Nach nur zehn Minuten kamen wir ans Wasser. Allerdings war das ein Fluss und keinesfalls das Meer. Gegenüber war Land zu sehen, Fischerboote lagen am Ufer. Wir liefen drauflos und kamen nach weiteren zehn Minuten tatsächlich an ein großes, tosendes
Gewässer. Das musste nun das Meer sein. Nur wenige Leute hatten am großen Strand verteilt ihr Domizil aufgeschlagen. Einige schwammen im Wasser, andere lasen oder dösten in der Sonne. Wir liefen immer am Rand des Meeres entlang, die Füße im kühlen Wasser. Ein echtes Urlaubsgefühl. Schon nach wenigen Metern fühlte sich das Wasser angenehm warm an. Nach zehn Minuten kamen die ersten Liegen und Lokale in Sicht. Auf 100 Meter standen die Liegen in Dreierreihen, überdacht mit geflochtenen Matten auf vier Stützpfeilern, welche die Sonnenschirme ersetzten. Naturmaterialien, ganz nach unserem Geschmack. Danach wieder Pause, bis einige Hundert Meter weiter die nächste „Gastronomie mit Liegeplätzen“ kam. Die Touristen aus Russland dominierten. Auch viele Inder waren anzutreffen. Deutsch hörten wir nirgendwo. So konnten wir eine gute Stunde am Strand gehen, die Füße mal tiefer, mal weniger tief im Wasser. Rechts zogen sich die Palmenhaine und Lokale dahin. Doch nirgendwo hatte man das Gefühl, dass der Strand von Touristen überlaufen wäre. Viele Kinder tobten im Wasser, immer von Eltern oder Großeltern beaufsichtigt. Die Rettungsschwimmer hatten in Abständen ihre Hochsitze aufgebaut, pfiffen die übermütigen Schwimmer zurück, die sich zu weit ins Meer wagten, oder dösten einfach vor sich hin. Nach gut drei Kilometern wechselte das Leben am Strand. Statt Touristen und Restaurants folgten Fischerboote und Hütten, in denen vermutlich die Einheimischen wohnten. Diese Hütten zogen sich weit ins Landesinnere. Fischer waren dabei ihre Netze zu kontrollieren und Löcher zu flicken. Allem Anschein nach war der Strand zu Ende. Große Steine, die wie flüssige, schwarze Lava aussahen, lagen am Strand und im Meer. In der Mitte stand ein einzelnes, weißes Kreuz, mit Blumen geschmückt.
Als wir dann um die Biegung des Strandes gingen, eröffnete sich der nächste Strandabschnitt. Allerdings waren wir nun schon bestimmt zwei Stunden unterwegs und drehten lieber um. Morgen war ja auch noch ein Tag. Bei der nächsten Möglichkeit bestellten wir uns an einem kleinen Verkaufsstand jeder eine Kokosnuss zu je 80 INR (knapp 1 €). Allerdings ergab die Flüssigkeit in der Nuss kaum den Inhalt eines normalen Trinkglases und die essbare Masse, nach dem Öffnen war kaum der Rede wert. Dafür wollte uns der Verkäufer direkt ins Restaurant dahinter „abschleppen“. Wir sahen uns die Lokalität an, studierten oberflächlich die Speisekarte – und gingen. Wir waren nach dem ausgiebigen Frühstück und der gestrigen „Frustfresserei“ überhaupt nicht hungrig. Ohnedies hatten wir uns vorgenommen, heute zum Mittagessen nur Obst zu genießen. So schlenderten wir gemütlich zurück, kamen schließlich wieder am Fluss an und mussten vorsichtig an verschiedenen Stellen um Steine und Bäume herumgehen, da die Flut jetzt ihren Höchststand erreicht hatte. Als wir zur Straße hochgehen wollten, lagen da zwei Hunde, die uns bellend und knurrend entgegensahen. Erst als hinter uns eine Frau mit drei streunenden Hunden kam, merkten wir, dass diese Reaktion nicht uns, sondern den Hunden galt. Wir konnten ungehindert weitergehen. Die Frau war eine typische „Hundesammlerin“. Kurz darauf bog sie links in eines der vergammelten Resorts ab. Die Hunde folgten ihr, vermutlich in der Hoffnung, etwas zu fressen zu bekommen. Eigentlich gab es auch genug arme Leute, denen man helfen konnte.
Am Weg setzten wir uns in eine kleine, saubere Hütte mit vier Tischen und genossen einen frisch gepressten Ananassaft (ca.80 Cent) und eine Flasche Wasser (39 Cent pro Liter). Achim wollte einen Bananenshake, bestellte aber irrtümlich Papaya, der ihm dann überhaupt nicht schmeckte. Getreu unserer Devise, dass alles stehenbleibt, was nicht schmeckt oder uns nicht geheuer vorkommt, ließ er das Getränk dann auch stehen. Gegenüber dem Hotel kauften wir bei der alten Frau (vermutlich sah sie älter aus, als sie tatsächlich war) 8 gelbe, zuckersüße Passionsfrüchte, ein Kilo Mandarinen und vier kleine Bananen. Insgesamt zahlten wir dafür 200 INR = 2,60 €. Das war unser Mittagessen, welches wir auf der Liege am Pool genossen. „So herrlich kann das Leben sein…“ war Achims Kommentar. Während Achim danach die Bilder am Laptop bearbeitete, machte ich eine Stunde Mittagsschlaf. Nachdem Achim zum ersten Mal den Pool in Anspruch nahm, der mir jedoch viel zu kalt war, bestellte ich mir einen alkoholfreien Cocktail. Ungläubig sah mich der Kellner an. „Alkoholfrei? Wir haben da 20 verschiedene Rum-, Wodka-, Whisky- und Gin Sorten. Warum dann ohne Alkohol?“ Er zeigte einladend auf den Tisch neben dem Pool, wo die ganzen Flaschen säuberlich aufgereiht waren. „Ich will aber keinen Alkohol, sondern eine Mischung aus Obst, Eis und das Ganze ohne Zucker“, war meine Reaktion. „Weltweit bekommt man alkoholfreie Cocktails, warum nicht hier, in einem Hotel der gehobenen Klasse?“ Diese Aufgabe sah Junian, der Kellner, als Herausforderung. Er zog sein Handy aus der Tasche und suchte bei Google nach „alkoholfreien Cocktails“. Schließlich zeigte er mir einen Mochito. „Ist dieser Drink so etwas, was du möchtest?“ Er hielt mir sein Handy entgegen. Zunächst erkannte ich vor lauter Sprüngen im Glas des Handys kaum etwas. „So, oder ähnlich“, gab ich meine Zusage. „Gut, ich werde versuchen, etwas zu kreieren.“ Er ging – und hantierte fast eine Stunde, bis er schließlich mit einem kleinen Gläschen ankam, in welchem eine grüngelbe Flüssigkeit schwappte. Obenauf schwamm eine Scheibe Limone und ein kleines Minzblatt. Sah gut aus und schmeckte nicht schlecht. Etwas weniger Limone, und das Getränk wäre perfekt gewesen. Junian strahlte übers ganze Gesicht, als er merkte, dass er eine gute Leistung vollbracht hatte. Die Rechnung schickte er dann gleich hinterher: 150 INR = 1,90 €. Dafür füllte er das Glas gleich nochmal, da er den „Rest“ nicht wegschütten wollte.
Zum Abendessen gingen wir ins „Café Tanvi“, auch eine Empfehlung von Junian und gleich 50 Meter schräg gegenüber dem Hotel. Es sollte sich herausstellen, dass es eine hervorragende Empfehlung war. Achim bekam das bisher beste „Tofu Butter Masala“, dazu bestellten wir Reis und Knoblauchbrot und ich in Knoblauch und Pfeffer gebratenen Tintenfisch. Der Fisch war allerdings zu lange in der Pfanne und dadurch zäh wie Kaugummi. Mit frischem Ananassaft und einer großen Flasche Wasser bezahlten wir dann 720 INR. Mit Trinkgeld ergab das die unvorstellbare Summe von knapp 10 €. Nach einer erfrischenden Dusche legten wir uns gegen halb zehn zur „wohlverdienten Nachtruhe“.
16.01.20, Donnerstag
Die Nacht war lebhaft. Türenschlagen, heiße Diskussionen auf dem Flur und vor dem Haus. Da unser Zimmer zum Innenhof lag, bekamen wir vom offenen Restaurant im Erdgeschoss alles mit. Die Musik lief auf Hochtouren, auch, wenn vermutlich nur noch das Personal da war. Das hatte wohl irgendeiner mal gehört, gelesen oder erlebt, dass Gäste gerne laute Musik mögen. Während des Frühstücks fiel – mal wieder – der Strom aus. Das passierte öfters und wurde immer mit einem lauten Knall angekündigt. Danach hörten wir einen vom Personal rennen – und kurze Zeit später klappte wieder alles. Wenn der Stromausfall in der Nacht passierte, schlug zunächst eine Tür, was sich dann wie ein Gongschlag anhörte. Gut, dass wir von zu Hause einiges an Außenlärm gewohnt waren. So ging uns dieser Lärm am A… vorbei.
Um halb zehn wurden wir wach. Da es bis halb elf Frühstück gab, war noch alles im grünen Bereich. Das Essen war heute wieder vielfältig, gut indisch gewürzt und lecker. Da es eine große Auswahl gab, fand man immer das Richtige. Ein Eier Omelett oder ein frisch gebackenes Dosa (ganz dünner Pfannkuchen, individuell gefüllt mit verschiedenem Gemüse, serviert auf einem großen Teller und verschiedenen Dips), täglich frisches Obst und diverse Säfte. Dazu eine Auswahl an mindestens zehn Pfannen mit vegetarisch und nicht vegetarischen Zubereitungen. Fast alles, was das Herz begehrte. Was fehlte war Wurst, Käse und deftiges Brot. Doch daran konnte man sich schnell gewöhnen.
Nach dem Frühstück machten wir uns fertig für einen ausgiebigen Strandspaziergang. Wir wollten heute den „kurzen Weg“ zum Strand finden und ließen ihn uns vom Personal erklären. „Diese Straße immer geradeaus, dann kommt ihr zum Strand. Dieser Weg ist viel kürzer und schneller“, erklärte uns Junian. Allerdings vergaß er zu erwähnen, dass der Weg viel schmutziger und vor allem