Uwe Lochner litt nach Tagen und Nächten in einem isolierten Krankenzimmer an Redestau. Und auf Peko hatte er sich hörbar vorbereitet. In Lensen hatte man ihm dieses Würstchen in die Zelle gelegt – nein, er kannte ihn nicht von früher, hätte auch keinen gesteigerten Wert darauf gelegt, ihn nach seiner Haftentlassung noch einmal zu treffen.
„Und dann sehen Sie ihn auf dem Parkplatz hinter Cori. Nicht nur einmal sondern fast täglich. Dass er von der LHB nichts wollte, wo er übrigens fast hunderttausend Euro auf seinem Konto hatte, kam Ihnen gar nicht in den Sinn, sondern, dass er bei der Teta half, war zu absurd, wie?“
„Heute traue ich es dem Schwachkopf zu. Hundert Riesen auf der Bank und für lau bei der Teta schuften.“
Dobbertin konnte sich nicht mehr beherrschen. „Bin mal gespannt, ob Sie noch je in die Lage kommen werden, die Hilfe der Teta in Anspruch nehmen zu müssen.“
Lene ließ sich nicht weiter unterbrechen: „Und eines Tages sind Sie ihm bis in die Bertoldstraße gefolgt.“
„Ja.“
„Und am Freitag vor dem geplanten Einbruch-Wochenende waren Sie noch einmal bei Peko in der Bertoldstraße und haben an seine Wohnungstür geklopft. Hat er sofort aufgemacht?“
„Er hat zuerst innen noch was Blödes gefragt, was ich nicht verstanden habe. ‚BB? Ich denke, Sie wollten sich morgen früh verabschieden.‘“
Das hatte nicht in der Zeitung gestanden. Das war Täterwissen, sie hatten ihn. Lene entspannte sich so sichtbar, dass es Lochner nicht entging. Er schüttelte den Kopf über sich und seine dumme Schwatzhaftigkeit und fiel in sich zusammen. Sie hatten ihn, Dembach wusste es und auch Dobbertin.
Achtzehntes Kapitel
Natürlich war Lene Schelm zur Jubiläumsfeier „Vierzig Jahre Keltenkönig“ im Festsaal der Leininger Handelsbank eingeladen. Und weil seit Wochen herum war, dass sie die neue Freundin des LHB-Vizepräsidenten Ulrich Scheuren war, fragte auch keiner, was eine Kriminalbeamtin in dieser Festrunde verloren hatte.
Werner Baumeister hatte ein ordentliches Programm organisiert, mit Kammermusik und einem launigen Festvortrag von Ernst Klaproth „Moderne Schatzsucher und diese heftigen Zufallsfunde.“ Er bekam viel Applaus.
Beim Büfett nahm Irmgard Messing Lene zur Seite. „Glückwunsch zu Ulrich Scheuren. Nicht loslassen.“
„Nein, nur zum Atmen.“
„Und wo atmen Sie?“
„Wir waren uns ohne viele Worte einig, dass er sein Haus und ich meine Wohnung behalte.“
„Sehr vernünftig, ich heiße Irmgard.“
„Und ich Marlene, Lene ausgesprochen.“
Ende
III. Wenn die Kirche brennt
Kriminalroman
Personen
Bernd Jokisch (Joko): Brand-Sachverständiger im Vorruhestand
Helga Schmied: Eine Schülerliebe Jokos
Annegret Stengel: Eine Schuldfreundin von Helga Schmied
Carsten Steinfeld: Helgas Ehemann, vermisst seit einem Besuch einer Leipziger Messe zu DDR-Zeiten
Della Korbey: Klavierlehrerin und Freundin Helgas in Hattingen
Karin Heise: verheiratete Schwester der ermordeten Julia Hoppe und
heute Angestellte im Essener Schulamt
Gernot Finck: kurzzeitiger Freund von Julia und Karin Hoppe
Daniela Landmann, geborene Finck: Architektin in Kettwig und Vorsitzende eines Altschülerinnenverbandes
Peter Landmann: Dipl.Ing., Danielas Ehemann und ein Cousin von Jürgen Heise
Jürgen Heise: Lokaljournalist
Marlene (Lene) Schelm: Erste Kriminalhauptkommissarin im Tellheimer Referat R – 11
Ingo Baratsch: jüngster Kommissar im R – 11
Mia Hollweg: Kommissarsanwärterin im R – 11
Jürgen Sandig: Staatsanwalt in Tellheim
Egon Kurz: Leiter der Tellheimer Kriminaltechnik
Dr. Xaver Rupp: Gerichtsmediziner in Tellheim
Beate Lorenz: Kriminalhauptkommissarin beim Staatsschutz, eigentlich für alles nicht zuständig
Alle Namen und Taten, Personen und Ereignisse, Geschäfte und Organisationen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
An einem sonnigen Frühsommermorgen beschloss Joko spontan, seiner blonden Helga aus Schülerzeiten nicht länger in Gedanken nachzuhängen, sondern sie aktiv zu suchen. Er war Mitte fünfzig, rüstig und gesund und hatte es sich finanziell leisten können, vorzeitig in Rente zu gehen (oder, wie er das nannte, die „Tretmühle“ rechtzeitig vor dem ersten Herzinfarkt zu verlassen) Helga und er hatten kurz nacheinander Abitur gemacht; sie wollte Apothekerin werden und hatte begonnen, ein damals noch verlangtes Herbarium anzulegen, weswegen er mit ihr an vielen Wochenenden im Wald und auf Magerwiesen verschwand, um nach Kräutern, seltenen Pflanzen und Blüten zu suchen, die dann getrocknet, in ein dickes Buch eingeklebt und vor allem bestimmt werden mussten. Bei ihren botanischen Exkursionen begegneten sie nur selten anderen Pärchen, die sich meist durch ihre Anwesenheit eindeutig gestört fühlten.
Nach so einer Begegnung mit einem jungen Paar kicherte Helga: „Gerade mal siebzehn und schon mit einem Kerl im Wald unterwegs.“
„Kennst du sie? Und ihn?“
„Sie kenne ich. Julia Hoppe ist eine Klasse unter mir. Ihn kenne ich nicht.“
Sie trafen das Pärchen nie wieder. Später las er in der WAZ, dass eine Schülerin Julia H. spurlos verschwunden und von ihren Eltern und der Polizei gesucht werde. Als zum Schluss ein Foto der Vermissten Julia abgedruckt wurde, glaubte er, das Mädchen zu erkennen, das Helga und er mit dem unbekannten jungen Mann zusammen gesehen hatten.
Die Suchaktionen nach Pflanzen, Gräsern und Blättern und Blüten in meist menschenleere Wäldern, und an sonnigen Waldrändern ließen zwischendurch eigentlich Zeit für andere Tätigkeiten, an denen ihm gelegen war, an denen Helga Schmied allerdings nicht wirklich interessiert war – ihr reichte es, wenn man ihren schönen, züchtig verhüllten Busen aus anständiger Distanz bewunderte. Dass Männer und Frauen auch Unterleibe besaßen und manchmal von Hormonen angetrieben wurden, war ihr theoretisch bekannt, aber praktisch für sie jedoch ohne Bedeutung.
Joko hatte sich erst wieder an sie erinnert, als er im Fernsehen Bilder eines brennenden Kirchturms sah, in den ein Blitz eingeschlagen war. In diese katholische Kirche war sie jeden Sonntag gegangen, zur Freude ihrer ebenfalls erzkatholischen Eltern, die Joko mächtig verübelten, dass er Protestant war und nicht im Traum daran dachte, die Konfession zu wechseln. Ab und zu begleitete er die Tochter Schmied in die Messe, um bei ihr und den Eltern Punkte für eher unkirchliche Tätigkeiten zu sammeln, hielt den Rest aber für Hokus Pokus, und vermutete manchmal schon, sie ginge in erster Linie wegen des jungen, sehr gut aussehenden dunkelhaarigen und dunkeläugigen Priesters so regelmäßig in die Kirche mit dem hohen Turm. Ging. Pater Milan war Ausländer, sprach zwar ein perfektes Deutsch, aber predigte alle drei oder vier Wochen in einer Sprache, von der Joko nicht ein Wort verstand. An den Sonntagen