„Ja, ich weiß.“
„Am fünften Tag ritten wir in Gruppen zu zwei Mann und hatten keine Ahnung, wo die anderen waren. Chris und ich hatten dreißig Tiere gesammelt und trieben sie zurück. Auf der Ranch traf ich den Boss. Er war in Sorge, weil du immer noch nicht zurückgekommen warst. Er sagte, ich sollte dich suchen. So kam ich gestern hierher. Ich habe im Office des Sheriffs auf dich gewartet und ließ mir von Barbier die Geschichte erzählen. Dann bekam ich Besuch. Jemand wollte Zattig befreien oder umbringen, ich weiß es nicht. Er konnte mir leider entkommen.“
„Ein einzelner Mann?“
„Ja.“
„Das muss Clint Rule gewesen sein, den Tobe Tetley vergeblich suchte.“ Jay Durango trieb sein Pferd an. Dave drehte sein Tier und ritt neben ihm her auf die Stadt zu. Sie sahen, wie sich die Männer zurückzogen.
„Erzähle“, sagte Dave gespannt. „Du bist bei Tobe Tetley gewesen?“
Jay nickte.
„Er wollte seinen Sohn freikaufen. Als ich darauf nicht einging, übergab er mich gefesselt zwei Männern. Sie sollten mich in die Wüste bringen und dort ohne Pferd zurücklassen. Aber das gefiel ihnen nicht. Sie nahmen mir mein Geld ab und verschwanden. Ich verdanke es ihnen, noch am Leben zu sein.“
Dave fluchte leise.
„Ich werde dir alles erzählen, wenn meine Kehle nicht mehr so trocken ist“, fuhr Jay Durango San. „Solange hat es doch noch Zeit?“
Dave gab keine Antwort. Sie lenkten die Pferde in die Straße hinein. Die letzten Männer zogen sich vor ihhen unter die vorspringenden Hausdächer zurück und starrten sie an. Jay Durango zügelte sein Pferd vor dem Store und saß ab.
„Warte hier“, sagte er. „Und halte die Augen offen. Tetley muss inzwischen gemerkt haben, dass seine Reiter nicht mitgespielt haben. Sie wären sonst zu ihm zurückgekehrt, um sich die Prämie abzuholen.“
„In Ordnung.“ Daves linke Hand legte sich auf den Colt, während er sich im Sattel drehte, um die ganze Straße überblicken zu können.
*
Jay stieg die Stufen zum Gehsteig hinauf. Er sah die Postkutsche vor der Butterfield Overland Mail Station, vor die noch keine Pferde gespannt waren. Sicher sollte sie heute noch die Stadt verlassen. Dann hatte er die Tür erreicht und stieß sie mit dem Stiefel auf.
Der kleine, weißhaarige Mann hinter der Theke sah bleich aus und bewegte unruhig die Hände.
Jay Durango blieb ihm gegenüber am Ladentisch stehen und warf Geld auf die Platte.
„Einen Revolver, ein Gewehr und Munition“, sagte er.
„Ich weiß nicht, ob Mr. Tetley etwas dagegen hat“, gab der Mann gepresst zurück.
Jay Durango legte den Stern, den ihm Marshal Clayburn gegeben hatte, neben das Geld.
„Einen Revolver, ein Gewehr und Munition“, wiederholte er. „Oder ich reite zur Territoriumsregierung und zeige Sie an.“
Der Krämer kniff die Augen zusammen. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt.
„Sie wollen mich anzeigen?“, fragte er. „Weswegen denn, Mr. Durango?“
„Wenn Sie mir nicht verkaufen, was ich brauche, um meine Pflicht erfüllen zu können, leisten Sie einem Banditen Vorschub - einem Mörder! Deswegen würde ich Sie anzeigen. Der Richter in Austin wird Sie dafür verurteilen, und Sie verschwinden in den Steinbrüchen von San Angelo.“ Jay Durango schob das Geld weiter über die Theke. „Überlegen Sie schnell“, fuhr er San. „Bis jetzt wissen Sie doch weiter nichts, als dass Sean Tetley ein gemeiner Mörder ist. Alles andere, was seinen Vater betrifft. sind reine Vermutungen von Ihnen.“
Der Mann wandte sich um zog eine Winchester 66 aus einem Regal.
„Sie sind mit Ihren Waffen zu Tetley geritten und kommen ohne sie zurück, Mr. Durango“,. sagte er ächzend. „Vielleicht sind Tobe Tetleys Männer schon hinter Ihnen her.“
„Vielleicht“, entgegnete Jay und streckte die Hand aus, um dem Mann das Gewehr mit einer jähen Bewegung aus der Hand zu reißen. „Das werden Sie ja sehen. Jetzt einen Colt und Munition. Vielleicht geht es etwas schneller!“
„Sie bringen mich in Teufels Küche. Ich kenne Tetley genau. Er wird zuerst mich fragen, woher Sie wieder Waffen haben.“
Jay Durango steckte den Stern in die Tasche.
„Sagen Sie ruhig, ich hätte Sie gezwungen, mir Waffen zu verkaufen. Ich habe nichts dagegen. Los, beeilen Sie sich!“
*
Als sie an der Poststation vorbeiritten, schirrte der Stationsmeister die ersten zwei Pferde vor die Kutsche.
Jay Durango warf einen Blick auf den Saloon. Hinter einem Fenster im Obergeschoss bewegte sich eine Gardine, aber Jay konnte kein Gesicht sehen. Er wusste noch, dass Mandy Bacon, das Barmädchen, da oben wohnte. Wahrscheinlich beobachtete sie ihn jetzt und vermutete ganz richtig, was alle anderen auch vermuteten, und was die Wahrheit war.
Vor dem Office des Sheriffs hielten sie an. Dave stieg ab und schlang die Zügel um die Holmstange. Jay Durango blickte dem Barbier entgegen, der mit bleichem Gesicht und blutleeren Lippen die Straße heruntergerannt kam.
„Mr. Durango!“, rief der Mann atemlos. „Es ist gut, dass Sie kommen! Silas Pate ... Er stirbt!“
Jay sprang aus dem Sattel, blickte Dave kurz an und folgte dann dem Mann, der sich bereits .abgewandt hatte. Staubfontänen wirbelten hinter seinen Stiefeln in die Höhe. Er sprang mit einem Satz zur Veranda vor dem Haus des Barbiers hinauf, stieß den Mann, der ihm im Weg stand, zur Seite und trat in das Zimmer, in dem der alte Sheriff lag.
Silas Pate blickte ihn an, als Jay sich über ihn beugte. Er versuchte zu lächeln, aber sein schmerzverzerrtes Gesicht legte sich nur in Falten. Zitternd streckte sich seine knochige Hand aus, um nach Jays Arm zu fassen.
„Mein Junge“, hörte Jay Durango ihn schwach sagen. „Es ist gut, dass ich Sie noch einmal sehe. Gehen Sie San. Reiten Sie mit Ihrem Cowboy nach Hause. Schenken Sie sich und der Stadt das Leben!“
Jay Durango riss den Blick vom Gesicht des Sterbenden los und schaute höher. Aber auch der Blick des Barbiers, dem er begegnete, war eine einzige Aufforderung.
„Er stirbt“, sagte der Mann mit einer Stimme, die hart und kalt klang.
Jay schaute den Sheriff wieder an.
Silas Pate schien immer noch auf seine Antwort zu warten.
„Man lässt einen Sterbenden nicht vergeblich bitten“, knurrte der Barbier dunkel.
„Tobe Tetley wollte mich von seinen Reitern in der Wüste aussetzen lassen“, erklärte Jay dem Sheriff. „Er will Sean Tetley dem Gericht nicht übergeben.“
„Ich weiß“, murmelte der Sheriff gepresst. Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper, und aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden.
Der Barbier hatte sich über den Mann gebeugt und wollte ihn stützen, aber Silas Pate wischte seine Hand weg.
„Es geht schon wieder“, sagte er heiser. „Jay, Sie haben keine Chance. Ich … bitte Sie ...“ Sein Kopf rollte auf einmal zur Seite.
Jay konnte sein Gesicht immer noch sehen. Die Nase schien noch weißer zu werden.
„Silas!“, rief der Barbier, griff nach dem Kopf Pates und drehte ihn zurück.
Tot und leer starrten die gebrochenen Augen zur Decke. Der Barbier begann zu zittern und ließ den Kopf los.
„Er ist tot“, sagte Jay Durango. Er blickte auf und abermals den Barbier an.
„Sie haben es ihm nicht versprochen!“, keuchte der Mann. „Sie haben einen Mann sterben lassen und ihm das Bewusstsein mitgegeben, seinen