Wir entwickelten auch eine effektive Aktion, um an Bier und Zigarettengeld zu kommen.
Damals hatten die Brauereien noch Lkws, die elektrisch fuhren und Vollgummireifen hatten. Die fuhren ziemlich langsam, wohl um das Bier nicht zu sehr aufzuschütteln, aber wahrscheinlich konnten die gar nicht schneller.
Jedenfalls fuhren wir jeweils zu dritt hinter einem dieser Gefährte her, wobei der Erste eine Flasche Bier griff, sie dem Zweiten nach hinten reichte und dieser sie an den Dritten weiter gab, der sie dann behutsam in den Straßengraben rollen ließ. Erwischt wurden wir nie, weil die Autos keine Außenspiegel hatten (die waren damals noch nicht Vorschrift).
So hatten wir Bier, und nachdem wir die Flaschen geleert hatten, gab es Pfandgeld für Zigaretten.
Na ja, so in dieser Art waren unsere Streiche halt – wir mussten uns etwas einfallen lassen, um die Langeweile zu vertreiben.
Der Gipfel unserer Streiche sollte das "Ausräuchern" der Zeugen Jehovas werden.
Mein bester Freund, der Wolf, war unser "Giftmischer". Wir nannten ihn so, weil er im Verlauf seiner Pubertät eine "chemische" Phase hatte. In dieser Zeit experimentierte er in der Dachkammer seines Elternhauses mit Chemikalien herum, wobei er unter anderem herausfand, wie Schwarzpulver herzustellen war, und Ähnliches.
Eines Tages, als ich bei ihm klingelte, schaute er aus der winzigen Dreiecksluke im Dachgiebel, und er sah aus wie ein Alien. Ich war relativ weit weg am Gartentor und konnte so nicht genau sehen, was mit ihm passiert war. Er kam herunter, um mich zu begrüßen, und da sah ich es: Er hatte im ganzen Gesicht kleine Wunden, die genäht waren und mit einer Art Desinfektionsmittel bestrichen waren. Die Fäden standen hervor, und diese Tinktur sah aus wie silberne Farbe. Wie von einem anderen Stern! Es war ihm bei seinen Versuchen etwas explodiert!
Die Schwarzpulverphase war sehr lustig – für uns zumindest!
Beispielsweise füllten wir das selbstgemachte Schwarzpulver in leere Siphonpatronen ein. Die hatten wir von Sodawasser bereitern. Wolf bastelte aus Lösch papierstreifen einen Zündschnurersatz. Er tauchte sie in eine mir unbekannte Tinktur, und wenn sie trocken waren, brannten sie so glimmend ab wie eine Zündschnur.
Alsdann sprengten wir mit unseren Minibomben vorzugsweise Briefkästen. Einmal versuchten wir uns sogar an einem Telegrafen masten, der aber stand hielt. Allerdings rief die Aktion Sprengstoffexperten und Kripo auf den Plan, die uns zwar nicht erwischten, aber langsam wurden unsere Streiche brenzlig.
Wolf hatte auch die Zusammensetzung von Buttersäure entdeckt!
Wir hatten schon immer gerne die Zeugen Jehovas geärgert, wenn sie mit ihrem "Wachturm" herum standen. Eines Abends hatte Wolf die Idee, eine Versammlung der Zeugen Jehovas zu besuchen. Es war klar, dass er etwas vorhatte, aber keiner wusste, was!?
Die Versammlung fand im Nebensaal einer uns bekannten Wirtschaft statt, dem "Ehrwalder Hof", welcher an der Rückseite eine Trenntür hatte.
Wir waren sechs Jungs, und Wolf meinte, wir sollten uns in die letzte Reihe setzen, gleich bei der Tür.
Der "Geistliche", oder wie man die bei den Zeugen Jehovas nennt, begrüßte die Anwesenden und ganz besonders uns – er freute sich, so viele neue Gesichter zu sehen. Aber nicht lange!
Kurz darauf, ich saß neben Wolf, konnte ich beobachten, dass er ein kleines Glas mit einer Flüssigkeit auf den Boden stellte und eine andere Substanz dazu schüttete.
Jetzt, bedeutete uns Wolf, wäre es an der Zeit, zu verschwinden, und so schlichen wir uns schnell zu jener Hintertür hinaus und suchten das Weite.
Zu jener Zeit hatte ich keine Ahnung, was Buttersäure war und wie es wirkte. Heute weiß ich es – es stinkt unglaublich, wie faule Eier oder Stinkbomben, nur um ein Tausendfaches schlimmer! Und vor allem ist der Gestank kaum weg zu bringen.
Als wir etwa eine halbe Stunde später an der Wirtschaft mit dem Fahrrad vorbei fuhren, um zu sehen, was los war, standen alle Leute auf der Straße vor dem Lokal, und es stank sogar auf der Straße noch!
Und schon wieder wurde die Kripo auf den Plan gerufen. Diesmal gab es dann schon Befragungen, da wir unter Verdacht standen, denn wir wurden erkannt. Jedoch verliefen die Interviews ergebnislos, weil wir dicht hielten. Allerdings wurde uns danach der Boden zu heiß, und wir hielten uns mit solch drastischen "Streichen" zukünftig zurück.
Was mich aber ganz extrem faszinierte, war Autofahren! Ich hatte meinen Vater immer sehr genau beobachtet, was er machte und wie das ging mit dem Schalten und Kuppeln. Und so kam ich an einem schönen Sonntag nach mittag im Winter auf die glorreiche Idee, Vaters Wagen aus der Garage zu holen und eine Spritztour zu machen, natürlich mit meinen Spezln, die auch sofort begeistert zustimmten.
Meine Eltern waren mit unserem Zweitwagen, dem "SL", auf einem Ausflug ins Oberland, also gab es kein Hindernis, und so holte ich den Mercedes aus der Garage.
Ich war gerade mal vierzehn Jahre alt!
Wenn ich heute daran zurück denke, wird mir fast noch schlecht! Solchen Leichtsinn kann man nur als Teenager machen! Wir spielten effektiv mit unserem Leben. Keiner von uns hatte jemals zuvor ein Auto bewegt, aber ich zumindest war mir sicher, ich könnte durch simples Zusehen beim Vater Auto fahren!
Also, los ging's! Wie gesagt, es war Winter, auf den Strassen Schneeglätte, und zudem war heftiges Schneetreiben zugange.
Ich fuhr los, und die Strasse, in der wir wohnten, war eine schmale Allee, die mir nunmehr noch schmaler erschien.
Weit kam ich nicht, da fuhr ich erst mal in den Graben. Gut, der Graben war gottlob nicht sehr tief, und wir kamen auch wieder heraus. Und weiter ging's.
Nach einigen hundert Metern wurde ich bereits übermütig, weil alles so glatt lief, und ich beschloss, auf die Olympiastrasse Richtung Starnberg raus zu fahren.
Es war der glatte Wahnsinn – ich fuhr etwa 120 kmh – alle anderen Autos vielleicht gerade mal 50 kmh, und ich überholte dabei auch noch! Einer dieser Überholvorgänge war ziemlich riskant, und ich konnte gerade noch einscheren – im entgegenkommenden Auto saß wer? – meine Eltern!!! Sie hatten wohl wegen des schlechten Wetters ihren Ausflug früher als erwartet abgebrochen und waren bereits auf dem Heimweg.
Mein Vater zeigte mir den "Vogel", und vorbei waren sie!
Jetzt aber – Panik!!! Sofort wollte ich umkehren, wobei ich wieder im "freien Gelände" landete. Alles raus aus der Karre und schieben! Wir hatten Glück und kamen frei! Also im Eiltempo zurück nach Hause.
Vor unserem Haus angekommen, konnte ich an den Spuren im Schnee schon erkennen, dass meine Eltern bereits da gewesen waren und nachgesehen hatten, ob das Auto in der Garage stand oder, ob sie sich getäuscht hatten.
Wie sich später herausstellte, hatte mein Vater seinen Zweitwagen zwar nicht erkannt, er musste sich ja aufs Fahren konzentrieren, aber meine Mutter hatte uns gesehen!
Wir machten den kläglichen Versuch, den Schnee mit unseren Taschentüchern vom Auto zu wischen, aber es war wohl eine Verzweiflungstat, natürlich völliger Blödsinn.
Also fuhr ich das Auto in die Garage, und wir verdünnisierten uns erst mal, um Kriegsrat abzuhalten.
Das war äußerst unproduktiv, weil uns logischerweise keine in irgendeiner Weise plausible Ausrede einfallen konnte!
Es half ja nichts – irgendwann musste ich eben wieder nach Hause und dem ins Auge schauen, was da auf mich zu kam!
Es wurde natürlich ein ungeheuerliches Donnerwetter, aber weit weniger schlimm als befürchtet, weil die Sorge der "Alten" um mich überwogen hatte und sie froh waren, dass nichts passiert