„Hast du die Werkzeuge?“
„Liegen schon hier.“
Carringo schaute sich um. Auf dem Tisch lagen eine lange Schere, zwei spitze Messer, Verbandstoff, ein Stück Draht und ein Stück Holz.
„Whisky oder so etwas Ähnliches fehlt noch. Sieh mal nach, ob du nicht eine Pinzette finden kannst.“
„Habe ich schon gesucht. Ist hier leider nicht zu finden. Wegen des Whiskys sehe ich gleich noch mal nach.“
Carringo setzte sich neben dem Verletzten auf die Pritsche.
Spinola hatte auf einmal die Augen auf und schaute ihn offenbar völlig klar an. „Sie ha... habe ich ...“
„Es ist besser, Sie sprechen nicht“, erwiderte Carringo. „Wir sind hier in Ihrer Hütte.“
„In meiner ...“
„Ja. Und Sie haben eine Kugel in der Brust, die wir Ihnen herausholen müssen. Dort, wo wir Sie fanden, wäre der Weg nach Rio Verde zu weit gewesen. Wir müssen es also allein versuchen. Sie wurden überfallen?“
„Über... überfallen?“ Spinola schien nachzudenken. „Ein Schuss! Plötzlich ein Schuss!“
„Gesehen haben Sie niemanden?“ „In der ... Ferne. Rauch. Ein Mann – Ramirez!“
„Sie haben ihn erkannt?“ Carringo stand erregt auf.
Doch der Verletzte schüttelte langsam den Kopf. „Nein, nicht erkannt. Aber er war es. Die ... Sharps-Rifle!“ Carringo wischte dem Mann den Schweiß von der Stirn. „Lassen Sie es sein, Mister Spinola. Es schwächt Sie und bringt uns doch nicht weiter. Wir können darüber später noch reden.“
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis das Wasser im Kessel auf dem Herd endlich leise zu singen begann.
„Bald ist es so weit“, sagte Chaco. Er rückte die Geräte zurecht und hatte indessen auch eine Flasche Tequila gefunden.
Carringo gab dem Verletzten aus der Flasche zu trinken.
Spinolas Wangen hatten sich gerötet. Auch seine Stirn war heiß.
Chaco ging hinaus und brachte eine Eisenstange aus der Remise, die so lang wie sein Unterarm war. Er schob sie, ohne dass Spinola es sehen konnte, in das Feuerloch, um sie dort zum Glühen zu bringen, damit sie später die Wunde damit ausbrennen und einer möglichen Blutvergiftung vorbeugen konnten.
Carringo gab dem Mann immer wieder zu trinken, bis die Flasche über die Hälfte geleert war und die Wangen Spinolas zu brennen schienen.
Chaco drehte die Stange im Feuer herum.
Dampf stieg aus dem Wasserkessel.
„Wir sind jetzt so weit“, sagte Carringo zu dem Verletzten.
Spinola nickte tapfer, obwohl die Angst in seinen Augen nicht zu übersehen war.
Chaco kam auf der anderen Seite um den Tisch herum, nahm das Holz und hielt es dem Verletzten hin. „Nehmen Sie es zwischen die Zähne, Señor. Es ist besser. Sie spüren dann sicher nur die Hälfte der Schmerzen.“
Spinola ließ sich das Holz zwischen die Zähne schieben.
Carringo stand auf und legte die Messer mit den Spitzen ins kochende Wasser. Sie hatten nichts anderes, und er konnte nur hoffen, dass die Kugel nicht zu tief steckte. Er musste sie zwischen die Messer kriegen und herausziehen. Dabei würde sich die Wunde noch vergrößern, was sie jedoch in Kauf nehmen mussten.
„Halte seine Oberarme fest, Chaco!“
Der Freund beugte sich vom Kopf her über den Mexikaner und presste ihm die Arme auf die Felle.
Carringo neigte sich seitlich über den Mann, der die Zähne in das Holz grub, dass es krachte und ein Riss durch das Kiefernscheit ging.
Die Messer fuhren in die Wunde. Blut lief dem Mann über die Haut. Carringo ertastete die Kugel, aber da schrie der Mann wie von Sinnen auf und spie das Holz aus.
Chaco hielt ihn fest. Doch der Körper bäumte sich auf.
Carringo ließ die Messer los und donnerte dem Mexikaner die Faust ans Kinn. Spinolas Schmerz ging in einer gnädigen Ohnmacht unter. Er lag still, so dass Carringo die Kugel herausziehen und Chaco ihn loslassen und die weißglühende Eisenstange holen konnte.
Spinola schrie erneut auf, als Carringo ihm die Wunde ausbrannte und der süßliche Geruch verbrannten Fleisches die Hütte erfüllte.
Da versetzte ihm Chaco noch einen Kinnhaken und sagte dabei: „Tut mir leid, Amigo, aber es geht nicht anders. Du hast es ja schon hinter dir.“
Carringo warf die immer noch glühende Stange in den Hof, nahm die Tequila-Flasche und trank sie selbst fast völlig leer. „Das ist schlimmer als eine ganze Woche lang Arbeit von früh bis in die Nacht, mein Junge.“
22
Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das kleine Fenster in die Hütte. Die Freunde saßen am Tisch und frühstückten ausgiebig, was bei Spinolas Vorräten eine Kleinigkeit für sie war. Chaco hatte starken Kaffee gekocht. Dem Verletzten konnten sie davon allerdings nichts geben, da er noch nicht erwacht war.
Ein weißer, dicker Verband spannte sich um Jiminez Spinolas Brust. Er atmete ruhig und gleichmäßig.
Draußen wieherte ein Pferd. Die Herde wurde unruhig.
Chaco erhob sich, ging zur Tür, öffnete sie und sagte: „Einer der Kerle von gestern aus der Stadt.“
Carringo war mit einem Satz auf den Beinen, lief an Spinolas Lager vorbei und trat neben den Freund.
Der Reiter hatte bereits die Remise pariert, sah die Freunde plötzlich und zügelte sein Pferd. Erschrocken schaute er zu ihnen.
Carringo ging hinaus und schob den Patronengurt sowie die Holster zurecht, um für alle Fälle gerüstet zu sein.
Da hatte sich der Mexikaner schon wieder gefasst. „Was wollt ihr denn hier?“
Chaco folgte dem Freund. Ein rascher Blick nach allen Seiten ließ ihn zu der Annahme gelangen, dass der Kerl allein unterwegs war.
Carringo hielt das Pferd am Kopfgeschirr fest.
„Ist Spinola da?“, fragte der Kerl. „Ich will zu Spinola. Und du lass mein Pferd los.“
„Willst du auch so eine Abreibung wie dein Kumpan gestern in der Kneipe?“, fragte Chaco freundlich.
„Ich will zu Spinola, zum Teufel. Ist er in der Hütte?“
„Hast du ihn schon auf der Piste zum Rio Verde gesucht?“, fragte Carringo. „Und bist du nur hier, weil du ihn dort nicht als Leiche finden konntest?“
Der Kerl trat nach Carringo. Carringo taumelte und musste loslassen.
Der Mexikaner sporte das Pferd an, ritt haarscharf an Chaco vorbei und galoppierte über den Hof. Chaco zog den Revolver.
„Lass ihn“, sagte Carringo. Er wandte sich ab und ging in die Hütte zurück.
Spinola war erwacht und schaute ihm entgegen. „Was war denn eben los?“
„Ein Reiter war da.“
„Ein Fremder?“ Spinola erweckte den Eindruck, völlig klar und frei von Fieber zu sein.
„Für uns ein Fremder.“ Carringo setzte sich an den Tisch und trank seine Tasse leer. „Wir haben uns übrigens selbst bedient, Señor. Wie fühlen Sie sich?“
„Ich denke, es geht mir ganz gut. Und ich wäre ohne Sie nicht mehr am Leben, nicht wahr?“
„Reden wir nicht