„Also, was ist?“, fragte Katharina.
„Na schön, von mir aus“, stimmte Rostek zu. „Aber wehe, du ziehst mich über den Tisch.“
Katharina schlug die Tür zu, ging um den Wagen herum und stieg auf der Beifahrerseite ein.
„Also gut, dann fang mal an.“
„Warum ich?“
„Okay, machen wir‘s Zug um Zug. Ich ermittle gegen Leute, die Pornoaufnahmen von jungen Frauen machen. Und du?“
Rostek zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Ich bin nicht bei der Polizei. Schon lange nicht mehr. Ich arbeite jetzt als Privatdetektiv und bin an einer ähnlichen Geschichte dran. Bei mir geht‘s um einen Fotografen, der jungen Frauen große Versprechungen macht. Er behauptet, ausgezeichnete Kontakte zu allen großen Magazinen zu haben und garantiert ihnen, dass sie auf‘s Cover kommen. Ist natürlich Beschiss. Er leiert ihnen einen Haufen Kohle aus‘m Kreuz, und das Einzige, was dabei herausspringt, sind ein paar billige Schmuddelaufnahmen, die dann in einem drittklassigen Pornomagazin erscheinen.“
„Weshalb wenden sich die Frauen nicht an die Polizei?“
„Der Typ ist ‘nen ganz schlauer. Er lässt sie vorher einen Vertrag unterschreiben, in dem sie bestätigen, dass sie mit diesen Aufnahmen und deren Verwertung einverstanden waren. Offiziell lässt sich da nichts machen.“
„Bei meinem Fall verhält es sich ähnlich“, sagte Katharina. „Die betreffende Frau hat sich anschließend umgebracht.“
„Uh, das ist übel.“
„Wurdest du von einem der Opfer beauftragt?“
„Von der Mutter.“
„Hat die Tochter auch ...“
„He, jetzt bin ich mal wieder dran, mit Fragen stellen.“
„Nur zu.“
„Was hast du im Haus von Steinert gesucht?“
„Dasselbe wie du. Beweise.“
„Dann glaubst du also auch, dass er in die Sache verwickelt ist?“
„Ich weiß es nicht. Was denkst du?“
„Im Moment noch gar nichts. Ich hatte keine Gelegenheit, mich bei ihm umzusehen. Du kamst mir dazwischen.“
„Du hast nichts versäumt.“
„Das hätte ich gerne selber überprüft.“
„Nur zu. Niemand hindert dich daran.
„Wie bist du eigentlich auf Steinert gekommen?“, wollte Rostek wissen.
„Jemand gab mir einen Tipp.“
„Seinen Namen willst du mir nicht verraten, oder?“
„Hafner, Eckard Hafner.“
„Ach der. Den hatte ich auch schon auf meiner Liste.“
„Hast du ihm einen Besuch abgestattet?“
„Nein, noch nicht. Mal sehen, vielleicht morgen.“
„Sei vorsichtig. Wenn er schlechte Laune hat, schmeißt er seine Besucher gerne in den Pool.“
„Keine Sorge. Ich passe schon auf.“
Sie schwiegen einige Sekunden.“
„Was wirst du als Nächstes tun?“, wollte Rostek wissen.
„Keine Ahnung. Sämtliche Spuren, die ich hatte, sind im Sand verlaufen. Und eine Neue habe ich nicht.“
„Tja, das ist Pech.“
„Eher Berufsrisiko.“ Katharina öffnete die Tür und stieg aus. „Vielleicht sieht man sich mal wieder.“
„Ja, vielleicht.“
Max Rostek startete den Motor. Mit quietschenden Reifen fuhr der Wagen an und raste davon. Während Katharina zu ihrem VW-Golf ging, holte sie den Zettel aus der Tasche, den sie in Steinerts Wohnung gefunden hatte. Dann stieg sie ein und machte sich auf den Weg.
15
Die Adresse gehörte zu einem Haus am Stadtrand. Es war ein schmales Gebäude mit grauer Fassade und abbröckelndem Putz. Die übrigen Häuser wirkten noch trostloser. Im trüben Licht einiger Laternen lag die Straße wie ausgestorben da. Katharina fuhr in langsamer Fahrt an den Gebäuden vorbei und streifte die Umgebung mit abschätzenden Blicken. In einigen Torbögen lungerten ein paar finstere Gestalten herum. Die Glutpunkte von Zigaretten glimmten auf.
Katharina entschloss sich, den Wagen in einer Seitenstraße abzustellen und hoffte, bei ihrer Rückkehr wenigstens noch ein paar brauchbare Teile des Fahrzeugs vorzufinden. Sie ging die dunkle Straße zurück bis zum Haus und stieg die ausgetretenen Steinstufen zur Haustür empor. Sie gelangte in einen Flur, der von einer trüben Lampe notdürftig erhellt wurde. Hinter einer der Türen ertönten leise Stimmen. Katharina ging langsam darauf zu und lauschte. In dem dahinterliegenden Raum hielten sich mindestens drei Personen auf. Sie musste mehrmals klopfen, bevor die Tür geöffnet wurde. Ein etwa vierzigjähriger Mann mit Halbglatze blickte sie fragend an.
„Lars schickt mich“, sagte die Detektivin.
„Wer?“
„Der Fotograf.“
„Weshalb?“
„Ich soll hier etwas abholen.“
„Was?“
„Das weiß ich nicht. Lars sagte, Sie wüssten schon Bescheid.“
Der Mann verdrehte die Augen. „Weiß ich nicht. Aber mir sagt man hier sowieso nichts.“ Er überlegte einen Moment. „Na schön, komm rein.“
Der Mann gab den Weg frei, wartete, bis Katharina eingetreten war, und schloss dann die Tür hinter ihr.
„Warte hier. Ich komm gleich wieder.“
Der Mann verschwand durch eine Tür auf der linken Seite. Katharina schlenderte durch die Halle. Auf der rechten Seite stand ein Bett, das von drei mächtigen Scheinwerfern beleuchtet wurde. Auf dem Bett lag eine junge nackte Frau, die mit Händen und Füßen an das Gestell gefesselt worden war. Ein muskulöser Mann, der nichts weiter trug als eine Ledermaske, beugte sich über sie. Katharina trat etwas näher und sah nun auch die anderen Männer, die sich hier versammelt hatten.
Zwei von ihren trugen Videokameras auf ihren Schultern. Einer hockte auf dem Bett, der andere stand auf der mittleren Sprosse einer Aluleiter. Als die Frau ihren Kopf langsam zur Seite drehte, konnte Katharina ihre glasigen Augen sehen. Es war unzweifelhaft, dass sie unter Drogen stand und diese Prozedur nicht freiwillig über sich ergehen ließ.
Katharina wandte den Kopf, als hinter ihr Schritte ertönten. Der Mann mit der Halbglatze kehrte zurück. In seiner Begleitung befand sich Petra Crone, die Frau, die Katharina in Melissa Steinwedels Wohnung kennengelernt hatte. Sie bekam kugelrunde Augen, als sie die Detektivin erkannte. Die Blicke des Mannes tanzten zwischen dem Rotschopf und Katharina hin und her.
„Was ist los?“, fragte er scharf.
„Du Idiot! Wie ist die denn hier reingekommen? Das ist eine Privatdetektivin.“
Dem Mann fiel die Kinnlade auf die Brust. Er erholte sich jedoch überraschend schnell und wollte eine Warnung schreien. Katharinas Knie hatte keinen weiten Anmarschweg und rammte sich zwischen seine Beine. Wie bei einem durchlöcherten Ballon pfiff ihm die Luft aus den Lungen. Er sank auf die Knie, presste seine Hände in den Schritt und kippte dann zur Seite. Die Männer in der Filmkulisse standen da wie vom Donnerschlag gerührt und starrten sie an.
Petra