„Nein, ich habe mit Schauspiel und Fernsehen nichts zu tun, ich arbeite in einem Buchladen am Wandsbeker Markt.“
„Und woher kennen Sie Gunda Harsfeld?“
„Wir haben uns vor Jahren in einem Speisewagen der Bahn kennengelernt und Gefallen aneinander gefunden, wie man so sagt. Und als Gunda dann nach Hamburg ziehen wollte, hat sie ein paar Wochen bei mir im Haus gewohnt, bis sie da drüben eine Wohnung mieten konnte.“
„Ist Gunda einmal bedroht worden. Hat jemand versucht, sie zu erpressen? Hatte sie Schulden? War sie krank?“
Mareike schüttelte bei jeder Frage heftig den Kopf, sodass die Löckchen flogen.
„Sind Sie mal in Gundas Wohnung gewesen?“
„Oft sogar, wie waren gute Freundinnen, Frau Koschwitz.“
„Wann haben Sie Gunda Harsfeld das letzte Mal gesehen?“
„Gestern, drüben im Wöschenhof. Auf der Straße. Gunda hatte einen Strauß Blumen gekauft, den sie einer früheren Kollegin aufs Grab stellen wollte. In Ohlsdorf.“
„Danach nicht mehr?“
„Nein. Wir haben uns noch für heute verabredet, und das war das letzte Mal.“
„Frau Schertz, können Sie mir etwas über Gundas Verwandtschaft erzählen? Wen müssen wir über deren Tod benachrichtigen?“
„Ich glaube, niemanden. Die Eltern sind schon tot, Geschwister gibt es wohl nicht, und von einem Ehemann oder einem festen Freund weiß ich nichts.“
„Wollen Sie etwa behaupten, dass eine so attraktive Frau wie Gunda Harsfeld keinen festen Freund gehabt hat?“
„Nein, das will ich nicht, sie hatte einen Freund, sogar über lange Zeit. Der ist oft über Nacht bei ihr geblieben. Aber sie hat mir nie den Namen verraten, obwohl ich immer wieder gebohrt habe.“
Dabei kicherte sie albern, und Lisa musterte sie strafend. „Ich habe doch schon gesagt, Gunda konnte sehr verschwiegen sein. Und vor diesem großen Unbekannten gab es einen Mann, der drüben in den Studios arbeitet, aber das war kein enges Verhältnis.“
„Mit dem habe ich schon gesprochen. Frau Schertz, hat Gunda mal was über ihre Familie erzählt?“
„Wenig, doch ja, etwas schon. Die Mutter war eine gescheiterte Sängerin, von der Gunda, wie sie sagte, den Drang zur Bühne geerbt hat. Den Vater hat sie gehasst, aus Gründen, die ich nicht mal erraten kann. Er muss sehr streng und dominant gewesen sein.“
„Aber es war kein arme Familie?“
„Oh nein, die Mutter besaß von ihren Eltern eine hübsche Stange Geld, und der ungeliebte Vater muss glänzend verdient haben.“
„Wo ist Gunda aufgewachsen?“
„Wenn mich nicht alles täuscht, in Stuttgart. Dort hat sie jedenfalls Abitur gemacht, bevor sie nach München an die Schauspielschule ging.“
Lisa schaltete ihr Aufnahmegerät aus. „Vielen Dank, Frau Schertz. Sie müssen dann leider mal zu uns ins Präsidium kommen, um das Protokoll zu unterschreiben.“ Mareike warf ihr einen scharfen Blick zu und rieb sich die Hände an den Hosenbeinen.
13
Lisa wollte gerade den Zündschlüssel drehen, als ihr Handy bimmelte, ein aufgeregter Kai Ringel jubelte. „Chefin, wir haben einen ganz dicken Fisch an Land gezogen.“
„Was soll das heißen?“
„Einige der Fingerabdrücke in Gundas Wohnung stammen von Sigfried Bork.“
„Was? Vom schönen Sigi? Dem Bordell-Bork?“
„Kein Zweifel. Wir treffen uns gleich vor seinem sogenannten Restaurant an der Rahlstedter Straße.“
„Ich bekomme richtig Hunger.“
„Auf was, auf Menschenfleisch?“
Es war so selten wie schön, wenn man in einem Fall nicht dauernd von einem Stadtteil östlich der Alster zu einem Ziel westlich der Alster fahren musste.
Der schöne Sigi hatte sein erstes Geld mit einem Bordell im Nordosten der Stadt gemacht, später ein etwas zweifelhaftes Restaurant gekauft und neben überteuerten Gerichten auf einer fantasiereichen Karte parallel auch unsittliche Angebote zur Entspannung für männliche wie weibliche Gäste offeriert. Alles sehr diskret, aber schweineteuer. Immerhin blieb Sigi bei seinen Leisten und traute sich nicht nach St. Georg oder St. Pauli, störte also nicht die Kreise seiner eher zur Gewalt neigenden Konkurrenz. Wegen Hehlerei hatte er drei Jahre gebrummt und war danach noch vorsichtiger geworden. Die Kollegen meinten jedoch, er betreibe immer noch Hehlerei in großem Stil mit Rückendeckung einiger seiner prominenten Gäste.
14
Kai Ringel hatte gleich ein Überfallkommando mitgebracht, doch Lisa winkte erst mal ab. Was konnten sie Sigi bisher vorhalten? Dass er sich einige Male in der Harsfeld-Wohnung aufgehalten hatte. Das hatten viele Personen, aus den zahlreichen noch nicht identifizierten Fingerabdrücken zu schließen. Sigi besaß einen guten Anwalt und genug Erfahrung mit Kripo und Justiz, um sich nicht überrumpeln zu lassen. Also langsam und mit Gefühl.
Genau so kam es. Sigi schien aufrichtig erschrocken, als er von Gundas Tod erfuhr, bot Lisa einen Platz in seinem Büro an und bestritt nicht, dass er mit Gunda Harsfeld einmal intim befreundet gewesen war, wobei er nervös seine Hände knetete.
Er war ein großer, breitschultriger und kräftiger Mann, mit dem selbst Ringel seine Last gehabt hätte, und das Leichtgewicht Lisa reichte dem unruhigen Sigi gerade bis zu den Schultern.
„Muss ich meinen Anwalt anrufen?“
„Wenn Sie ein Alibi für die Zeit von fünfzehn bis achtzehn Uhr und gegen Mitternacht des gestrigen Tages besitzen – nein.“
„Von sechzehn bis achtzehn Uhr habe ich hier im Büro mit zwei Vertretern um Preise und Rabatte gefeilscht und um Mitternacht eine heftige Auseinandersetzung mit einer Streife wegen angeblichen Lärms aus meinem Restaurant gehabt.“
„Welches Revier?“
„Weiß ich nicht. Wer rückt aus, wenn sich meine Nachbarn über Lärm bei mir beschweren?“
„Das werden wir feststellen, Herr Bork. Mein Aufnahmegerät stört Sie doch nicht?“
„Wenn ich nachher die Aufnahme kopieren darf – nein.“
„Himmel hilf, seit wann sind Sie so vorsichtig? So schlechte Erfahrungen mit der Kripo?“
Der schöne Sigi nickte kummervoll. Lisa hatte schon von dem Gerücht gehört, dass man Sigi mit einer manipulierten Gesprächsaufnahme hereingelegt hatte. Ringel verschwand lautlos nach draußen; dort wartete die Besatzung des Streifenwagens.
„Also, Herr Bork: Gunda Harsfeld.“
„Beim Derby in Horn saß sie neben mir, es war schönes Wetter, sie trug ein weit aufgeknöpftes Oberteil und hatte nichts einzuwenden, als ich ihren Busen bewunderte. Und weil ich mit einem Außenseiter eine schöne Summe gewonnen hatte, lud ich sie zum Essen ins Blockhaus an der Schlossstraße ein. So fing es an.“
„Wann war das?“
„Moment – vor drei Jahren, beim letzten Derby mit schönem Wetter.“
„Wie lange hat Ihr Verhältnis gedauert?“
„Wir haben uns vor gut zwei Monaten getrennt.“
„Und warum, Herr Bork?“
„Schwer zu erklären, Frau