Wem gehört die Zukunft?. Jaron Lanier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jaron Lanier
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Социальная психология
Год издания: 0
isbn: 9783455851137
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Instrumente, die den alten Griechen zur Verfügung standen, sehr mühsam ist.7 Auch wenn man sich das heute nur schwer vorstellen kann, für die alten Griechen war das Musizieren auf ihren Instrumenten eine Qual, die man lieber bezahlten Dienern oder Sklaven überließ.

      Musik ist heute mehr als nur ein Freizeitbedürfnis. Musiker, die von ihrer Musik leben wollen, werden von einem unerbittlichen Markt dazu gedrängt, zu Symbolen einer Kultur zu werden. Wer sich dem verweigert, wird zwangsläufig zum Symbol einer Gegenkultur (und damit unschädlich gemacht). Die Musiker der Gegenkultur wirken zumeist ein bisschen angeschlagen, verletzt, wild, gefährlich oder verstörend. Musik ist heute nicht mehr ein Unterhaltungsangebot unter anderen, sondern hat etwas Mystisches, in ihr verschmelzen Sinn und Identität. In Musik verwirklicht sich der Fluss des Lebens.

      Unzählige Musiker wünschen sich nichts so sehr, als von ihrer Musik leben zu können. Das wissen wir, weil wir ihre Bemühungen in dieser Richtung online verfolgen können. Unablässig wird die Lüge herumposaunt, dass eine neue Klasse von Musikern entstanden sei, die sich dank der Publicity im Internet finanziell über Wasser halten könne. Es gibt diese Leute, aber es sind nur sehr wenige.

      Allerdings macht eine beträchtliche Anzahl über das Internet auf sich aufmerksam und kann sich eine Fangemeinde aufbauen. Ich stelle mir vor, dass solche Leute eines Tages von dem, was sie machen, leben können. Wenn man das Design der Informationsnetzwerke verbessert, könnte sich mit der zunehmenden Verbesserung der Maschinen das Leben aller verbessern.

      Der Plan

      Aristoteles scheut offenbar davor zurück, Angestellte beschäftigen und angemessen entlohnen zu müssen. Seine Äußerung über automatische Webstühle und selbstmusizierende Saiteninstrumente kann als der Wunsch interpretiert werden, dass uns eine bessere Technologie davon befreien möge, auf unsere Mitmenschen angewiesen zu sein.

      Es war ja auch nicht so, dass bei der Entstehung der ersten Städte alle von dem Wunsch beseelt waren, einander näher zu sein. Athen war in erster Linie eine Notwendigkeit und erst in zweiter Linie ein Luxus. Jeder mag Freunde, in einer großen Stadt hat man es aber zwangsläufig vor allem mit Fremden zu tun. Wir leben in einer Gemeinschaft, weil das überzeugende materielle Vorteile hat. Eine Gruppe bietet Sicherheit und Bequemlichkeit. Landwirtschaft und Militär funktionierten damals dank der wachsenden Größe der Gemeinschaften besser, und die Städte wurden mit einer Stadtmauer geschützt.

      Doch Aristoteles’ Worte bieten auch einen Vorgeschmack darauf, wie belastend das Zusammenleben sein kann. Mit dem Entstehen der Polis ging etwas verloren, und wir träumen immer noch davon, es wiederzufinden.

      Ein römischer General erhielt zur Belohnung, wenn er sich nach jahrelangem Militärdienst zur Ruhe setzte, ein Stück Land, das er selbst bewirtschaften konnte. Auf sich gestellt zu sein, die Möglichkeit zu haben, von seinem eigenen Land zu leben, ohne eine Polis, die einen störte, das war damals der Traum. Der amerikanische Westen bot diesen Traum erneut, dort bereut man es immer noch, dass man ihn aufgegeben hat. Der amerikanische Richter Louis Brandeis definierte den Begriff »Privatsphäre« mit den berühmten Worten als »das Recht, in Ruhe gelassen zu werden«.

      Doch der Wunsch nach Fülle, nach Sicherheit und Bequemlichkeit, ohne Politik war eine Illusion, die nur in begrenzten Zeiträumen mit militärischer Unterstützung gewahrt werden konnte. Diejenigen, die am meisten von der Zivilisation profitieren, nutzen ihre Macht, um eine temporäre Illusion der Freiheit von Politik zu schaffen. Die Reichen leben hinter Zäunen und Mauern, nicht nur um sich zu schützen, sondern auch um so zu tun, als ob sie die anderen nicht bräuchten. Im Zitat von Aristoteles scheint bereits die Hoffnung auf, dass der technische Fortschritt ebenfalls eine schützende, isolierende Hülle um Personen schaffen und so die territorialen Eroberungen ersetzen könnte.

      Der Menschen strebt von Natur aus nach den Vorteilen der Gemeinschaft, die eben auch den Umgang mit Fremden umfasst. Der Fremde muss nicht mein Freund sein. Er will nur das gleiche Recht auf Schutz und Sicherheit in Anspruch nehmen wie ich.

      Das ist die etwas klischeehafte Kritik an der derzeitigen Online-Kultur. Man hat Tausende »Freunde« und starrt doch, wenn man mit anderen zusammen ist, lieber auf einen kleinen Bildschirm. Wie damals in Athen, so heute im Internet.

      Teil 2 Der kybernetische Sturm

      Kapitel 3 Geld aus der Sicht eines Informatikers

      Geld, Gott und die alte Technik des Vergessens

      Selbst wenn man Gott für eine bloße Erfindung der Menschen hält, muss man zugeben, dass sie ziemlich wirkungsvoll war. Aber es gibt noch ein anderes uraltes Konzept, das wir Menschen erfunden haben und das kaum weniger einflussreich war: Ich meine natürlich das Geld.

      Geld nahm seinen Anfang vielleicht als Gedächtnisstütze für Werte, die man nicht ständig vor Augen hatte, etwa weit verstreut herumlaufende Schafe. Ein Stein pro Schaf, dann wusste der Schäfer, dass alle nach einem Tag auf der Weide wieder beisammen waren. Anders ausgedrückt: Artefakte fungierten als Informationsspeicher.8

      Frühe Hochkulturen in Mesopotamien und anderswo behielten mit Kerben in Hölzern und Tontafeln den Überblick über Handel und Schulden. Ein Schuldenverzeichnis erfordert eine höhere Komplexität als eine einfache Zählung von Schafen. Es muss eine Verbindung zwischen den bloßen Zahlen, den Personen und Absichten hergestellt werden, daher ist irgendeine Form der Markierung nötig.

      Früher war es harte Arbeit, Aufzeichnungen in Holz zu kerben oder gar in Stein zu meißeln. Diese Mühe machte man sich natürlich nicht für jede beliebige Information. Die Speicherung von Informationen war speziellen Themen vorbehalten, etwa Gesetzen oder Geschichten über Könige und Götter. Auch Schulden waren von Interesse.

      Geld war in der Frühzeit ein Speichermedium für Informationen, das vergangene Ereignisse festhielt. Aus Sicht vieler Forscher gab es daher in dieser Phase der Menschheitsgeschichte noch kein »Geld«, sondern nur eine ausgeklügelte Form der Abrechnung und Buchhaltung. Man könnte sagen, dieser Prototyp des Geldes war ausschließlich an der Vergangenheit orientiert.

      Dieses vergangenheitsorientierte Geld, das der Abrechnung dient, ist konkret und damit auf natürliche Art leicht zu verstehen. Es ist einfacher, sich eine konkrete Anzahl Schafe vorzustellen, als etwas Abstraktes wie eine Statistik, die sich mit den Aussichten eines Derivatepakets beschäftigt.9

      Moderne, an der Zukunft orientierte Konzepte von Geld ergeben nur Sinn in einer Welt der sprichwörtlich unbegrenzten Möglichkeiten. In der Frühgeschichte, als Geld und Zahlen als Einheit entstanden, hat offenbar niemand damit gerechnet, dass sich die Welt einmal auf ein so waghalsiges Projekt wie das ihrer unablässigen Verbesserung stürzen würde. Die frühen Kosmologien sind oft zyklisch angelegt, oder sie gehen davon aus, dass das ganze Unternehmen irgendwann gegen die Wand fahren wird, eine Art Harmagedon oder Ragnarök. Wenn alles, was man je wissen wird, bereits bekannt ist, dann müssen Informationssysteme nur die Vergangenheit und Gegenwart berücksichtigen.

      Das Geld hat sich mit der Technologie verändert, die es repräsentiert. Sie sind wahrscheinlich froh, dass es das moderne Geld gibt, aber es hat einen Vorteil, den Sie vermutlich nicht ausreichend wertschätzen: Man muss nicht wissen, woher das Geld kommt.

      Geld vergisst. Anders als die frühen Kerben auf Tontäfelchen hat das massenhaft produzierte Geld keine Erinnerung an die Geschichte seiner ursprünglichen Entstehung. Wenn wir die Geschichte jedes einzelnen Dollars kennen würden, wäre die Welt noch mehr von Kriegen zerrissen, als sie es ohnehin schon ist, weil der Mensch dem Stammesdenken noch mehr anhängt als der Gier. Geld ermöglicht Todfeinden die Zusammenarbeit. Wenn Geld von einer Hand in die andere geht, denken wir zumindest einen Moment lang nicht daran, wie es zu einem bestimmten Konflikt gekommen ist und wie wir uns rächen könnten.

      Geld vergisst, aber »Gott« erinnert sich an alles. Gott10 weiß, wie Sie diesen Dollar verdient haben, und folgt einer anderen Buchführung – die sich an moralischen Aspekten orientiert und sich auf Erinnerungen stützt. Und wenn nicht Gott, dann eben das Karma oder der Weihnachtsmann.

      Manche Konzepte des Göttlichen reichen