"Ach, nein?"
"Das wichtigste ist für uns, weitere Morde zu verhindern."
"Mein Vater ist todkrank. Er will in Frieden sterben. Und in Freiheit. Er will nochmal das Meer sehen, nochmal frei atmen können..."
"Gestern Nacht wurde auf den FBI-Chef von New York ein Attentatsversuch verübt. Und es ist nicht der erste, seit Ihr Vater wieder auf freiem Fuß ist..."
Sie schüttelte den Kopf. "Es ist nicht zu fassen! Da wird irgendwo ein Attentat verübt und der erste Verdächtige, der Ihnen einfällt ist ein Mann, der seit 25 Jahren im Gefängnis gesessen hat!"
"Wenn das Opfer Jonathan D. McKee heißt, ist das keineswegs abwegig", erwiderte ich ernst. "Ihr Vater hat ihn gehasst... Er schwor ihm Rache!"
"Sie können nicht erwarten, dass ich Ihnen bei der Jagd auf meinen Vater helfe, Agent Trevellian. Fragen Sie mich meinetwegen nach meinem Alibi oder was auch immer... Aber Ihren Job müssen Sie schon allein erledigen."
"Das tun wir auch, keine Sorge!"
"Wenn Sie dann keine Fragen mehr haben..."
"Wo waren Sie denn gestern Nacht?"
"Hier, in der Wohnung. Allein. Tut mir leid. Wahrscheinlich reicht dieser Umstand schon, um mich für dreißig Jahre hinter Gitter zu bringen..."
"Es ist Ihnen gleichgültig, ob ein Mensch stirbt?"
"Wenn dieser Mann Jonathan D. McKee heißt, ja. Aber Sie werden das sicher zu verhindern wissen, Gentlemen..."
"Sie hassen Mister McKee?"
"Ich bin ihm nie begegnet. Er war für mich immer nur ein Name in den Gerichtsprotokollen. Ein ehrgeiziger FBI-Beamter, der mit seinen Männern dazu beigetragen hat, dass mein Vater verhaftet wurde."
"Ist er Teil des Komplotts, von dem Sie gesprochen haben?"
"Ich werde kein Wort mehr sagen, Agent Trevellian. Es sei denn in Gegenwart eines Anwalts..."
Milo nickte mir zu, so als wollte er sagen: "Es reicht, Jesse."
Wir wandten uns zum Gehen.
"Was machen Sie eigentlich beruflich?", fragte ich, auf dem Weg zur Tür. Alexandra ging barfüßig mit katzenhaftem Gang vor uns her. In ihrem schwarzen Gymnastikanzug hatte sie etwas von einer Pantherin.
Sie blieb stehen.
Ein kaltes Lächeln stand in ihrem Gesicht.
"Ich lebe", erklärte sie. "Ist doch Beschäftigung genug, oder?"
"Wenn man es sich leisten kann, ja."
"Sind Sie nun von der Steuerfahndung oder vom FBI?"
"Ich würde mir gerne ein Bild von Ihnen machen, das ist alles!"
"Auf Wiedersehen, Agent Trevellian."
16
"Was hältst du von ihr?" fragte Milo, als wir wieder im Wagen saßen.
"Ich hätte sie gerne mal in einer Lederjacke mit Sturmhaube gesehen", erwiderte ich.
"Du glaubst, dass sie der Killer von gestern Nacht ist?"
"Ihre Hände waren sehr zierlich. So wie Mister McKee sie beschrieben hat. Milo, unser Killer könnte eine Frau sei..."
"Könnte!"
"Wir sollten sie durchleuchten. Und ich bin dafür, dass sie von nun an beschattet wird."
Milo zuckte die Achseln.
"In einem muss ich dir recht geben: Sie scheint in ihrem Hass auf Mister McKee ihrem Vater kaum nachzustehen..."
"Milo, sie war vier oder fünf, als Allan Harker verhaftet wurde. Wer weiß, was man ihr über ihren Vater erzählt hat. Jedenfalls hat sie ein völlig verklärtes Bild von ihm. Sie will die Realitäten nicht anerkennen..."
"Dafür hat sie das verzerrte Hassbild von Mister McKee verinnerlicht, das ihr Vater ihr vermittelt hat!"
"Mir geht noch etwas anderes durch den Kopf, Jesse."
"Raus damit!"
"Harker hat nie vollständig ausgepackt, nie alle seine Auftraggeber genannt... Wenn Pareses Anwalt Harker regelmäßig besuchte und vermutlich auch dafür sorgte, dass er Geld bekam, dann könnte es doch sein, dass das nicht der einzige Freundschaftsdienst war, den die Bosse für ihren Lohnkiller leisteten..."
"Du meinst, sie versorgten auch Alexandra Berringer?"
"Wäre nicht das erste Mal: Schweigen gegen gute Versorgung von Angehörigen."
Ich nickte.
"Ich glaube, dass sie weiß, wo ihr Vater ist", meinte ich.
Mein Instinkt sagte mir das. Und ich hatte mich selten geirrt, wenn ich mich auf den verlassen hatte.
Milo drehte sich um.
"Ich glaube, es folgt uns ein Wagen", stellte er fest.
Ich bog eine Seitenstraße ein.
Ein sandfarbener Ford war uns dicht auf den Fersen. Zwei Männer saßen darin, unterhielten sich.
"Vielleicht sind wir nicht die einzigen, die sich für Alexandra Berringer interessieren", zischte Milo zwischen den Zähnen hindurch.
17
'Der Baske' war groß und dunkelhaarig. Er saß in Mancini's Ristorante vor seinem dritten Espresso und blickte angestrengt aus dem Fenster. Von hier aus hatte er Carlo's Second Hand-Laden genau im Blick. Er konnte sehen, wer raus und rein ging. Einen zweiten Ausgang gab es nicht.
'Der Baske' wartete schon einige Stunden. Er trug ein Leder-Longjackett. In der geräumigen Seitentasche befand sich eine Automatik mit Schalldämpfer und aufgesetztem Laserzielerfassungsgerät.
'Der Baske' sah auf die Uhr.
Dann trommelte er nervös mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
Er war alles andere als ein Anfänger, aber diesmal war es etwas anderes. Das Opfer, das er zur Stecke bringen sollte, war eine Legende.
Sein Handy schrillte.
'Der Baske' nahm es aus der Innentasche.
"Ja?"
"Hier ist Carlo."
"Was ist los?"
"Harker kommt. Er hat gerade angerufen und will die Papiere abholen."
"Okay."
"Er muss ganz in der Nähe sein..."
"Mach dir nicht ins Höschen, Carlo!"
'Der Baske' beendete das Gespräch.
Seine Hand wanderte in die Jackentasche.
Ein Mann kam auf Carlo's Laden zu. Er ging ziemlich schnell. Von seinem Gesicht war kaum etwas zu sehen, weil er den Mantelkragen hochgeschlagen hatte.
Das musste er sein!
Einen Augenblick lang drehte er sich um. 'Der Baske' sah das Gesicht. Volltreffer!, dachte er. Ich mach dich kalt, alter Mann... Harker verschwand im Laden.
'Der Baske' stand auf, legte ein paar Dollar neben die Espresso-Tasse und ging hinaus.
'Der Baske' ging über die Straße. Mit schnellen Schritten näherte er sich Carlo's Laden. Er riss die Tür auf, hatte dabei die Automatik bereits in der Hand.
Harker stand am Tresen, Carlos schmächtige Gestalt dahinter.
Harker drehte sich halb herum.
'Der