»Wie ihr wollt.« Lane gab sich geschlagen, ging zum anderen Fenster und schob es hoch. Ein kühler Luftzug streifte sein Gesicht.
Dave murmelte: »Ich postiere mich an der Haustür. Von dort aus habe ich auch das Korridorfenster in der Rückwand im Auge.« Er stapfte hinaus.
Dumpf brandete der Hufschlag heran. Er war der Vorbote von Untergang und Tod. Big Jim Forsyth wollte Rache. Sein Herz war tot, seine Seele abgestumpft, nachdem sie seinen Sohn erschossen nach Hause gebracht hatten. Zuerst glaubte er, verrückt zu werden. Sein einziger Sohn, sein Erbe, war tot. Nur nach und nach gelang es ihm, es zu begreifen - und zu verarbeiten. Aber dann war der Hass gekommen — in rasenden, giftigen Wogen.
Und nun ritt der Rancher an der Spitze seiner Mannschaft durch die dunkle Nacht. Was ihn beseelte, war tödlicher als die Waffen seiner Leute.
Die Lärmwelle, die unter dem Nachthimmel heranrollte, verstummte. Angespannt lauschten die Brüder. Der Wind trug den Geruch von Gras und Salbei heran. Ein Pferd wieherte. Die Reiter mussten sich in dem Buschgürtel befinden, der sich vom Saguache Creek aus nach Westen erstreckte.
Big Jim verharrte stumm auf seinem Rotfuchs. Aus engen Augenschlitzen starrte er auf die Ranchgebäude, deren Konturen durch die Finsternis nur verschwommen und als große, dunkle Flecke auszumachen waren. Dass sein Sohn Charles Turpin erschossen hatte, rührte ihn nicht. Rache!, brüllte es durch seinen schmerzenden Verstand, wieder und immer wieder: Rache! Er wollte Lane Turpin. Vor allem ihn. Aber er wollte auch dessen Brüder.
John Landers trieb sein Pferd neben das des Ranchers. »Wir sollten keine Zeit vergeuden, Boss«, knurrte er kehlig. »Die Leute wissen Bescheid. Wir nehmen die Ranch von allen Seiten in die Zange. Und wenn die Hundesöhne nicht geflohen sind, dann schießen wir sie in Fetzen.«
Big Jim nickte versonnen. »Fangt an. Doch wenn es möglich ist, dann bringt mir zumindest Lane Turpin lebend. Ich will den Mörder meines Sohnes am Ende eines Lassos zappeln sehen.«
Landers zerrte sein Pferd zurück, wendete es und rief unterdrückt: »All right, Leute, verteilt euch. Und seht zu, dass sie uns lebend in die Hände fallen. Bevor ihr aber ein Risiko eingeht - schießt, was das Zeug hält.«
Der Pulk zog sich auseinander. Die Reiter drängten ihre Pferde in die Büsche. Die Tiere scheuten und prusteten unwillig, aber die Männer lenkten wie mit eiserner Hand.
Eine Stimme, hart wie Metall, erklang: »Lane Turpin - hörst du mich?«
Lanes Kinnmuskeln spannten sich.
»Lass die Kerle lieber im Ungewissen«, riet Cole. »Er will nur hören, ob wir tatsächlich verrückt genug waren, hier auf sie zu warten. Sie werden sich darauf einstellen und sich eine todsichere Taktik zurechtlegen. So aber verunsichern wir sie.«
Sekunden verstrichen. Wieder ließ sich das stahlharte Organ vernehmen - John Landers' Organ: »Auch recht, Lane. Aber solltest du mich hören, dann lass dir folgendes gesagt sein: Ich habe über ein Dutzend tödlich entschlossener Burschen mitgebracht. Wir haben die Ranch umstellt. Ihr sitzt wie Ratten in der Falle. Wenn ihr klug seid, dann ergebt ihr euch. Andernfalls stürmen wir. Und ich verspreche dir, dass es für euch verdammt hart werden wird.«
Lane schwieg verbissen.
»Ich gebe euch Narren noch zehn Sekunden, um die Waffen zu strecken und mit erhobenen Händen herauszukommen. Wenn die zehn Sekunden um sind, werden wir euren Bau an allen vier Ecken anzünden. Wir werden euch rösten. Also sucht es euch aus. Das Ultimatum läuft!«
»Lass sie nur kommen!« zischte bei der Haustür Dave. Er hatte sie eine Handbreit geöffnet und spähte hinaus.
»Ich werde ihm einen Handel vorschlagen!«, presste Lane hervor.
»O nein, Bruder«, sagte Cole. »Du gehst nicht hinaus und wirfst dich diesen Wölfen zum Fraß vor.«
»Die zehn Sekunden sind um!«, brüllte Big Jim. »Stürmt den Bau, Leute, und brennt ihn nieder!«
Die Nacht wurde lebendig. Die Männer Big Jims kamen zu Fuß. Ihre Pferde hatten sie im Schutz der Dunkelheit zurückgelassen. Die Finsternis wurde von grellen Mündungsblitzen zerrissen. Ein Bleigewitter prasselte gegen das Haus. Es krachte, knirschte und splitterte. Die Gewehre der Brüder begannen zu donnern und schleuderten ihr rhythmisches Krachen den Great Sand Leuten entgegen. Sie schossen auf die Mündungsfeuer. Das Peitschen der Schüsse verschmolz zu einem explosionsartigen Dröhnen. Männer schrieen, schossen wie besessen und hetzten, jeden Schutz ausnutzend, aus der Dunkelheit. Ihre huschenden Schemen schälten sich aus den tintigen Schatten, heißes Blei raste ihnen entgegen. Der Geruch von verbranntem Pulver breitete sich aus. Pulverrauch vermischte sich mit den Nachtnebeln. Staub wallte.
Die Winchester lag nicht mehr verkrampft, sondern leicht und locker in Lanes Fäusten. Eine Kugel riss den Fensterstock auf und wirbelte ihm Holzsplitter ins Gesicht. Eine andere zog ihm eine blutige Schramme über die Wange. Die Wohnstube war erfüllt vom berstenden Donnern ihrer Gewehre.
Die Haustür wurde von Kugeln förmlich zerfetzt. Dave kniete im Schutz der Hauswand neben der Türöffnung und jagte Schuss um Schuss hinaus. Eine Gestalt taumelte aus dem Schlagschatten des Pferdestalles und brach zusammen. Ein Mann versuchte, sich kriechend in Sicherheit zu bringen. Ein mörderischer Strom von gnadenloser Härte, des brutalen Vernichtungswillens, des unerbittlichen Willens, Big Jims gieriger Besessenheit tödlichen Nachdruck zu verleihen, schlug über den Brüdern zusammen wie eine alles verschlingende Brandungswelle.
*
Eine Fackel loderte und warf zuckende, geisterhafte Reflexe auf die Wand eines Schuppens. Es roch nach verbranntem Petroleum. Der Mann, der die Fackel hielt, zögerte. Die unerbittliche Stimme John Landers sprang ihn an: »Worauf wartest du? Wirf sie endlich!«
Der Cowboy glitt an der Wand nach vorn, dann wirbelte die Fackel durch die Finsternis. Sie polterte auf den Vorbau und rollte bis zur Wand. Feuer flackerte hoch, Funken sprühten. Ringsum peitschten mit unverminderter Heftigkeit die Schüsse. Eine zweite Fackel segelte durch die Dunkelheit, eine dritte …
Mit einem Satz war Dave auf dem Vorbau. Wild um sich schießend erreichte er einen der hochlodernden Brandsätze, trat ihn aus und rannte geduckt zum nächsten. Mit einem zornigen Tritt fegte er die Fackel vom Vorbau. Seine Absätze hämmerten ein hallendes Echo auf den Bohlen, als er weiterhetzte. Ein Geschoss schleuderte ihn herum. Er fiel gegen die Hauswand und hob sich im Lichtschein deutlich davon ab. Eine Salve aus mehr als einem halben Dutzend Waffen nagelte ihn förmlich dagegen. Langsam rutschte er zu Boden, kippte auf den züngelnden Brandherd und erstickte ihn mit seinem Körper.
Lane schrie auf wie von Sinnen. Sein Herz drohte zu zerspringen. Er stöhnte auf. »Dave!« Seine eigene Stimme riss ihn aus der Erstarrung. Wie feurige Kometen zogen weitere Brandsätze vor seinem Blick ihre lautlose Bahn. Nur der Aufprall war zu vernehmen. Und der Wechsel von Licht und Schatten irritierte das Auge.
Cole hatte Dave fallen sehen und schoss wie rasend auf die durch die Dunkelheit stoßenden Mündungslichter. Dann war die letzte Kugel aus dem Colt. Mit fliegenden Fingern lud er nach. Ein Brandsatz flog durch das Fenster und rollte über den Boden. Draußen leckten die Flammen am Holz der Fassade hoch. Der Rauch wurde immer dichter und beißender.
»Wir müssen hier raus!«, brüllte Lane.
Cole schien ihn nicht zu hören. Lane sprang ihn an, zerrte ihn hinter sich her zur Tür. Brennende Gardinenfetzen fielen in der Wohnstube zu Boden. Ein Sessel brannte. Rauch wölkte bereits in dichten Schwaden und verätzte die Atemwege, ließ die Augen brennen und tränen.
»Durchs hintere Fenster!« Lane verschluckte sich, hustete und krümmte sich. Cole riss sich los. Er taumelte zur offenen Haustür, vor der ein Flammenvorhang zu stehen schien. In dem ausgetrockneten Holz des Vorbaus fand das Feuer ausreichend