Shinobi - Dem Untergang geweiht. Danny Seel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Danny Seel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Shinobi
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783749736225
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Instinktiv fuhr der Fremde herum und parierte unvermittelt den Hieb seines Angreifers. Seine Lippen kräuselten sich zu einem höhnischen Lächeln, als er feststellte, dass sein Gegner die Frau des Jizamurai war.

      Er vernahm einen Schmerzensschrei und sah aus den Augenwinkeln, wie einer seiner Männer fluchend zurücksprang und nach seiner Schulter griff. Der Unbekannte erhaschte lediglich einen kurzen Seitenblick auf den zweiten Angreifer, denn die Frau attackierte ihn nun erneut. Rasch führte sie einen Schwertstoß durch, nach dem Hals ihres Widersachers zielend. Der Fremde wehrte den Stoß mit Leichtigkeit ab und, nach dem Austausch von vier oder fünf weiteren Schwerthieben, entwaffnete er die Frau. Vollkommen ungeschützt stand sie ihm nun gegenüber.

      „Kniet Euch dort hin“, befahl der Unbekannte und deutete auf die Strohmatte neben ihrem Mann. Während die Frau vorsichtig tat wie ihr geheißen, wandte er seine Aufmerksamkeit dem zweiten Gegner zu, der seinen Untergebenen verletzt hatte, und welcher jetzt entwaffnet in der Ecke des Zimmers stand. Als er diesen erblickte, schnaubte er amüsiert.

      „Du Knirps hast einen meiner Männer verwundet?“, lachte er und sah den Jungen an, der Iemitsus Sohn zu sein schien. Belustigt schaute er zu einem seiner nun verletzten Krieger herüber, der immer noch die Hand auf seine Wunde drückte. Der Blick dieses Mannes deutete auf puren Hass hin, als er den Jungen mörderisch anstarrte.

      „Lasst uns in Frieden!“, rief der Junge mit vor Zorn zusammengekniffenen Augen.

      Der Fremde sah ihn noch einmal an, bevor er ihm anerkennend zunickte. „Ich bin überrascht, dass du das Geschick und vor allem den Mut hast, einen meiner Männer anzugreifen und sogar zu verletzen.“ Er blickte Iemitsu an, der dem ganzen Vorgang still aber besorgt mit den Augen folgte. „Dein Vater hat dich gut trainiert, Junge … aber gut.“ Er ging einen Schritt auf den Jizamurai zu. „Zurück zum Thema, Samuraisan. Wo ist Ashida Shinzu?“

      „Ich werde ihnen nichts verraten!“, rief Iemitsu stur.

      „Sie stürzen einfach Ihre gesamte Familie ins Verderben“, seufzte der Unbekannte.

      Auf einmal sah Iemitsu, wie der verwundete Krieger auf seinen Sohn Bunjuro zuging.

      „Nein!“, rief er. „Lasst meinen Sohn da raus!“

      Doch es war zu spät. Der Junge war bereits schockiert aufgesprungen und wollte aus dem Zimmer rennen, doch der Maskierte kam ihm zuvor.

      „Neeeeiiiiin!“, schrie die Frau des Jizamurai, als sie sah, wie der Eindringling eine Klinge in die Brust ihres Sohnes stieß. Bunjuro riss weit die Augen auf und blickte seine Eltern ein letztes Mal an, bevor sein Lebensfunke erlosch und er tot zu Boden fiel.

      „Nein! Nein, nicht mein Sohn!“, brüllte die Frau und lief zu dem reglosen Jungen hinüber. „Bunjurokun!“, schrie sie, neben ihm auf die Knie fallend, und begann laut zu schluchzen. „Nein! Mein Sohn!“

      Iemitsu Kehle verschnürte sich. Er verspürte einen schmerzvollen Stich im Herzen und schloss trauernd die Augen. Der Fremde schien allerdings nichts von all dem mitzubekommen, denn er schaute den Jizamurai erneut an.

      „Wie oft muss ich …“ Er brach ab, denn wegen des Geheules der Frau konnte er kaum seine eigene Stimme hören.

      Sich an sie wendend, räusperte er sich. „Entschuldigen Sie mich, gnädige Frau, aber könnten Sie bitte etwas leiser trauern? Ich versuche hier gerade ein Gespräch zu führen.“

      Die implizite Drohung in seiner Stimme vernehmend, wurde sie etwas leiser, konnte ihr Schluchzen jedoch nicht vollständig unterdrücken.

      „Danke“, flüsterte der Fremde, bevor er sich gelassen an Iemitsu wandte. „Wie oft muss ich Sie noch fragen? Wir verschwenden einfach nur Zeit … und Menschenleben.“

      Der Jizamurai antwortete nicht sofort. Mit vor Schmerz verengten Augen blickte er seinen Peiniger an. „Weshalb wollt ihr wissen, wo mein Vater ist?“

      Der Blick des Unbekannten wurde todernst. „Vor einer langen Zeit überfiel die Armee des Generalen Ashida Shinzu eine Handvoll von Dörfern, obwohl sein Herr nicht den Befehl dazu gegeben hatte. In einem von diesen Dörfern lebte ich.“

      Er hielt kurz inne und Iemitsu schluckte, als er den Hass spürte, den dieser Mann ausstrahlte. Er ahnte bereits, was er nun sagen würde.

      „Euer Vater“, zischte der Fremde wütend, obwohl es ihm bis jetzt gelungen war, seine Fassung zu bewahren, „hat meine gesamte Familie ausgelöscht, als ich noch ein Kind war! Ich war der einzige Überlebende dieses Massakers. Er hat mein Leben ruiniert! Jetzt ist er an der Reihe …“ Schließlich konnte er sich wieder fassen. „Jetzt aber zurück zu meiner Frage.“

      Doch Iemitsu schwieg. Nun da er wusste, wieso der Unbekannte nach seinem Vater suchte, konnte er es ihm nun recht nicht verraten.

      „Immer noch so stur?“, fragte der Fremde gelassen.

      Auf einmal vernahmen sie Schritte und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden wurde der Tür zugewandt. Der Unbekannte lächelte boshaft, sobald er einen seiner Männer sah, der ein kleines Mädchen in den Raum hineinschubste, das nicht älter als vier oder fünf sein konnte.

      „Rinchan!“, schnappte die schluchzende Mutter des Kindes nach Luft, bevor sie flehend ihren Blick auf den Fremden richtete. „Bitte tut ihr nichts an!“

      Der Unbekannte schien sie jedoch gar nicht wahrzunehmen, denn er musterte das zitternde Mädchen, das ihn mit Tränen verschleierten Augen anstarrte. Er bemerkte, dass die Dämonenmaske ihr Angst einjagte, und nahm sie deshalb ab. Der Jizamurai erschauderte, als der fast kahle Schädel des Mannes, dessen Haut so blass wie die eines Geistes war, sichtbar wurde. Auf seiner Stirn konnte man eine Tätowierung sehen und unzählige Narben übersäten sein Gesicht.

      Obwohl sich Rin nun etwas beruhigte, schien ihre Furcht vor diesem Mann gar nicht zu schwinden. Im Gegenteil, sein Aussehen trieb ihr sogar noch mehr Angst ein. Gebannt verfolgte Iemitsu jede einzelne Bewegung des Fremden, der auf ein Knie ging und das kleine Mädchen zu sich winkte.

      „Komm her … Rinchan.“

      Langsam kam sie ihm näher, wobei sie gelegentlich zu ihren Eltern herüberblickte. Es war leicht zu erkennen, dass sie noch zu jung war, um zu verstehen, was um sie herum geschah. Der Unbekannte lächelte mit einem Hauch von Zuneigung und legte eine Hand auf Rins Schulter, bevor er Iemitsu anschaute.

      „Was für eine kleine, unschuldige Tochter ihr habt“, begann er mit einem listigen, spottenden Blick. Der Jizamurai bemerkte, wie sich das Messer in der Hand des Fremden, Rin langsam näherte. „Es wäre doch wirklich eine Schande, wenn diesem hübschen, kleinen Geschöpf etwas zustieße–“

      Plötzlich sauste das Tantō direkt auf Rins Hals zu.

      „Halt!“, brüllte Iemitsu.

      Die Hand des Unbekannten hielt abrupt an. Das Mädchen erschauderte, als der kalte Stahl ihren Hals berührte.

      Der Fremde sah mit einem triumphierenden Lächeln zu dem Jizamurai. „Jetzt seid Ihr bereit zu reden.“

      Resigniert senkte Iemitsu den Kopf. „Er lebt in Shikoku, an der südlichen Grenze zwischen den Provinzen Iyo und Sanuki, isoliert von anderen Dörfern und Städten.“

      Der Unbekannte lächelte zufriedengestellt. „Danke für die Information. Ich wusste ja, dass wir zu einer Einigung kommen würden.“ Bedrohlich trat er einen Schritt auf Iemitsu zu. „Jetzt brauche ich Sie nicht mehr.“

      „Nein!“, rief die Frau des Jizamurai, sobald ihr die Absichten des Fremden bewusst wurden.

      Blitzschnell zischte die Klinge des Unbekannten auf Iemitsus Hals zu und durchschnitt ihm die Kehle. Mit geweiteten Augen, die auf seinen Mörder geheftet waren, verließ ihn die Lebenskraft und er tat seinen letzten Atemzug.

      „Nein! Iemitsu! Nein!“, schluchzte seine Frau herzzerreißend, als sie diesmal zu ihm lief.

      Der Fremde schaute einfach gefühllos zu, bevor er seinen Männern ein Zeichen gab, ihm zu folgen. Das Zimmer verlassend,