Auch wenn der Schluss fehlt: Das Buch, das er auf Basis seiner Schriften schrieb, hat es in sich. Er führte darin hunderte Seiten Italienerfahrungen und -eindrücke zusammen. Goethes „Italienische Reise“ versteht sich daher nicht als Reiseführer, sondern als Sammelwerk aus persönlichen Gedanken, künstlerischen, architektonischen und geologischen Beobachtungen sowie kulturellen Erfahrungen über die Reise hinweg. Es ist wunderbar chronologisch aufgebaut, sodass man mit Goethe beim Lesen auch „auf Reise“ gehen und feststellen kann, wie sehr er an sich selbst wuchs und wieder die Lust am Schreiben gewann.
In seinen Ausführungen zu den alten römischen und griechischen Bauten spürt man die Faszination, die Italien auf ihn ausübte. So viele Jahre erzählte ihm sein Vater von dem Land und nun sah er es mit eigenen Augen! Positive wie auch negative Erfahrungen formulierte er mal ausführlicher, mal kürzer, aber immer mit viel Erklärungswillen. Man spürt beim Lesen jeder einzelnen Seite: Goethe war von Italien begeistert und wollte dieses Land nicht nur bereisen – er wollte es verstehen und in sich aufnehmen.
Goethe als Inspiration
Eben diese Begeisterung schwappte auf mich über. So wie sich Goethe durch Italien wieder zum Schreiben inspirieren ließ, so inspirierte mich das Buch zum Nachreisen. Als großer Italien- und Goethefan fiel mir das Buch das erste Mal vor Jahren in die Hände; beim Lesen ertappte ich mich immer wieder beim Gedanken, Goethes Route eines Tages auch einmal genau so nachzureisen. Dass so viele interessante Städte und beeindruckende Denkmäler auf dieser Strecke liegen, reizte mich ebenso wie die Veränderung der Landschaft und der Menschen vom Norden bis in den Süden – das wollte ich auch erleben. Wie würde es sich wohl anfühlen, all das mit eigenen Augen und in der Gegenwart zu sehen? Wie spannend würde es werden, Goethes Eindrücke mit meinen zu vergleichen und zu schauen, was sich zu früher verändert hat? Der große Wunsch war geboren!
Als klar wurde, dass ich in meiner beruflichen Auszeit die Gelegenheit haben würde, diesen Wunsch wahr werden zu lassen, begann ich zu planen. Ich las das Buch noch einmal, legte Strecken- und Zeitplan fest und wunderte mich immer wieder über Goethes ungeplante Spontanität auf seiner Reise. Ich bekam zwischendurch schon ein schlechtes Gewissen, weil ich (vermeintlich) gut vorbereitet in dieses Abenteuer starten wollte.
Zug und Bus statt Postkutsche, Rucksack statt Holzkiste, vereinte demokratische Republik statt vereinzelte Königreiche, acht Wochen statt fast zwei Jahre. Die Unterschiede zwischen Goethes und meiner Reise würden groß sein. Es ging mir jedoch nicht darum, alles so zu machen wie er, sondern um meine eigenen großartigen Entdeckungen und meine persönliche Weiterentwicklung. Eine Reise ist eben immer individuell und kann gar nie die gleiche sein – schon gar nicht, wenn 232 Jahre dazwischen liegen.
Was Goethe tat, tat ich dann auch: ich schrieb – zum einen ein Reisetagebuch, zum anderen täglich auf Facebook und Instagram sowie wöchentlich auf meinem Blog. Anstatt zu malen wie Goethe, fotografierte ich. So besaß auch ich ein Sammelwerk aus Geschriebenem und Bildmaterial für später. Dass das Schreiben gut und notwendig war, verstand ich im Nachhinein besser als zuvor, denn auf einer solchen Reise gewinnt man so viele Eindrücke, die man nur sehr schwer alle auf einmal verarbeiten kann. Sind sie jedoch einmal niedergeschrieben, haben sie einen Platz und können später wieder abgerufen werden.
Aufmerksame Leser und Leserinnen erkennen am Titel natürlich sofort meine Anlehnung an Goethes „Auch ich in Arkadien“. Warum sich die „Cornetti“ im Titel befinden, wird dann mit dem Lesen dieses Buches klar. Die Zitate, die unter jedem Städtenamen stehen, sind ausnahmslos alle aus Goethes Buch. Ich war verblüfft, wie oft er mir aus der Seele sprach und wie treffend die meisten seiner Kommentare auch noch heute passen! Ich orientierte mich nicht nur bei der Reiseroute, sondern auch beim Aufbau dieses Buches an Goethes Werk. Aus diesem Grund behielt ich die Tagebuchform, die sich in Reiseziele untergliedert, bei. Du reist mit mir – nachdem du das Kapitel über die Reiseplanungsphase überstanden hast – also chronologisch vom Norden in den Süden und wieder retour.
So schließt sich der Kreis: von Goethes geschriebenen Worten zu einer großartigen Reise und wieder hin zu einem Buch. Ich bin Goethe einfach unglaublich dankbar für diesen Schatz, den er hinterließ. Er diente mir als Anstoß, mich auf mein bisher größtes Abenteuer zu begeben und darüber zu schreiben.
Dass später jemals an irgendeinem der besuchten Orte eine Steintafel hängen wird, auf der „Barbara Horvatits-Ebner war hier“ zu lesen ist, bezweifle ich stark. Meinem Buch wird auch nicht wie Goethes „Auch ich in Arkadien“ ein eigenes Museum in Rom gewidmet werden. Aber ich kann mit meinen Berichten vielleicht dazu beitragen, dass Italien abseits von Massentourismus und schnellem Sightseeing wieder so wahrgenommen wird, wie es eins Goethe tat: als ein unglaublich vielseitiges, historisch bedeutsames, kulturell faszinierendes und landschaftlich atemberaubendes Land mit irrsinnig liebenswerten Menschen.
„Nun denke ich ruhig zu euch hinüber; denn wenn irgend etwas für mich entscheidend war, so ist es diese Reise.“
Planung, Vorbereitung und andere
Katastrophen
Das große Kopfzerbrechen
Oktober 2017. So eine große Reise muss gut vorbereitet sein. Bereits seit einem halben Jahr verbringe ich Stunden damit, alle Orte, die Goethe einst besuchte, herauszusuchen und zu markieren. Ich überlege, wie lange ich mit meinem geplanten Budget von dreitausend Euro unterwegs sein kann und wie ich die Etappen aufteilen werde.
Zunächst schwebt mir eine Dauer von sechs Wochen vor. Schon die Vorstellung, sechs Wochen lang allein quer durch Italien zu reisen, lässt mich ganz tief durchatmen, und ich brauche bereits im Vorfeld einiges an Mut, mich überhaupt an dieses Projekt heranzuwagen. Aber die Vorfreude ist größer als die Angst und es ist ja ohnehin immer so, dass ich Dinge, die ich mir einmal in den Kopf gesetzt habe, durchziehe. Ich bin nämlich ein Sturkopf von Kindesbeinen an und so hätte nicht mal ich selbst mir diese Reise wieder ausreden können.
Zum Glück bin ich aber nicht nur sehr dickköpfig, sondern auch realistisch. Mir ist klar, dass sechs Wochen eindeutig zu stressig wären und ich vermutlich keinen Spaß bei der Sache hätte. Es bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: um mindestens zwei Wochen zu verlängern. Ich rechne mir also durch, wie lange ich für jede Etappe brauchen will und wo ich wie viele Nächte schlafen werde. Für jede Etappe lasse ich ein bis zwei „Puffertage“, die ich dann recht kurzfristig noch verplanen kann. Die jetzige Route scheint mit dieser Länge perfekt aufgeteilt, was aber auch bedeutet, dass ich den geplanten Geldbetrag pro Tag runtersetzen muss und mich mit durchschnittlich fünfzig Euro pro Tag vermutlich an der Grenze des Möglichen bewegen werde, denn noch mehr Geld als die dreitausend Euro will (und kann) ich keinesfalls in die Hand nehmen. Ich verkaufte für die Erfüllung dieses Traums eigens mein Auto! An die gesetzte Bugdetgrenze will ich mich unbedingt halten, egal wie. Somit ist klar: fünfzig Euro pro Tag und nicht mehr! Dass das bei durchschnittlichen Übernachtungskosten von etwa dreißig Euro pro Nacht eine Herausforderung wird, ist mir klar. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich solche Aufgaben nicht als einladende Challenge sehen würde, und beschließe, dem Plan – so wie er steht – eine Chance zu geben.
Jedenfalls ist die erste Planungsphase damit einmal fast abgeschlossen. Die Route, der Zeitplan und das Budget stehen fest. Bleibt nur mehr die Frage, wann ich meinen ausgeklügelten Plan realisieren will. „Irgendwann 2018“ ist nun eben nicht mehr exakt genug. Im Jänner oder Februar zu starten, kommt für mich nicht in Frage, da ich ein Wintermuffel bin und die Aussicht auf Schnee und kalten Wind in Südtirol und Oberitalien nicht wirklich verlockend ist. Kurz denke ich an den Sommer, aber diese Idee verwerfe ich dann aus zwei Gründen wieder: zum einen, weil es im Süden richtig heiß werden kann und ich