Haus im Grünen II. Ernst Friedrichsen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Friedrichsen
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347126497
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er wusste, wann die Schule zu Ende war. Aber er war nicht zornig, wie die meisten. Er holte uns ins Haus und zeigte uns eine Art Bühne, auf der war mit kleinen Figuren die Geschichte der Bibel nachgestellt. Wir verpassten sogar unseren Bus, so spannend hatte er die Geschichten gemacht. Wir machten von da an weniger Streiche, weil wir oft bei den beiden waren. Ein Drittel der Stube machte die Bühne aus. Wir haben den Auszug der Israelis aus Ägypten immer wieder nachgespielt. Mich würde interessieren, ob es die Bühne noch gibt. Der Mann hatte auch aus der Bibel vorgelesen, ich denke, das hat meinen weiteren Weg beeinflusst und wohl dazu beigetragen, dass ich zur Polizei gegangen bin, wer weiß? Ist schon komisch, wie sich Dinge durch Ereignisse beeinflussen lassen. Oh, ich werde melancholisch.«

      Sie sah ihn an und schmunzelte. »Es hat etwas Romantisches. Ich sehe einen kleinen Buben in kurzer Hose durch die Straßen rennen. Du warst bestimmt ein frecher Fratz. Deswegen liebe ich dich.« Sie küsste ihn auf die Wange.

      »Die beiden sind mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Ist schon seltsam … Jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme, sehe ich sie vor mir, mit ihren grauen Haaren und abgetragenen Sachen. Ich war hier zu Hause wie sonst nirgends. Im übertragenen Sinne natürlich.«

      Sie sah ein wenig Feuchtigkeit in seinen Augen.

      Er parkte den Wagen auf dem Marktplatz. »Von hier gehen wir das Stück zu Fuß.«

      »Ihr stapelt Schweine? Ist das eine andere Form von Hochstapelei?«, lachte sie ihn an und zeigte auf den Brunnen, der dem Platz einen Blickpunkt lieferte.

      »Nein, Bredstedt ist durch die Schweine zu dem geworden, was es ist. Das erzähle ich dir später mal. Jetzt wollen wir Eis essen.«

      »Hätte ein Schwein nicht genügt? Musste man die denn stapeln?«

      Er gab ihr die Hand und sie schlenderten durch die Stadt, bis sie vor dem Eiscafé standen.

      »Bleiben wir draußen oder gehen wir rein?«

      »Draußen ist gut«, sagte sie.

      Sie machte einen entspannten, lockeren Eindruck. Als seien die Ereignisse der vergangenen Wochen verflogen. Er hatte es sich zum Ziel gemacht, dass sie glücklich sein sollte. Er hatte sich vorgestellt, dass sie in den Innendienst wechseln und somit aus der Gefahrenzone kommen würde. Nur … wie sollte er ihr das plausibel machen? Sie hatte einen eigenen Kopf. Und ihren eigenen Ehrgeiz. Klar, dass er an der vordersten Linie bleiben würde, um dem Bösen die Stirn zu bieten. Würde er ihr das vorschlagen, nähme sie ihn bei den Ohren, legte ihn übers Knie und versohlte ihm den blanken Hintern – und das auch noch mit Genuss. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz flauschig im Bauch und er lächelte unbeabsichtigt.

      »Ist etwas lustig?« Sie sah ihn an.

      »Nein, ich stellte mir nur gerade vor, dass du mich übers Knie legst.«

      »Warst du denn unartig?«

      »Willst du mich heiraten?«, fragte er zum zweiten Mal.

      Ihre Augen ruhten aus seiner Sicht auf einem Berg Himbeereis, aufgegangen wie zwei Sonnen, die ihn anstrahlten. Ihr Mund war wegen Eiszugang geschlossen.

      Wegen ihm hatte sie Knut stehen lassen, den Ring fast am Finger. Ob sie die Liebe ihres Lebens hatte laufen lassen, oder sie nun gefunden hatte? Das war die Frage. Vor ihr saß die Sehnsucht. Zwischen ihr und ihm schmolz das Eis.

      »Wenn wir uns nicht beeilen, können wir das Eis trinken.«

      »Ja«, sagte sie.

      »Was, ja?«, fragte er erwartungsvoll.

      »Ja, wir müssen uns beeilen.« Sie ließ ihn zappeln. Das Beste am Angeln, ist das Zappeln der Fische.

      Er schaute auf die Uhr.

      »Haben wir es eilig?«

      »Nicht direkt, wir sind zum Essen eingeladen.«

      »Soll ich mich beeilen?«

      »Nein, wir haben noch Zeit.« Er wollte nicht, dass sie aufhörte ihr Eis zu essen.

      Sie machte eine spitze Schnute beim Zergehenlassen der kalten Köstlichkeit auf ihrer Zunge. Sie könnte sich allerdings auch die Fußnägel schneiden und er wäre begeistert von ihr.

      »Wir können, wenn du willst«, sagte sie schließlich mit einem zufriedenen Lächeln.

      Er fuhr durch die Köge zum Deich, einen Blick auf die Nordsee werfen. Es war nur gerade Ebbe, das hatte er nicht bedacht.

      Sie standen auf der Deichkrone, der Wind war stark und kalt und blies ihnen ins Gesicht; sie kniff die Augen zu einem Spalt zusammen, breitete die Arme aus. »Ein gutes Gefühl, wenn der Wind so durch die Klamotten bläst. Hier ist aber auch ein raues Wetter.«

      »Ja. Raues Wetter, raue Menschen, weiche Herzen. Lass uns nicht zu lange im Wind stehen, du bekommst noch einen Schnupfen. Du bist für den Wind zu dünn angezogen. Wir nehmen uns beim nächsten Mal mehr Zeit, wenn Flut ist. Dann könnten wir auch baden.«

      Im Auto, das von der Sonne aufgeheizt war, merkte sie erst, wie kalt ihr geworden war. Ein Frösteln überzog ihren Körper. Sie schüttelte sich: »Brrr … ist mir kalt geworden.«

      »Ja, meine Schuld. Ich hätte dich nicht in den Klamotten auf den Deich lassen sollen. Tut mir leid. Man schätzt den Wind immer falsch ein. Nur weil man ihn erfrischend findet, merkt man nicht, dass man auskühlt.« Er rieb ihr den Rücken. Erst kräftig, dann immer zärtlicher.

      Nach einer Weile brummte sie: »Wenn ich eine Katze wäre, würde ich nun mit dem Schnurren beginnen.« Sie tauschten zärtliche Blicke. »Bei wem sind wir denn zum Essen eingeladen?«

      »Bei meinen Eltern, die möchten dich gerne kennenlernen.«

      »Dann bin ich nicht richtig angezogen. Das Kleid ist zu dünn.

      Hätte ich das gewusst, dann hätte ich eine Hose angezogen. In diesem Kleid fühle ich mich nicht wohl.«

      »Du siehst doch gut aus … Ich finde, es steht dir.«

      »Du verstehst mich nicht.«

      »Es ist doch nichts Festliches, nur lockeres Beisammensein. Nur normales Mittagessen. Nun schau mich nicht so böse an. Aber ich weiß echt nicht, was daran verkehrt ist, was du trägst.«

      »Durch dieses Kleid scheinen im Gegenlicht die Beine durch, in Gesellschaft passt das nun einmal nicht.«

      »Du hast ja recht, ich hätte es dir sagen sollen. Entschuldige. Aber meine Schwester hat bestimmt eine Hose, die dir passen könnte.«

      Sie sah ihn nachdenklich an.

      »Es ist nichts Feierliches oder so«, versuchte er sie zu beruhigen.

      »Es sind deine Eltern«, fauchte sie ihn an.

      »Ist gut, ich verstehe. Soll ich absagen?«

      »Nein, deine Mutter rechnet doch mit uns und hat bestimmt danach gekocht. So kurz sagt man nicht mehr ab. Du hast es ja auch nur gut gemeint und, wie Männer nun mal sind, nicht nachgedacht. Ich fühle mich nur überfahren und das mag ich nicht.«

      »Ich gelobe Besserung.« Er hob die Hand zum Schwur.

      Sie fuhren durch ein paar Köge.

      »Sind die Dächer mit Absicht in Grün gehalten?« Sie zeigte mit dem Finger auf die Höfe.

      »Das ist auch eine Geschichte für sich. Es heißt, dass einer nach Südafrika gegangen ist und dort reich wurde. Mit seiner Hilfe wurde dieser Koog errichtet und im Gedenken an ihn, sind die Dächer grün. Da, wo er in Afrika war, sind die wohl auch grün, deshalb ist das hier so.«

      »Hier bist du zu Hause?«

      »Einen Koog weiter bin ich geboren.«

      Sie staunte nicht schlecht. »Ein ansehnliches Anwesen«, sagte sie bewundernd.

      »Steckt eine Menge Arbeit von fleißigen Menschen drin. Die lange Dürre, die da Pferde an der Leine führt, ist meine Schwester. Margot. Ich werde sie fragen.«