In starkem Gegensatz dazu will der christliche Gott nicht gefürchtet werden. Er ist sogar die primäre, vorbehaltlose und unverlierbare Liebe (1 Joh 4, 19), die nur absolute Zuwendung kennt: Furcht gibt es nicht in der LIEBE, sondern die vollkommene LIEBE treibt die Furcht aus, weil Furcht mit Strafe rechnet. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollendet in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt (1 Joh 4, 17 ff). Dieser Gott kennt auch keine Strafe. Jakobus bekräftigt: Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk stammt von oben; es kommt herab vom Vater der Lichter, bei dem es keine Veränderung gibt noch Verschattung im Wechsel (Jak 1, 17). Jakobus bringt hier noch eine Präzisierung, wenn von Gott als dem Vater der Lichter spricht. Vater bedeutet Schöpfer und Ursache, hier also Lichtquelle: GOTT ist die Lichtquelle, die das Licht schafft. Und deswegen lässt Johannes den Christus sagen: Ich bin für die Welt das Licht.
Wer sich mir anschließt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des LEBENS haben (Joh 8, 12). Licht ist auch das Symbol für den Logos der griechischen Kirchenlehrer.
Gott führt auch niemanden in Versuchung: Keiner soll in der Versuchung sagen: Von Gott werde ich versucht, denn Gott ist nicht versuchbar zum Bösen, und er selbst versucht niemanden. Jeder, der versucht wird, wird es, weil er sich von seiner eigenen Begierde fortreißen und ködern lässt (Jak 1, 13 f).
Die reine Liebe kennt nur Vergebung, sie ist nicht eifersüchtig und rechnet das Böse nicht zu. Sie kennt es ja gar nicht. Als Petrus Jesus fragt, ob es genügt, siebenmal zu vergeben, antwortet ihm der Meister: Ich sage dir: Nicht bis zu 7 mal, sondern bis zu 77 mal (Mt 18, 22).
Als verbindend wird auch gerne ein Wort aus Levitikus zitiert: Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR (3 Mos 19, 18). Doch wird hier meist übersehen, dass hier nur die Kinder deines Volks gemeint sind. Shlomo Sand, Professor für Geschichte in Tell Aviv, sagt dazu: Bekanntlich studierten die Juden über Jahrhunderte viel intensiver den Talmud als die hebräische Bibel. … Die Zurücksetzug des nichtjüdischen Anderen kommt kaum irgendwo so deutlich zum Ausdruck wie in dem talmudischen Satz „Ihr werdet Mensch genannt und nicht die Völker der Welt werden Mensch genannt“ (Babylonischer Talmud, Jevamot 61a). Nicht von ungefähr schreibt Abraham Isaak Kook, Architekt der Nationalisierung der jüdischen Religion im 20. Jahrhundert und erster Oberrabbiner der sich in Palästina ansiedelnden Gemeinde, in seinem berühmten Werk »Lichter«: „Der Unterschied zwischen der israelischen Seele, ihrem Wesen, ihren inneren Wünschen, ihrem Streben, ihrer Beschaffenheit und ihrer Haltung, und der Seele der Gojim, ungeachtet ihrer Entwicklungsstufe, ist größer und tiefer als der Unterschied zwischen der Seele des Menschen und der Seele des Viehs. Zwischen Letzteren nämlich besteht ein quantitativer, zwischen Ersteren aber ein qualitativer Unterschied.“ Hierbei ist zu bedenken, dass die Schriften Kooks den nationalreligiösen Siedlern in den besetzten Gebieten bis heute als geistiger Leitfaden dienen (Sand, Jude 113 f). Weil diese Auffassung von Gott und Mensch bis heute ihre negative Auswirkung zeigt, erklärt Shloma Sand am Ende seines Buches: Jetzt, da ich klar erkenne, dass man mich in Israel per Gesetz einem fiktiven Ethnos von Verfolgern und deren Unterstützern zuschlägt und überall auf der Welt einem geschlossenen Club von Auserwählten und deren Bewunderern, möchte ich nun aus diesem austreten und aufhören, mich selbst als Juden zu betrachten (Sand, Jude 148).
Jacob Neusner arbeitet in seinem Buch Ein Rabbi spricht mit Jesus – ein jüdisch-christlicher Dialog, von Josef Kardinal Ratzinger beurteilt als das bei weitem wichtigste Buch für den jüdisch-christlichen Dialog, das in den letzten zehn Jahren veröffentlicht worden ist, noch viele andere Unterschiede heraus, die seine Aussage untermauern, dass Judentum und Christentum gänzlich unabhängig voneinander zu sehen sind. Das Christentum ist nicht die
„Tochterreligion“, und es gibt keine gemeinsame fortlaufende „jüdischchristliche Tradition“.
Ihm stimmt der Theologe Nikolaus Walter zu, indem er betont, dass zwischen Altem und Neuen Testament ein Paradigmenwechsel liegt. … Dieser Paradigmenwechsel macht eine glatte, ungebrochene Übernahme oder Weiterführung alttestamentlicher Glaubensaussagen in die christliche Theologie unmöglich. Auch der Versuch, hier mit einer durchgehend allegorischen Auslegung alttestamentlicher Texte weiterzukommen (wie Paulus an einem Beispiel in 1 Kor 10, 1-11 vorführt), scheint mir nicht angemessen zu sein, da auf diese Weise das hermeneutische Problem nicht gelöst, sondern nur verschleiert wird (Dohmen/Söding, Zwei Testamente 312).
1961 formulierte der Deutsche Evangelische Kirchentag folgende Feststellung: Da die Juden Gottes Volk sind, bedürfen sie der Botschaft von Jesus Christus nicht (Judentum 181). Jesus Christus muss also in argem Irrtum befangen gewesen sein, als er gerade den Juden seine neue Botschaft verkündete. Oder hat sich die Evangelische Kirche so weit von der genuinen christlichen Lehre verabschiedet, als sie doch den jüdischen Sauerteig verwendete?
Jedenfalls missachtet sie die Mahnung des Meisters, ein altes Kleid nicht mit neuem Stoff zu flicken und keinen frischen Most in alte Schläuche zu füllen, weil sonst die Gärung die alten Schläuche zerreißt und der Wein verschüttet wird. Vielmehr müsse neuer Wein in neue Schläuche gefüllt werden, damit beide heil bleiben (Mt 9, 16 f).
Die christliche Lehre wächst zweifellos auf jüdischer Wurzel und ist ohne diese wissenschaftlich nicht zu verstehen. Die neue Lehre wendet sich ja an Juden und muss an deren Vorstellungswelt ansetzen. Doch, vergleichbar mit den heutigen europäischen Kulturreben, die nicht „wurzelecht“ sind, ist am von Paulus und Johannes gezogenen Weinstock ein vollkommen neuer griechisch-christlicher Wein gereift, wie das Johannes-Evangelium (Kap. 2, 6-10) gleichnishaft lehrt.
Ein Christ, der beide Gottesbilder miteinander vermengt und vom »Herrgott«, dem Jahwe-Elohim der Paradiesparabel, spricht statt vom »Vater«, hat den Aufruf Jesu zum Umdenken nicht verinnerlicht und vollzogen. Er wandelt in einem religiösen Irrgarten.
2 Dieses und die folgenden Zitate aus dem Alten Testament aus Luther 84
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