beziehungsweise darf. Sie kann auch zur wechselseitigen Abgrenzung führen, im Sinne von Kirchenspaltungen oder Kirchenbann (aufgrund der hermeneutischen, theologischen und „freien“ Entscheidungen von anderen Glaubensrichtungen), aber auch Annäherungen aufgrund von konfessionellen Vermischungen und um Streit und Kriege zu vermeiden, da eine theokratische Herrschaftsform natürlich auch Einfluss auf politische und weltliche Entscheidungen hat, z.B. die Legitimierung des Kaisers durch Münzbilder und seine Darstellungen als von Gott legitimierter Kaiser. Die Konzile sichern damit auch die politische Stabilität des Byzantinischen Reiches, auch weil die Kirche von der Gunst des Kaisers wahrscheinlich abhängig ist. Das haben in früherer Zeit die Christenverfolgungen gezeigt.
Für die Frage nach der Bilderverehrung auf dem Trienter Konzil ist entscheidend, dass die Bilderverehrung aufgrund des Beschlusses des Konzils von Nizäas erlaubt ist. Auch die Androhung des Anathems, wenn jemand die Anbetung Christi ablehnt, korreliert mit dem Anathem im Bilderdekret Trients. Die Wirkung von Gnade durch die Bilder, die im zweiten Konzil von Nizäa noch vorausgesetzt ist, wird im Trienter Konzil aber ausgeschlossen. Die westliche Position, die in den Libri Carolini verdeutlicht wird, neigt zur ablehnenden Position des Konzils von Hieraia.
1.1.2. Die Position des Westens und die Antwort auf Nizäa: Die Libri Carolini
Als Verfasser gilt der fränkische Theologe Theodulf. Die Stellungnahme lehnt die von Nizäa legitimierten Gnadenbilder ab und verwirft die Entscheidung des Konzils insgesamt.35 Die Repräsentation der Heiligen in den Bildern dient allein didaktischen Zwecken. Einzig allein die Eucharistie kann die Gnade Christi vermitteln und vergegenwärtigen, nicht die Gnadenbilder.36
Die Bilder können keine Wunder bewirken und Heilungen vollbringen, im Gegensatz zu den Reliquien, die in unmittelbaren Kontakt und Berührung mit den Heiligen gekommen sind, um ihren virtus und ihre Gnade zu empfangen und aufzunehmen. In der Bibel sind keine Berichte über wundertätige, materielle Bilder zu finden.37 Wobei bei Luther die Cherubim oder Seraphim über dem Thron Gottes im Tempel Jerusalems erwähnt werden, sodass sich die Aussage relativiert und kritisch zu sehen ist.38 Trotzdem sind die Bilder als Ausschmückung für die Kirchen und zur Erinnerung an die Taten der Heiligen und Präsentation der biblischen Heilsgeschichte geeignet.39 Aber eine Anbetung des Bildes ist ausgeschlossen und verboten. Die Verehrung kommt allein Gott und Christus zu.40 Theodulf ist somit kein Bilderfeind. Er stuft sie aber als „vorsichtig zu betrachten“ ein und grenzt sich von der Idolatrie ab.41 Ein Idol, das anzubeten ist, ist ausgeschlossen. Denn dieses verweist nur auf sich selbst. Das Bild dagegen verweist möglicherweise auf ein Urbild, das in dem Bild abgebildet ist.
Der Begriff der Anbetung ist eine fehlerhaft zusammengesetzte Übersetzung aus den Worten latreia und proskynesis. Das nizänische Konzil unterscheidet richtig zwischen der Verehrung, die allein Gott vorbehalten ist, und der kniefälligen Verehrung, die den Bildern zukommt.42 Die Libri Carolini vermischen diese Bedeutung und setzen sie mit adoratio gleich.43 Wahrscheinlich ist aber, dass diese Nicht-Unterscheidung aus einem unterschiedlichen Weltverständnis resultiert. Zwischen einer Kirche, in der Ikonen selbstverständlich sind, und einer Kirche, in der sie es nicht sind, bestehen untrennbare Welten.44
Die Bilder sind einzig allein materielle Kunstwerke eines Künstlers und unterliegen seinem Schaffen, seinen Fähigkeiten und dem Verfall. Im Gegensatz zu den Menschen, als Werk Gottes, sind die Bilder Werke des Künstlers, anders als das Sakrament des Abendmahles, das ein Werk Gottes ist.45 Bilder können hässlich und schön sein.46 Wenn das Bild schön und gelungen ist, kann die Materie und der Künstler gelobt und verehrt werden, aber nicht das abgebildete Bild eines Heiligen.47 Das gute Werk vollzieht sich allein durch die Taten des Priesters und des Sakraments, nicht aber durch das Bild.48 Außerdem benötigen die Bilder eine Unterschrift, damit der abgebildete Heilige nicht mit einem anderen Heiligen verwechselt wird.49
Die Libri Carolini betonen die Stellung des Gnade wirkenden Sakraments. Ein Bild kann diese Gnade nicht leisten und tritt hinter das Sakrament zurück. Aber es kann eine religionspädagogische Funktion zur Erbauung des Betrachters durch die Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte haben. Diese Funktion betonen auch die Reformatoren, in deren Bildkonzepten das gnadenwirkende Bild aber keine Bedeutung hat.
8 Blume, Körper, 241.
9 Schönborn, Christologie, 188.
10 Ex 20,4 und Dtn 5, 8: „Du sollst dir kein Gottesbild machen noch irgendein Abbild von etwas, was oben im Himmel, was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist.“ Lange, Bilderstreit, 172.
11 Vgl. den Text bei Denziger, Heinrich (Hg.) (2010): Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. 43. Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder, 129-131 und Lange, Bilderstreit, 174.
12 Stein, Exegese, 73 und Joh 4, 24: „Gott ist Geist, und die zu ihm beten, müssen in Geist und Wahrheit beten.“
13 Thümmel, Bilderstreit, 201.
14 Lange, Bilderstreit, 180 und Nikaia II, 7-16, 133.
15 Ergo donum donum hoc quidam non cogitantes, a versuto inimico volatici quodammodo facti, a recta ratione ceciderunt; traditioni etiam catholicae ecclesiae resultantes intellectu veritatis frustrati sunt. Nikaia II 25-31, 133.
16 Nikaia II 4-6., 134.
17 Nikaia II 27. Text bei Wohlmuth, Konzilien. Bd. 1, 24.
18 Nach Joh 4, 3: Ich und der Vater sind eins.“
19 Nikaia II 4f., 135.
20 Moeller, Geschichte, 114.
21 Nikaia II 25-35, 135.
22 Lange, Bilderstreit, 184.
23 Et qui adorat imaginem, adorat in ea depicti subsistentiam. Nikaia II 31f., 136.
24 Lange, Bilderstreit, 181.
25 Nikaia II 29f., 136.
26 Darlegung des christlichen Glaubens, 3.
27 Darlegung des christlichen Glaubens, 1-2.
28 Darlegung des christlichen Glaubens, 3-5.
29 Gegen Feld, Ikonoklasmus, 18 und mit Stock, Kunst, 24.
30 Nikaia II 25f, 136.
31 Lange, Bilderstreit, 183.