Heute drückt mir einiges schwer aufs Gemüt. Ich habe das Gefühl, ich muss es loswerden, um nicht zu ersticken.
Aus vielen Städten hat man Leute zur Unterstützung der Wuhaner Bestattungseinrichtungen geschickt. Diese ehrenamtlichen Helfer posieren mit hochgereckten Fähnchen und schießen Erinnerungsfotos, die sie ins Netz stellen. Die Zahl der Helfer ist groß. Betrachtet man diese Fotos, weiß man nicht, wie einem geschieht; durchdrungen von Schmerz bis ins Mark sträuben sich einem zugleich die Nackenhaare. Danke für die Unterstützung, aber ich möchte hinzufügen: Nicht alle Angelegenheiten eignen sich für derlei fähnchenschwenkendes Getue. Unterlasst es bitte, uns derart in Schrecken zu versetzen.
Die Regierung fordert die Beamten auf, an die Basis zu gehen. Das ist löblich. Ich bin sicher, dass viele Beamte sich äußerst pflichtbewusst und gewissenhaft verhalten. Aber ich habe von einem Bekannten ein Video erhalten, das zeigt, wie eine Gruppe abgeordneter Helfer mit hochgereckten roten Fahnen anmarschiert kommt und dann vor diesen Fahnen Erinnerungsfotos schießt. Sie erwecken den Eindruck, eine Touristengruppe zu sein und keine Helfer, die in einem von der Epidemie schwer getroffenen Viertel Hand anlegen sollen. Nach dem Shooting werfen sie ihre Schutzkleidung in die Mülltonnen am Straßenrand. Der Bekannte fragt, was sie da eigentlich tun. Woher soll ich das wissen? Ich vermute, sie verhalten sich entsprechend ihren antrainierten Gewohnheiten. Dazu gehört, dass es jederzeit und überall genügt, einen Eindruck zu produzieren, der der Form genügt, um sich anschließend selbst auf die Schultern zu klopfen. Wenn Arbeit an der Basis zu ihren normalen Pflichten gehört, vergleichbar dem täglichen Dienstantritt, warum müssen sie dabei rote Fahnen schwenken?
Bevor ich noch den Absatz fertig geschrieben habe, poppt in der Kommilitonen-Chatgruppe ein neues Video auf, das einen noch anstößigeren Eindruck hinterlässt. Ich tippe darauf, dass es sich um die Inspektion eines Behelfskrankenhauses durch eine hochgestellte Persönlichkeit handelt. Eine Gruppe von einigen zig Personen, darunter Beamte, medizinisches Personal und vermutlich auch Patienten, steht vor in ihren Betten liegenden Kranken und singt lauthals »Ohne Kommunistische Partei gäbe es kein Neues China«. Gut, das Lied hat jeder parat, aber muss man es unbedingt in einem Krankensaal in voller Lautstärke zum Besten geben? Denkt irgendjemand an die Gefühle der auf ihren Betten liegenden Kranken, die sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert haben? Die unter Atembeschwerden leiden?
Warum ist diese Epidemie in Hubei so verheerend? Wie kommt es, dass Beamte der Provinz von Netizens denunziert werden? Warum kommt es bei den in Hubei ergriffenen Maßnahmen wieder und wieder zu massiven Pannen? Auf Schritt und Tritt werden Fehler begangen, die der Bevölkerung zusätzlich neues Leid bescheren. Macht sich denn noch immer keiner darüber Gedanken? Noch immer ist keine Wende in Sicht, leiden die Menschen noch immer, ist die Bevölkerung noch immer in ihre vier Wände eingesperrt. Ist das der richtige Zeitpunkt, um rote Fahnen zu schwenken und Lobgesänge zu schmettern?
Ich füge hinzu: Erst wenn Funktionäre an die Basis gehen, ohne Fahnen zu schwenken und Erinnerungsfotos zu schießen, wenn bei Inspektionen politischer Führer niemand mehr mit dem Absingen von Liedern seine Dankbarkeit bezeugt, wenn niemand mehr Schmierentheater spielt, dann, liebe Leute, werdet ihr ein paar grundlegende Selbstverständlichkeiten begriffen haben, dann habt ihr verstanden, was konkrete Arbeit bedeutet. Andernfalls wird das Leid der Bevölkerung nie ein Ende nehmen!
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