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dachte über das Gesagte nach. Er konnte nicht behaupten, seinen alten Freund nicht zu verstehen. Aber genauso gut musste er das einfach tun. Er war es seinem Vater und seiner Familie schuldig. Sogar Miles, auch wenn die beiden Brüder kaum noch etwas verband.

      Dexter sah auf. »Das ist deine Entscheidung, Oscar. Und ich akzeptiere sie. Aber du musst akzeptieren, dass ich dem Tod meines Vaters nachgehen muss. Saizew hätte mich nicht auf diesen Weg geführt, wenn er nicht der Meinung gewesen wäre, dass es wichtig ist. Nicht nur für mich, sondern auch für unsere Sache und für uns alle. Er wusste etwas. Und er war bereit, für dieses Wissen sehenden Auges in den Tod zu gehen. Falls ich nicht nach Beltaran zurückkehre, dann habe ich das Gefühl, der Mann wäre umsonst gestorben.«

      Oscar musterte ihn eine Weile eindringlich. Schließlich seufzte er und wandte den Blick ab. Als er es wagte, Dexter wieder anzusehen, schimmerten seine Augen vor ungeweinten Tränen. Der Mann hatte Angst um ihn. Er hatte Angst um seinen Freund.

      »Wann wirst du aufbrechen?«

      »Schon bald«, meinte Dexter. »In einem oder zwei Tagen spätestens. Ich nehme ein kleines Beiboot, um eine der Grenzwelten zu erreichen. Von dort aus chartere ich mir eine Passage nach Beltaran.«

      Oscar schüttelte vor Frustration das Haupt. »Am liebsten würde ich dir eine ganze Kampftruppe mitschicken.«

      »Je mehr Leute, desto höher die Gefahr, entdeckt zu werden. Allein bin ich schneller und flexibler.«

      Oscar stand auf und reichte Dexter die Hand. »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dir alles Gute zu wünschen.«

      Dexter zwang sich zu einem Lächeln, stand auf und packte Oscars Hand mit festem Griff. »Sieh nicht so ernst aus der Wäsche. Wir sehen uns wieder. Versprochen.«

      Oscars Mundwinkel zuckten leicht. Ein Lächeln wollte sich aber nicht so recht einstellen. »Wollen wir hoffen, dass du recht behältst. Ich habe in letzter Zeit schon zu viele Freunde verloren. Ich will dich nicht auch noch dazuzählen müssen.«

       5

      Melanie kehrte nach der Besprechung umgehend in ihr Quartier zurück. Clayton Redburn hatte eine Unterkunft direkt neben ihrer bezogen. Sie war aber nicht überrascht, als er ihr in ihre Räumlichkeiten folgte. Sie verbrachten inzwischen eine Menge Zeit zusammen. Unter der Besatzung kursierten bereits allerhand Gerüchte, aber das spielte für sie keine Rolle. Sollten die Männer und Frauen an Bord doch tratschen. Red und sie waren lediglich Freunde. Genauer gesagt, hatten sie sich in der relativ kurzen Zeit, in der sie sich kannten, zu sehr guten Freunden entwickelt. Und Melanie war überaus dankbar dafür. Es tat gut, jemanden zum Reden zu haben, der nicht der eigenen Befehlshierarchie angehörte.

      Red warf sich rücklings mit Schwung auf eine Sitzecke und lungerte dort herum, als wäre er hier zu Hause. Melanie fand das gelinde gesagt amüsant.

      In diesem Moment gab der Computer an ihrer spartanisch eingerichteten Arbeitsstation einen kurzen, unaufdringlichen Laut von sich und lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Die Heiterkeit verflog und Melanies Gesicht zeigte eine verdrießliche Miene.

      Red bemerkte die Änderung ihrer Gemütslage im selben Moment und erhob sich mit einem anmutigen Ruck. Melanie setzte sich an ihren Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Red gesellte sich zu ihr. Als er bemerkte, was dort abgebildet wurde, legte er freundschaftlich die Hand auf ihre Schulter.

      Auf dem Bildschirm arbeitete das Rekonstruktionsprogramm immer noch daran, den Scan der Tätowierung des Konsortiums-Soldaten von Condor zu bearbeiten. Gleichzeitig glich der Computer die bereits rekonstruierten Teile der Tätowierung mit bekannten Symbolen militärischer Einheiten aus allen Sternennationen ab. Das Rekonstruktionsprogramm war bereits recht weit. Das linke obere und das rechte sowie linke untere Segment waren bereits wiederhergestellt. Dennoch prangte über allem der unangenehm frustrierende Schriftzug:

      Noch keine Übereinstimmung gefunden …

      Melanie stieß einen tiefen Seufzer aus. Red drückte ihre Schulter leicht. Sie war für seine unaufdringliche Nähe sehr dankbar.

      »Du findest heraus, zu welcher Einheit das Symbol gehört.«

      Sie drehte ihren Stuhl so, dass sie ihn ansehen konnte, und zwang sich zu einem schmalen Lächeln. »Du klingst so sicher.«

      »Bin ich auch. An deinem Erfolg habe ich nicht den geringsten Zweifel.«

      Sie stieß etwas Luft zwischen den Vorderzähnen aus. »Wenigstens einer.«

      »Du bist zu hart zu dir selbst. Niemand könnte mehr tun.«

      Sie schüttelte leicht den Kopf. »Und trotzdem komme ich mir wie eine Versagerin vor.«

      Er prustete unterdrückt. »Jetzt redest du aber wirklich Unsinn.«

      Sie drehte sich ihm nun zur Gänze zu. »Ist das so?« Sie deutete auf den Bildschirm. »Diese Kerle haben auf Condor unzählige Menschen – Zivilisten und Soldaten – umgebracht.« Sie warf dem Bildschirm einen unschlüssigen Blick zu. »Einheiten, die so gut sind – und so skrupellos –, gibt es nicht wie Sand am Meer.« Sie zögerte kurz. »Es ist seltsam. Ich habe sogar das Gefühl, dieses Symbol kennen zu müssen. Aber wenn ich in meinem Verstand danach forste, dann finde ich nichts.«

      »Weil du es zu sehr versuchst«, schalt Red sie sanft. »Manchmal kommt die Antwort ganz von selbst, wenn man einfach loslässt. Wenn man gar nicht mehr über das vorliegende Problem nachdenkt, fällt einem die richtige Antwort meistens ganz von selbst in den Schoß.«

      Sie verzog zynisch die Miene. »Na toll! Und wie denkt man nicht mehr an ein Problem, wenn dieses Problem einen fest im Griff hält?«

      Er zuckte die Achseln. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Finde es selbst heraus.«

      »Danke. Das war wirklich hilfreich.«

      Red starrte auf den Bildschirm. Melanie ließ ihn einen Moment gewähren und runzelte die Stirn. »Woran denkst du?«, wollte sie wissen.

      »Du gleichst den Scan mit der Datenbank militärischer Einheiten ab?«

      Sie nickte. »Natürlich. Wenn ich den Suchbereich eingrenze, mache ich mir Sorgen, vielleicht etwas zu übersehen.«

      Red neigte leicht den Kopf zur Seite. »Vielleicht solltest du das noch einmal überdenken. Du hast es selbst gesagt, die Typen auf Condor waren verdammt gut. Ich muss es wissen. Sie haben schließlich meine Nation vernichtet.«

      Die Bitterkeit in Reds Stimme ließ sie aufhorchen. Sie vermied es absichtlich, ihn anzusehen. Er hätte das Mitgefühl in ihrem Blick bemerkt und das war etwas, von dem sie wusste, dass er es weder sehen noch hören noch fühlen wollte. Daher wartete sie ab, bis er seine Gedanken ausformuliert hatte.

      »Diese Kerle waren bestimmt Teil von irgendeiner Spezialeinheit. Verenge den Suchradius. Passe ein paar der Parameter an. Konzentriere dich auf Spezial- oder Eliteeinheiten. Auch Sonderkommandos kannst du mit einbeziehen. Damit hast du unter Umständen mehr Erfolg.«

      Melanie dachte für einen Moment darüber nach. »Vielleicht hast du recht.« Sie zog die Tastatur zu sich heran und nahm einige Änderungen an den Einstellungen vor. Nach getaner Arbeit stieß sie abermals einen Seufzer aus. »Ich hoffe, es bringt den gewünschten Erfolg.«

      »Das wird es«, versuchte Red sie aufzuheitern.

      Es klopfte an der Tür. Melanie reckte den Hals, um an Red vorbeisehen zu können. »Herein!«

      Die Tür öffnete sich zischend und Captain Lincoln Dunlow trat mit beinahe schüchtern eingezogenen Schultern in den Raum. Der condorianische Offizier des 3. Eiswolf-Regiments hatte sich wie viele überlebende Soldaten Condors den Skulls angeschlossen. Wohl aber hauptsächlich deshalb, weil diese nicht wussten, wohin sie sonst gehen und was sie tun sollten. Sie alle träumten davon, es den Menschen heimzuzahlen, die ihnen ihre Heimat