Ein dritter Schuss krachte. Eine armlange Mündungsflamme zuckte aus Dave Turpins Gewehr. Einer der Great Sand Reiter warf beide Arme hoch, sein Colt flog im hohen Bogen davon, dann stürzte der Bursche rücklings vom Pferd.
Lane erhob sich. In die zerflatternde Detonation hinein brüllte er: »Schluss jetzt!« Erschlug den Colt auf John Landers an und sah aus den Augenwinkeln, wie Cole seinen Vater sachte zu Boden gleiten ließ.
»Dad stirbt!«, schrie Cole verzweifelt. Lane ließ den Colt sinken, eilte zu seinem Vater hin. Die Brüder tauschten einen fassungslosen Blick. »Die Kugel sitzt neben dem Herzen. Vielleicht hat sie die Lunge erwischt. Die einzige Rettung für ihn gibt es in Alamosa.«
Dave und Tex Dudley hielten die Great Sand Mannschaft in Schach. Ungeachtet der auf ihn gerichteten Waffen sprang John Landers vom Pferd. Er ging zu Bill Forsyth hin, der seinen Colt unter sich begraben hatte, beugte sich über ihn und drehte ihn auf den Rücken. Erschüttert starrte er in das bleiche, starre Antlitz mit den weitaufgerissenen, gebrochenen Augen, dann stieg es dumpf und hohl aus seiner Kehle: »Er ist tot. Oh, verdammt, Lane Turpin, du hast den Sohn Big Jim Forsyths erschossen. Dafür wird Big Jim dir die Haut in Streifen abziehen.«
Lane richtete sich auf. Der Aufruhr seiner Empfindungen legte sich. Bitterkeit stieg in ihm hoch. »Sieh dir meinen Vater an, Landers«, quoll es gallig aus seinem Mund. »Er wollte den Kampf nicht. Und nun hat er eine Forsyth-Kugel in der Brust und ist dem Tod näher als dem Leben. Bill war ein Bastard, der mich kaltblütig niedergeknallt hätte, als ihm die Gelegenheit günstig und risikolos erschien. Er hat den Tod verdient.«
»Big Jim wird dich zur Rechenschaft ziehen, Lane!« Landers stand auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als wollte er einen bösen Traum verscheuchen. Aber das alles hier war alptraumhafte Wirklichkeit und ließ sich nicht einfach aus der Welt wischen. »Wir werden dich hetzen, bis dir die Zunge zum Hals heraushängt, Lane Turpin. Big Jim wird nicht ruhen, bis eure Sippschaft ausgerottet und die Bar-T ein Haufen Schutt und Asche ist. Und ich werde ihm dabei helfen. Denn Bill war mein Freund.« Mörderischer Hass brannte in seinen Augen.
»Packt ihn auf sein Pferd und haut ab!« schnappte Lane. »Und lasst euch nicht einfallen, noch einmal einen Fuß auf das Gebiet der Bar-T Weide zu setzen.«
Landers ging steifbeinig zu dem Cowboy, den Dave vom Pferd geschossen hatte. Der Mann lag am Boden und wimmerte. Die Kugel hatte ihm die Schulter zerschmettert. »Du wirst es überleben, Steve. Komm, ich helfe dir aufs Pferd.«
Charles Turpin regte sich. Seine Lider flatterten, seine Lippen bewegten sich und formten Worte, die nicht zu hören waren. Auf seinem verfallenen grauen Gesicht perlte Schweiß.
»Ruhig, Dad, ganz ruhig«, flüsterte Cole heiser vor namenloser Angst um seinen Vater.
»Lane!«, entrang es sich matt und kaum vernehmbar dem Rancher. Ein keuchender, abgerissener Atemzug, und dann noch einmal: »Lane, Junge …«
»Er will dich, Lane!«, murmelte Cole.
Lane kniete neben seinem Vater ab. Er schob ihm die flache Hand unter den Hinterkopf und stützte ihn, schaute in das zerfurchte Antlitz, das vom Tod gezeichnet war, und der Magen krampfte sich ihm zusammen.
»Lane.« Der Sterbende röchelte. »Der zweite Schuss — hast du Forsyth …« Seine Stimme brach. Aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden. Lane riss sein Halstuch herunter und tupfte damit seinem Vater den Schweiß aus dem Gesicht.
»Forsyth ist tot«, entrang es sich ihm.
Die Lider seines Vaters sanken halb über die fiebrigen Augen herab. Seine Brust hob sich unter einem rasselnden Atemzug. »Du - darfst - nicht - hierbleiben, mein Junge …« Charles Turpins Stimme verebbte wie ein Windhauch. Unzusammenhängendes Gestammel folgte. Seine Hände zuckten unkontrolliert. Aber dann fand er noch einmal die Kraft, zu sprechen. Es war das letzte Aufflackern der Flamme seines Widerstandsgeistes. »Big Jim wird den Tod seines Sohnes fürchterlich rächen. Reite fort, Lane, reite fort - sonst - tötet - er dich!« Sein Kopf wurde schwer, sein Blick erlosch. Charles Turpin war tot.
Lane stand auf. Er war wie benommen. Die Great Sand Reiter hatten Bill Forsyth auf sein Pferd gelegt. Der Bursche, dem Dave die Schulter zerschossen hatte, hockte krumm und mit schmerzverzerrtem Gesicht im Sattel. John Landers saß gerade auf. Er setzte sich zurecht und rief grollend: »Wir kommen dich holen, Lane Turpin. Und solltest du es vorziehen, zu fliehen, dann werden wir dich jagen. Du wirst keine ruhige Minute mehr haben. Du bist so gut wie tot.«
Lane sah ihn mit einem Blick an, der durch den Vormann hindurchzudringen schien. Er hielt noch immer den Colt in der Faust. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Es war, als hätte er die Drohung Landers überhaupt nicht begriffen. Er stand nur da und mutete an wie ein Mann, dessen Welt zusammengestürzt, in dem etwas zerbrochen war.
»Reiten wir!« Landers spornte sein Pferd an und gab ihm den Kopf frei. Schweigsam folgte ihm die Mannschaft. Sie ritten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Bald verschwanden sie über dem Hügel aus dem Blickfeld der Turpins. Dave und Tex Dudley senkten die Waffen. Wie im Trance ging Dave zu seinem Vater hin. Heiß stieg es in ihm hoch. Er schluchzte trocken.
*
Es war Nacht. Unter der Sichel des Mondes pfiff ein frischer Wind dahin. Er rüttelte an den Türen der Bar-T Ranch und trieb prasselnd den feinen Sand gegen die Fenster. Die drei Brüder hatten Charles Turpin in der Wohnstube aufgebahrt. Zwei Kerzen flackerten und verbreiteten trübes Licht,
Bleischwer hing das bedrückte, dumpfe Schweigen im Zimmer. Lane und Dave saßen am Tisch. Die Gewehre lehnten griffbereit neben ihnen. Cole hatte sich einen Stuhl zum Fenster geholt und starrte hinaus in die Dunkelheit. Wolkenschatten zogen über den Hof. Die Spannung, die bleierne Ruhe, das Warten auf Big Jim - das alles zerrte an den Nerven und zermürbte sie.
An Schlaf dachte keiner der Brüder. Obwohl eine Woche knochenbrechender Sattelarbeit hinter ihnen lag, würde keiner von ihnen Ruhe finden.
Jeder hing seinen unerfreulichen Gedanken nach. Jeder spürte das Verhängnis, das sich über ihren Köpfen zusammenbraute. Aber keiner dachte an Flucht.
Tex Dudley war auf dem Weg nach Alamosa. Er sollte den Sheriff über den Vorfall auf der Weide unterrichten. Dessen Aufgabe war es, für Friede und Ordnung im County zu sorgen. Und bis er eintraf, wollten Lane und seine Brüder sich gegen Big Jim Forsyth behaupten.
Zäh verrann die Zeit. Irgendwann trug der Wind das Pochen von Pferdehufen heran. Coles Stimme sprengte die lastende Stille: »Sie kommen!«
Lane blies die Kerzen aus. Stiefelleder knarrte, Sporen klirrten. Eine Diele ächzte. Die Finsternis war mit den Augen nicht zu durchdringen. Nur vor dem Fenster zeichnete sich Coles Schulter- und Kopfpartie verschwommen ab.
»Wo willst du hin, Lane?«, fragte Dave.
»Ich verschanze mich im Wagenschuppen. Sobald sie in den Hof reiten, haben wir sie in der Zange.«
»Glaubst du, sie reiten uns wie blutige Anfänger vor die Mündungen?«, rief Dave hastig.
»Warten wir es ab. Jedenfalls gehe ich in den Schuppen hinüber.«
»Nichts zu machen, Lane!«, mischte sich Cole mit scharfer Stimme ein. »Was du vorhast, ist nämlich Selbstmord. Ich durchschaue deine Absicht, Bruderherz.« Er erhob sich mit einem Ruck und verdunkelte mit seinem Körper das Fenster. »Du willst vom Wagenschuppen aus die Aufmerksamkeit Forsyths auf dich ziehen, weil du der Meinung bist, dass er es einzig und allein auf deinen Skalp abgesehen hat Du möchtest