Der wilde Weg der Honigbienen. Christoph Nietfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Nietfeld
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783347065055
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für die wesensgemäße Bienenhaltung.

      Bienenkiste hin – Bienenkiste her. Über Bienenhaltung und die damit verbundenen unterschiedlichen Betriebsweisen wird unter Imkern schon so lange gestritten, wie es die Imkerei gibt. Entscheidend bei dem Konzept der wesensgemäßen Bienenhaltung – und dazu zählt, wie beschrieben, die Bienenkiste – ist, dass hier dem Wohl der Bienen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird und damit einhergehend das Honig-Interesse des Imkers freiwillig zurückgefahren wird. Eine kleinere Honigernte zum Wohl der Bienen? Nun gut, das mag für die „Wesensgemäßen“ unter den Bienenhaltern ein durchaus gangbarer Weg sein, für Hobbyimker, die nicht vom Honigertrag ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Der Ansatz „Imkern ohne Honig“ ist für viele „alte Hasen“ sicherlich erst einmal schwer nachvollziehbar, zumal der Begriff „Imkern“ neben der eigentlichen Bienenhaltung in unserem gewohnten Denken auch stets mit einer Honigernte in Verbindung gebracht wird. Es ist nach meinem Empfinden jedoch dieser kleine, aber entscheidende Schritt zu einer heilsamen Veränderung. Er dient dazu, sich aus den Zwängen zu befreien, die sich aus dem alten, alleinigen Ziel einer Honigernte nun einmal zwangsläufig ergeben. Er ermöglicht die Erkundung neuer Wege. Die innere Loslösung von der Notwendigkeit eines Ertrags schafft Raum für einen Wandel. Unser Blick öffnete sich für die eigentlichen Bedürfnisse der Honigbienen. Und dieser Blick war und ist für uns längst überfällig angesichts der in den letzten Jahren immer wiederkehrenden Schlagzeilen, dass es den Honigbienen so schlecht ginge.

      Die Bienenkiste ist also ein alternatives Bienenhaus, das sich von denen konventioneller Imker in vielen Bereichen unterscheidet. Aber was genau ist denn nun eigentlich der Unterschied zwischen Uwes selbst gebauter Bienenkiste und einer konventionellen Bienenbehausung? Meine Bienen wohnten einst in Segeberger Kunststoffbeuten. Die Magazinbeute besteht aus mehreren Etagen, die man Zargen nennt. Je nach Platzbedarf lässt sich mit ihnen der Wohnraum für die Bienen beliebig vergrößern oder verkleinern. Die Zargen, der Boden und auch der Deckel der Beuten bestehen jeweils aus festem Styropor. In die Zargen werden senkrecht kleine Rahmen gehängt – auch Rähmchen genannt –, mit Wachsplatten, die man in der Imkersprache als „Mittelwände“ bezeichnet. Nachdem die Bienen darauf ihre Zellwände errichtet haben, bilden Wachsplatte beziehungsweise Mittelwand und Rähmchen zusammen eine Wabe. Die Rähmchen ermöglichen es, die Waben zu jeder Zeit herauszunehmen. Diese Bauart wird Mobilbau genannt und bietet dem Imker eine größtmögliche Flexibilität bei der Handhabung der Bienenvölker. Die Rähmchen können zur Kontrolle entnommen und angeschaut werden. Ebenso lassen sie sich für die Ernte bequem entnehmen und nach dem Schleudern des Honigs wieder zurückhängen.

      Die Bienenkiste hingegen ist eine aus Holz gebaute Ein-Raum-Beute. Das heißt, das Bienenhaus hat eine feste Größe, ohne dass es sich in vertikaler Richtung durch das Aufsetzen einer Zarge erweitern lässt. Lediglich in horizontaler Richtung lässt sich etwa ein Drittel des Gesamtvolumens mithilfe eines Brettes vom Rest des Wohnraumes abtrennen beziehungsweise öffnen. Weiterhin gibt es in einer Bienenkiste keine Rähmchen, sodass im Normalfall nicht vorgesehen ist, einzelne Waben zu entnehmen, was dem sogenannten Stabilbau entspricht. Somit können die Bienen weitestgehend ungestört in ihrem Haus wohnen. Aus den baubedingt geringen Eingriffsmöglichkeiten ergibt sich bei der Bienenkiste bzw. allgemein beim Stabilbau im Vergleich zur Magazinbeute eine wesensgerechtere Bienenhaltung. Aus Sicht der klassischen Imkerei wird diese Art der Bienenhaltung jedoch mehrheitlich kritisch gesehen, weil ohne die Kontrolle der Bienen, d. h. z. B. die Entnahme der Rähmchen, eine Gesunderhaltung des Volkes unmöglich erscheint. Die aus meiner Sicht unbegründete Angst, dass durch eine Verbreitung der Bienenkisten zunehmend Krankheiten unter den Bienenvölkern um sich greifen, lässt viele konventionelle Imker dieser Idee skeptisch gegenüberstehen. Oder müsste man eher von Unsicherheit gegenüber etwas Neuem sprechen, das sich da insgesamt in der Bienenhaltung abzeichnet?

      Über Bienenkrankheiten sprach ich mit Uwe bereits bei unserem ersten Treffen, das vor allem der gegenseitigen Bestärkung diente. Auch und vor allem über die Varroamilbe, die den Bienen zu schaffen machen konnte. Die Gespräche, die er bisher dazu mit Imkern geführt hatte, waren für ihn wenig erbaulich gewesen. Die meisten waren wie gesagt der Meinung, dass es unmöglich sei, ein Bienenvolk in einer Bienenkiste vernünftig gegen die Varroamilbe zu behandeln. Sie hielten es außerdem für fraglich, ob Bienen in einer solchen Kiste überhaupt durch den Winter gebracht werden konnten. Dabei zeigte die Erfahrung der Bienenkisten-Initiatoren, dass beides, Varroabehandlung und Überwinterung, mit der Bienenkiste sehr wohl möglich war. Schlimmer noch als die voreilige Ablehnung war für Uwe aber der Vorwurf, dass mit der Bienenkiste und dem vermeintlich unsachgemäßen Umgang mit der Varroamilbe die Bienenvölker benachbarter Imker gefährdet würden. Es half Uwe, dass ich der Bienenkiste und seinen Ideen gegenüber offen war, obwohl ich früher konventionell geimkert hatte. Aus meiner Perspektive bot die Bienenkiste sogar entscheidende Vorteile gegenüber der konventionellen Imkerei – aber dazu später mehr.

      Während des gesamten Gesprächs waren die Bienen um uns weiter ein- und ausgeflogen. Da die Sonne nun schon langsam unterging, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Die ganze Bahnfahrt über freute ich mich über das beseelende Gespräch mit Uwe. Mich hatte vor allem Uwes Einstellung beeindruckt, Bienen in seinem Garten beherbergen zu wollen, ohne dafür eine Gegenleistung in Form von Honig zu erwarten.

      Einige Wochen später trafen wir beide uns wieder an seiner Bienenkiste. Uwe hatte mittlerweile eine kleine Bank neben dem Flugloch aufgestellt. Somit saßen wir auf der Bank in der Frühlingssonne und konnten uns mit direktem Blick auf die Bienen über Selbige unterhalten. Es wirkte auf mich wie ein gemeinsames Gespräch in einer großen Runde mit den Bienen. Ein schöner Platz, an dem wir noch viele weitere, anregende Gespräche über die Bienen führen sollten. In der kurzen Zeitspanne, die zwischen unserem letzten und dem jetzigen Treffen vergangen war, war ich mit meiner Frau und unserem Sohn umgezogen. Wir wohnten nun in unmittelbarer Nähe zu meinem Arbeitsplatz. Dabei hatten wir das Glück, von einer Wohnung ohne Garten nun in eine Wohnung mit Gemeinschaftsgarten gezogen zu sein. Damit rückte für mich nun die Möglichkeit, selbst (wieder) Bienen zu beherbergen, in greifbare Nähe. Uwe sah das sofort: „Dann ist doch jetzt auch für dich eine Bienenkiste interessant!“ Darüber musste ich nachdenken. Sollte sich für mich jetzt tatsächlich wieder ein Weg ergeben haben, Bienen zu halten?

      Christoph ohne Bienen, das war lange Zeit ungewöhnlich gewesen. Mittlerweile hatte ich mich jedoch damit abgefunden, keine Bienen mehr zu haben. Würde ich jetzt noch einmal damit anfangen? Ein heimlicher Wunsch von mir war es sicherlich gewesen, irgendwann wieder einmal Bienen zu haben. Aber wirklich gewagt, nur daran zu denken, hatte ich bisher noch nicht. Doch jetzt gab es tatsächlich diese neue Möglichkeit für mich. Aber war eine Bienenkiste die Behausung, die ich mir für meine Bienen dann vorstellte? Klar war mir nur Eines: Es sollte keinesfalls wieder eine klassische Magazinbeute sein. Zunächst einmal scheute ich den materiellen und zeitlichen Aufwand, der mit dieser Art der Bienenhaltung einherging. Ich wollte mir diese ganzen Sachen nicht anschaffen und hatte auch gar keinen Platz für die Lagerung von Zargen, Rähmchen und Co. Aber das war es nicht allein. Ich hatte mir hin und wieder die Frage gestellt, ob es vielleicht sinnvoll wäre, statt zeitaufwendiger Eingriffe in das Bienenleben, den Bienen mehr Freiraum zu geben. Das würde mir nicht nur die zahlreichen Imkergriffe über das Jahr hin ersparen, sondern den Bienen vielleicht sogar guttun? Ich war mir darüber zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Klaren. Mir wurde jedoch zum ersten Mal bewusst, wie weit ich mich gedanklich schon von meinen Wurzeln, der konventionellen Imkerei, entfernt hatte. Wann genau das anfing, kann ich nicht genau sagen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr, das war mir klar.

      Als ich an diesem Abend im Bett lag und über das Gespräch mit Uwe nachdachte, schoss mir wie ein Geistesblitz eine Idee durch den Kopf: Eine Klotzbeute! Was für ein großartiger Moment, voller Energie und Licht! Ich denke, solche Momente, in denen einem eine Idee einfach so zufällt und sich als die einzig richtige Möglichkeit anfühlt, kennt jeder. Dabei hatte ich über die Idee in der Zeit, als ich noch Bienen hatte, schon einmal nachgedacht. Damals spielte ich mit dem Gedanken, mir neben den Magazinbeuten eine Art Klotzbeute zu bauen. Unter einer Klotzbeute versteht man in der Imkersprache einen ausgehöhlten Baumstamm, in dem ein Bienenvolk leben kann. Eine Klotzbeute entspricht also eigentlich fast der natürlichen Bienenbehausung, denn auch in freier Wildbahn leben Bienen in hohlen Baumstämmen. Der (fast) einzige Unterschied ist, dass der hohle Teil des