Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jonathan Swift
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783958555181
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alle Gnadenbezeigungen geleitet werden. Man kann sie die eigentlichen Beherrscher des Königreichs in letzter Instanz nennen.

      Als mein Herr eines Tages hörte, daß ich den hohen Adel meines Vaterlandes erwähnte, hatte er die Güte, mir ein unverdientes Kompliment zu machen. Er sagte nämlich, ich sei gewiß aus einer edlen Familie entsprossen, weil ich in Gestalt, Farbe und Reinlichkeit alle Yähus seines Vaterlandes übertreffe, ob ich ihnen gleich in Kraft und Behendigkeit nachstehe, ein Umstand, der meiner besonderen Lebensart zuzuschreiben sei, worin ich von jenen Tieren abweiche; außerdem sei ich mit der Fähigkeit zu sprechen begabt und besitze einige Teile der Vernunft in solchem Grade, daß ich bei allen seinen Bekannten für ein Wundertier gelte.

      Er fügte die Bemerkung hinzu: Bei den Hauyhnhnms sei der Schimmel, der Rotfuchs, der Eisengraue nicht ganz so gebildet wie der Kastanienbraune, die Schecke und der Rappe; auch würden erstere nicht mit denselben Talenten oder mit derselben Anlage zur Vervollkommnung geboren; deshalb blieben sie fortwährend nur im Bedientenstande und verheiraten sich auch niemals außerhalb ihrer Rasse. Letzteres würde für unnatürlich und ungeheuerlich gelten.

      Ich sagte meinem Herrn den verbindlichsten Dank für die gute Meinung, die er gütigst von mir gefaßt hätte; ich fügte jedoch hinzu, wie ich aus niederem Stande von einfachen Eltern geboren sei, die mir nur eine mäßige Erziehung erteilen konnten. Der höhere Adel entspreche durchaus nicht der Idee, die Seine Gnaden von ihm hege. Unsere jungen Lords würden von Kindheit auf in Faulheit und Üppigkeit aufgezogen; sobald es ihr Alter erlaube, verbrauchten sie ihre Kraft und erhielten schmähliche Krankheiten von Buhlerinnen; sobald ihre Vermögensumstände ruiniert seien, schlössen sie Ehen mit reicheren aus niederem Stande, die häßlich und ungesund wären, und zwar nur des Geldes wegen, die sie dann haßten und verachteten. Die Sprößlinge solcher Ehen seien rachitische, skrofulöse und entstellte Kinder. Somit bestehe ein Geschlecht nicht länger als drei Generationen, im Fall die Frau sich nicht einen gesunden Vater bei Nachbarn und Bedienten hole, um den Stamm fortzusetzen oder zu verbessern.

      Ein schwacher und kranker Körper, ein mageres Gesicht, eine blasse Farbe seien untrügliche Zeichen einer edlen Geburt. Ein gesunder und starker Bau gelte bei Männern von Stande für eine Schmach, weil die Welt daraus den Schluß ziehe, der wirkliche Vater sei ein Stallknecht oder Kutscher. Die Mängel der Seele seien entsprechend denen des Körpers; sie bestehen in einer Mischung von Laune, Dummheit, Unwissenheit, Eigensinn, Sinnlichkeit und Stolz.

      Ohne die Zustimmung dieser erlauchten Adligen könne kein Gesetz gegeben, aufgehoben oder verändert werden. Sie bildeten auch einen Gerichtshof, gegen den keine Appellation möglich sei.

      15 Sobald von einer britischen Regierung etwas Unkonstitutionelles durchgeführt worden war, wurde häufig eine solche Bill eingebracht, die den Machthabern Straflosigkeit zusicherte; dies geschieht jedoch schon seit langer Zeit nicht mehr.

      Siebentes Kapitel

      Des Verfassers Vaterlandsliebe. Die Bemerkungen seines Herrn über die Konstitution und die Regierung Englands werden vom Verfasser mit Parallelfällen und Vergleichen beschrieben. Die Bemerkungen seines Herrn über die menschliche Natur.

      Leser, du wirst dich vielleicht wundern, daß ich eine so freimütige Beschreibung meines eigenen Geschlechts einer Rasse von Sterblichen gegeben habe, die schon zu sehr geneigt war, die verächtlichste Meinung vom Menschengeschlecht zu hegen, weil sie eine auffallende Ähnlichkeit zwischen mir und den Yähus bemerkte. Ich muß jedoch offen gestehen, die vielen Tugenden dieser ausgezeichneten Vierfüßler, im Vergleich mit menschlicher Verderbnis, hatten insofern meine Augen geöffnet und meinen Verstand erweitert, daß ich die Handlungen und Leidenschaften der Menschen von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtete und daß ich glaubte, es sei nicht der Mühe wert, die Ehre meines Geschlechts aufrechtzuerhalten; dies war mir ohnehin unmöglich, da mein Herr außerordentlichen Scharfsinn besaß. Er zeigte mir täglich eine Menge von Fehlern, die mir eigen waren, obgleich ich diese früher nicht im geringsten geahnt hatte; unter Menschen würden sie nicht einmal für allgemeine Schwächen gelten. Durch sein Beispiel hatte ich ebenfalls den höchsten Abscheu vor Falschheit und Verstellung gewonnen; die Wahrheit schien mir so liebenswürdig, daß ich ihr alles aufzuopfern beschloß.

      Um aufrichtig zu sein, muß ich jedoch eingestehen, daß mich noch ein stärkerer Beweggrund zu der Freiheit verleitete, die ich mir in der Darstellung der Dinge nahm. Als ich kaum ein Jahr im Lande gewesen war, empfand ich solche Liebe und Verehrung für die Hauyhnhnms, daß ich den festen Entschluß faßte, niemals zum Menschengeschlecht zurückzukehren, sondern mein Leben in Betrachtung und Ausübung jeder Tugend bei den bewunderungswürdigen Hauyhnhnms zuzubringen, von denen ich weder Beispiel noch Anregung zum Laster erhalten konnte. Das Schicksal, mein ewiger Feind, hatte jedoch beschlossen, ein so großes Glück solle mir nicht zuteil werden. Jetzt gereicht mir aber der Gedanke zum Trost, daß ich in allem, was ich von meinen Landsleuten sagte, ihre Fehler so sehr verminderte, wie ich es nur vor einem so strengen Examinator durfte; bei jedem Artikel gab ich der Sache eine möglichst günstige Wendung. Welcher Mensch würde nämlich nicht durch Parteilichkeit für sein Geburtsland hingerissen werden?

      Ich habe den Hauptinhalt mehrerer Gespräche, die ich mit meinem Herrn während der Zeit hielt, da ich in seinen Diensten war, angegeben; der Kürze halber habe ich jedoch weit mehr ausgelassen, als hier aufgezeichnet ist.

      Als ich alle seine Fragen beantwortet hatte und als seine Neugier vollkommen befriedigt schien, ließ er mich eines Morgens in der Frühe rufen und befahl mir, mich in einiger Entfernung von ihm niederzusetzen; eine Ehre, die er mir vorher noch nie erwiesen hatte. Er sagte: Mit großem Ernste habe er meine ganze Geschichte, die ich ihm sowohl in betreff meines Vaterlandes wie meiner selbst gegeben habe, überlegt; er habe uns als eine Art Tiere betrachtet, denen durch irgendeinen ihm unbegreiflicher Zufall ein kleiner Teil Vernunft anheimgefallen sei. Wir beraubten uns jedoch selbst der wenigen uns gegebenen Fähigkeiten; wir seien in der Vermehrung unserer ursprünglichen Bedürfnisse sehr glücklich gewesen und schienen unser ganzes Leben in vergeblichen Bemühungen zuzubringen, diese durch Erfindungen zu befriedigen. Was mich betreffe, so besitze ich weder die Kraft noch die Behendigkeit eines gewöhnlichen Yähu; ich gehe schwach auf meinen Hinterfüßen, habe ein Verfahren ausfindig gemacht, meine Klauen nutzlos zu machen, die mir auch nicht zur Verteidigung dienen könnten, und das Haar von meinem Kinn zu entfernen, das zum Schutz vor Sonne und Wetter bestimmt sei. Endlich könne ich auch weder schnell laufen noch auch Bäume erklimmen wie die Yähus dieses Landes (diese nannte er gütigst meine Brüder).

      Unsere Institutionen der Regierung und der Gesetze entsprängen offenbar aus unserem Mangel an Vernunft und somit auch an Tugend; Vernunft allein sei genügend, ein vernünftiges Geschöpf zu regieren; wir dürften deshalb keinen Anspruch auf den Charakter eines solchen machen. Dies aber müsse er aus meinem Bericht über mein eigenes Volk schließen, obgleich er sehr wohl sehe, ich habe, um dieses zu begünstigen, manches verschwiegen und auch öfters Dinge gesagt, die gar nicht existieren.

      Seine Meinung werde um so mehr bestätigt, als er bemerke, daß ich den anderen Yähus in allen Teilen meines Körpers gleiche, mit Ausnahme von denen, wo die Verschiedenheit in der Stärke, Schnelligkeit, Behendigkeit mir zum wirklichen Nachteile gereiche, wie in der Kürze meiner Klauen und einigen anderen Einzelheiten, wobei die Natur nicht mitgewirkt habe. Nach der Darstellung, die ich ihm von unserer Lebensart, unseren Sitten und Handlungen gegeben habe, müsse er dieselbe Ähnlichkeit bei den geistigen Eigenschaften finden. Er sagte: Es sei bekannt, daß die Yähus einander haßten, und zwar in noch höherem Grade als die übrigen Tierarten. Der gewöhnlich angeführte Grund liege in der Häßlichkeit ihrer Körperformen, die sie sämtlich bei den übrigen, aber nicht bei sich selbst erblicken könnten. Er sei somit auf den Gedanken gekommen, daß wir nicht unklug handelten, wenn wir unsere Leiber bedeckten, da wir durch diese Erfindung manche Häßlichkeiten voreinander versteckten, die sonst kaum zu ertragen wären. Jetzt aber finde er, daß er sich geirrt habe und daß die Zwistigkeit jener Tiere in seinem Vaterlande aus demselben Grunde wie bei den unsrigen entstünden. »Denn«, fuhr er fort, »wenn ihr fünf Yähus so viel Futter vorwerft, wie für fünfzig genügen müßte, so werden sie, anstatt friedlich zu essen, übereinander herfallen; jeder