Chap Curtis war eine extrem hässliche Erscheinung mit wulstigen Lippen in einem sehr schmalen, langen Gesicht, das ein sehr spitzes Kinn nach unten und Eiform nach oben abschloss. Er hatte langes Blondhaar und eine scharf gekrümmte Nase.
Der ferne Pfiff der Lokomotive tönte aus der Ferne herauf, in den Schienen begann es zu singen, und über den Kakteen im Süden quoll etwas Schwarzes in den Himmel.
Frank Merrill lenkte sein Pferd vom Gleis und zu den anderen Pferden im Schutze der Saguaros. Er stieg ab, zog das Gewehr aus dem Scabbard und repetierte es.
Die anderen wischten den Gesteinsstaub an den ausgebeulten Hosen von den Handflächen und griffen ebenfalls nach ihren Mehrladegewehren.
Im Flimmern tauchte der Zug auf der Schiene auf, wurde von der Luftspiegelung in Raster geschnitten und schien auf einer endlosen Wasserfläche heranzudampfen.
„Tony, wenn der Postschaffner Ärger bereiten sollte, dringst du durch das Hinterfenster ein!“, befahl Merrill.
Der spindeldürre Bursche verzog das Geiergesicht zu einer grinsenden Grimasse. „Ist klar, Frank.“
„Und kein unnützes Blutvergießen. So was schadet nur.“
Die fünf Banditen um ihren Anführer repetierten die Gewehre.
Ein Pfiff schrillte über das eintönige Buschland zwischen dem San Francisco Plateau im Osten und den Granite Mountains im Westen, die sich jeweils so weit von der Bahnlinie entfernt befanden, dass die Bergspitzen fast wie die Ränder von Wolkenbänken aussahen.
Deutlicher wurde der Zug, der aus einer Baldwin-Lok, dem Tender, drei Passagierwagen und dem Expresswaggon bestand. Schwarz quoll der mit Funken untermischte Rauch aus dem großen Dreieckschornstein und zerflatterte über Kakteen und Buschwerk.
Rasch näherte sich die kleine Wagenschlange.
„Jetzt muss er den Haufen aber sehen“, sagte der hässliche Curtis.
Da pfiff die Lok wieder. Dampf strömte aus dem Überdruckventil des Kessels und löste sich in der Gluthitze augenblicklich auf. Die schwarze Wolke riss ab. Gestalten kletterten aus dem ersten Abteil, verteilten sich, sprangen von Dach zu Dach und drehten an den Bremsrädern. Laut kreischend legten sich die Bremsklötze gegen die Eisenräder der Waggons, blockierten und ließen sie auf den glatten Schienen rutschen. Die Schubkraft beförderte die Lok noch bis in den Gesteinshaufen, der sie dann jedoch anhielt.
Ruckelnd und klirrend schlugen Puffer und Kupplungen gegeneinander. Auf dem ersten Dach wurde der Bremser umgerissen. Seine haltsuchende Hand griff ins Leere. Unter lautem Geschrei stürzte der Eisenbahner vom Dach.
Heftig in die Luft feuernd, verließen die sechs Banditen den Schutz von Buschwerk und Saguaros.
In den Waggons schrien entnervte Frauen hysterisch auf. Ein Kind weinte. Der Heizer war vom Holzstoß auf die kurze Eisenplattform zwischen Tender und Lok geschleudert worden. Der Lokführer knallte mit dem Kopf gegen eine Armatur und trug eine Platzwunde an der Stirn davon.
„Alles aussteigen!“, brüllte Merrill. „Los, los, schneller, ihr lahmen Tanten!“
Fluchend griff der Lokführer nach seinem Gewehr. „Euch werde ich’s zeigen, Banditengesindel!“
Merrill repetierte und schoss auf ihn. Die Kugel riss dem Eisenbahner eine tiefe Streifwunde in den Arm, was die Finger des Mannes öffnete und seine Waffe scheppernd auf dem Boden landen ließ.
Hastig sprang er vom Zug und rief: „Tut, was die Kerle sagen, oder sie bringen euch um!“
„Hinlegen!“
Der Lokführer warf sich mit dem Gesicht nach unten neben die schwarze, schnaufende Maschine, aus der Dampf mit leisem Zischen über der Kolbenstange entwich.
Mit erhobenen Händen sprang auch der Heizer vom Fahrstand und stürzte neben seinen Boss.
Die Banditen rissen nacheinander sämtliche Türen an den Wagenenden auf. Die geschockten Reisenden sprangen heraus und mussten sich sofort auf den Boden legen.
Ein Bremser wagte den Sprung auf der abgewandten Zugseite vom Dach, verstauchte sich aber so sehr den Fuß, dass er stöhnend zu Boden ging und liegenblieb.
Zwei Frauen trugen Kleinkinder auf den Armen, was sie nicht davor bewahrte, das Schicksal der anderen zu teilen.
Nur der Waggon mit der Aufschrift „Wells Fargo Company“ blieb verschlossen.
Merrill, Grant und Burton liefen nach hinten und schossen auf die dicken Planken des Waggons, aber innen rastete nur ein Verschluss ein.
„Öffnen Sie!“, schrie Merrill.
„Der Teufel soll euch holen!“, tönte es dumpf heraus.
Merrill gab dem spindeldürren Burton ein Zeichen mit dem Kopf und eröffnete ein Schnellfeuer auf die Tür, um den Postschaffner abzulenken. Auch Grant schoss auf den Expresswaggon, während die drei anderen Halunken die Reisenden und das Zugpersonal in Schach hielten.
Burton hastete zur Rückseite des Waggons, kletterte auf die Kupplung, während er das Gewehr fallen ließ, zog den Colt und schlug die Scheibe des kleinen Fensters ein.
Zwischen vielfächrigen Regalen, einem Arbeitstisch und zwei verschieden großen Panzerschränken von schwarzer Farbe wirbelte der Postschaffner herum, hob einen großkalibrigen, alten Revolver und feuerte. Ein Flammenblitz zuckte dem Banditen entgegen, doch die Kugel streifte nur sein Ohr. Eine Pulverdampfwolke hüllte den schmalbrüstigen Schaffner mit den schwarzen Schonern über grauen Ärmeln und dem dunklen Schirm über den Augen ein.
Burton jagte eine Kugel hinein.
Der Mann stöhnte, schwankte rückwärts, verlor die rauchende Waffe und hielt sich an der Tischkante fest.
Burton zwängte sich hinein und sprang federnd auf den Boden.
Am Tisch brach der Postschaffner zusammen.
„He, Tony, wie lange dauert das noch?“, rief der Bandenführer draußen ungeduldig.
Burton hängte den Verschluss aus und schob die Rolltür nach vorn.
„Na also!“ Merrill sprang in den Wagen, schaute sich nur kurz um, und ging auf den kleineren der beiden Panzerschränke zu.
Grant folgte dem Anführer. Auch er beachtete weder die mit Briefen und Paketen vollgestopften Regale noch den größeren Panzerschrank, sondern folgte Merrill zu dem kleineren, fest eingebauten Tresor. Er wies ein relativ großes Schlüsselloch auf, das auf eine primitive, aber schwere Sperre schließen ließ.
Merrill zog eine Dynamitpatrone aus der Tasche, die dünn wie ein Zigarillo und mit einer kurzen Lunte versehen war.
Draußen wurde ein Schuss abgefeuert.
„Rübe runter, Alter, sonst erlebst du den Sonnenuntergang nicht mehr!“, brüllte Regan.
„He, hier will sich einer verdrücken!“, meldete Older auf der anderen Zugseite. „Zurück, Mister!“
Ein zweiter Warnschuss pfiff über die Dächer des kleinen Zuges.
„Die sollen mir die Leute in Schach halten!“, rief der Bandenführer.
Grant schaute durch die offenstehende Tür. „Gebt ihnen Zunder, wenn sie aufmucken.“
Merrill schob die Patrone in das Schlüsselloch, brannte sich ein Zigarillo an, blies gegen die Glut und hielt sie an die Lunte. Sofort sprühten Funken, und mit dem aufsteigenden Rauch breitete sich penetranter Gestank aus.
„Raus!“
Sie sprangen alle drei aus dem Expresswaggon und gingen unter der Rolltür in Deckung.
Die Passagiere und das Fahrpersonal