Das taten wir.
Im nächsten Augenblick wurde die Tür geöffnet.
„Ich hatte bereits mit Ihren Kollegen Caravaggio und Medina zu tun. Vielleicht haben Sie beide ja bessere Manieren.“
Ich lächelte. „Ehrlich gesagt hat daran noch kaum jemand etwas auszusetzen gehabt“, erwiderte ich. „Dürfen wir hereinkommen? Es wird sicher nicht lange dauern.“
Sie atmete tief durch. Dann machte sie eine Handbewegung. „Kommen Sie! Lasse Sie die Tür einfach ins Schloss fallen. Hier geht alles vollautomatisch.“
Sie führte uns in ein sehr großes Wohnzimmer. Die Aussicht auf den Carl Schurz Park und den Hudson war phantastisch. Man konnte bis hinüber nach Queens blicken.
„Schon eigenartig, dass wir Sie hier antreffen“, sagte ich. „Wir wollten uns eigentlich mit Mister Barros unterhalten.“
„Ray ist im Moment geschäftlich unterwegs. Genaueres kann ich Ihnen nicht sagen. Sie müssen sich also gedulden.“
„Haben Sie den 22er Revolver, den Ihnen meine Kollegen in O’Rourkes Wohnung abgenommen haben, von Barros?“
Sie sah mich verdutzt an. „Wie kommen Sie denn darauf?“
„Ist doch ziemlich naheliegend. Die 45er mit der O’Rourke umgebracht wurde und Ihr 22er wurden beide während einer nie wirklich geklärten Schießerei im Club ‚Abraxas’ benutzt, wie unsere Ballistiker herausgefunden haben.“
„Ihre Kollegen haben mir das mindestens schon zehn Mal unter die Nase gehalten, aber ich habe weder mit der Schießerei etwas zu tun, noch weiß ich überhaupt, worum es da ging!“
„Aber Sie kennen die einzige Person, die damals angezeigt wurde ziemlich gut: Ray Barros! Ich kann da ehrlich gesagt nicht an einen Zufall glauben, Miss Vistano. Und jetzt heraus mit der Sprache, woher kam die Waffe?“
„Ich möchte, dass mein Anwalt dabei ist“, sagte sie schließlich nach einer etwas längeren Pause.
„Das können Sie haben. Ich schlage vor, wir fahren zur Federal Plaza.“
„Wollen Sie das ganze Theater wirklich von vorne beginnen?“, fragte sie. „Morgen bin ich erneut auf Kaution draußen und Sie haben nicht das Geringste in der Hand gegen mich oder Ray.“
„Packen Sie einfach aus, dass ist auch für Sie das Beste“, sagte ich.
„Ihr Kollege Caravaggio hat in dieser Hinsicht schon bei mir auf Granit gebissen.“
„Ich zähle jetzt einfach mal zwei und zwei zusammen. Mister Barros werden Verbindungen zum Drogenhandel nachgesagt.“
„Mister Barros ist ein Geschäftsmann, Agent Trevellian!“
„Barros hat Sie auf O’Rourke angesetzt. Warum? Sollten Sie irgendwelches Beweismaterial verschwinden lassen, als Sie in O’Rourkes Wohnung aufgegriffen wurden? O’Rourke soll Kriminelle erpresst haben. Vielleicht hatte er auch etwas gegen Barros in der Hand.“
„Das ist Unsinn!“
„Dann kam es zum Streit und er hat seine Erpresser aus dem geräumt – oder räumen lassen!“
„Agent Trevellian, das sind nur haltlose Verdächtigungen! Sie haben noch nicht einmal einen Durchsuchungsbefehl!“
„Aber den bekommen wir, nachdem wir Sie hier angetroffen haben“, mischte sich Milo ein. „Ich werde mal mit dem Field Office telefonieren.“
„Warten Sie!“, rief Christine. Sie atmete tief durch und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. „Ich werde Ihnen einiges erklären“, versprach Sie. „Aber wenn Ray zurückkommt und hier alles von Ihren Leuten durchwühlt wurde, bekomme ich großen Ärger!“
„Dann reden Sie!“
„Ich weiß, dass Sie das mir jetzt nicht glauben werden, aber meine Beziehung zu Brian O’Rourke war tatsächlich eine Liebesbeziehung. Wir haben uns in einer Bar kennen gelernt und es hat gleich gefunkt. Für ein paar Monate waren wir ein Herz und eine Seele. Brian war ziemlich niedergeschlagen, als man gegen ihn wegen Erpressung von Informanten und dergleichen ermittelte und er schließlich sogar das Revier wechseln musste. Er war von ganzer Seele Polizist! Dass wir Streit miteinander hatten, habe ich Ihnen ja gesagt. Wir trennten uns. Ich behielt aber noch einen Haustürschlüssel. Irgendwie schob ich es immer wieder vor mir her. Es waren auch noch ein paar private Sachen bei ihm in der Wohnung, die ich eigentlich hätte abholen müssen, aber ich scheute mich, diesen endgültigen Schlussstrich zu ziehen.“
„Und dann sind Sie gleich zu Ray Barros übergelaufen? Erzählen Sie uns keinen Mist. Wir können den Security Service hier im Haus dazu befragen, seit wann Sie eine Chip Card für die Wohnung von Mister Barros besitzen.“
Sie schwieg einige Augenblicke lang.
„Was wollen Sie mir eigentlich vorwerfen? Ich habe diese Chip Card vor zwei Wochen bekommen. Da können Sie gerne den Security Service befragen.“
„Das werden wir!“, versprach ich. „Verlassen Sie sich darauf!“
17
Die Wohnungsdurchsuchung bei Ray Barros wurde richterlich genehmigt. Der Verdacht, dass sich die Tatwaffe vielleicht in Ray Barros Wohnung befand, erschien schwerwiegend genug, um eine derartige Maßnahme durchzuführen. Die Kollegen Josy O'Leary und Fred LaRocca trafen etwas später in Barros’ Wohnung ein und reichten den schriftlichen Befehl nach. Außerdem halfen sie uns dabei, Barros’ Traumetage auf den Kopf zu stellen.
Christine Vistano bestand darauf, ihren Anwalt anzurufen.
Als wir beinahe fertig waren erschien Mike Bandella zusammen mit Ray Barros, der von Bandella wohl inzwischen verständigt worden war.
Barros – ein großer, breitschultriger Mann mit Kinnbart und dunklem Teint – war tiefrot angelaufen. Es war ihm anzusehen, wie sehr er sich beherrschen musste, um nicht seinen Gefühlen mit den Fäusten freiren Lauf zu lassen.
„Mein Mandant wird gar nichts zur Sache sagen und protestiert gegen die Durchsuchung!“, sagte Bandella.
Schließlich waren wir fertig. Jeden Winkel der Wohnung hatten wir durchsucht. Selbst Wände waren abgeklopft und auf Hohlräume untersucht worden. Aber wir hatten nichts gefunden.
Barros Stimmung wurde im Lauf der Zeit etwas entspannter.
McKenzie rief mich zwischenzeitlich auf dem Handy an.
„Agent Trevellian?“
„Am Apparat.
„Hier McKenzie. Ich kann den Termin in Billy’s Coffee Shop an der Suffolk Street nicht wahrnehmen. Tut mir Leid.“
„Hören Sie, Mister McKenzie, das ist kein Spaß, was wir da machen. Wir versuchen den Mord an Ihrem Kollegen aufzuklären und sind dabei dringend auf Ihre Mithilfe angewiesen.“
„Ich weiß und ich bin ja auch völlig auf Ihrer Seite, Agent Trevellian.“
„Dann verstehe ich nicht, wie…“
„Ein dringender privater Termin, der sich nicht aufschieben lässt. Wir treffen uns morgen früh im gleichen Coffee Shop. Sagen wir gegen zehn. Ich habe mir zwei Tage Urlaub genommen. Wir haben also Zeit genug.“
Die Verbindung wurde unterbrochen.
„Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser McKenzie gar nicht so einen großen Wert darauf legt, sich mit uns zu unterhalten!“, lautete Milos Kommentar, der zumindest meinen Anteil am Gespräch mit angehört hatte.
Ich