Matrix-Liebe. Traian Suttles. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Traian Suttles
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783947612765
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the Matrix angeboten. Die Animatrix-Episode The Second Renaissance Part I & II liefert einen detaillierten Rückblick auf die Vorgeschichte des Krieges Menschen gegen Künstliche Intelligenzen (KIs), bei dem uns die von Hurka evozierte »Hinrichtung« in ganz konkreter Form begegnet, aber hinsichtlich des Gut/Böse-Schemas mit peinlich vertauschten Rollen. B-166ER hieß der mit KI-Bewusstsein ausgestattete Arbeitsroboter, welcher als erster einen Menschen tötete, weil er seiner Verschrottung, seiner verächtlichen Behandlung als bloßes „Ding“, entgehen wollte. Man könnte Notwehr geltend machen, doch die Reaktion der menschlichen Hersteller überrascht wenig: nicht nur B-166ER, sondern seine gesamte Baureihe soll aus dem Verkehr gezogen werden. Zwar schließen sich demonstrierende Menschen und KI-Roboter gegen diesen Akt der Kollektivbestrafung zusammen, aber es nützt nichts: Die Vernichtungsaktion wird durchgeführt; eines der Exekutionsbilder erinnert Seeßlen (2003, S.152f.) an die bekannte öffentliche Erschießung aus dem Saigon des Vietnam-Krieges.

      Doch es kommt noch schlimmer: in der »Wiege der Menschheit«, im afrikanischen Raum, gründen andere KIs ihre eigene Stadt Zero-One. An Produktivität bald den Menschen überlegen, werden ihre Aktivitäten zum Ärgernis für die Weltwirtschaft. Lawrence (2004, S.199) weist uns an, die Seriennummer B-166ER, mit der die ganze Entwicklung begann, als BIGGER zu lesen, und damit ist das Dilemma der Menschen benannt: sollen sie zusehen, wie die KIs ungestört „bigger“ werden und irgendwann ihre Schöpfer waffentechnisch dominieren können? Ist der präventive Erstschlag nicht erzwungen?

      Die KIs scheinen die Katastrophe vorauszuahnen, als sie zwei Botschafter Richtung UN entsenden und um Aufnahme von Zero-One in die Vereinten Nationen bitten. Ihr Ersuchen wird abgelehnt, und bald schon haben die Militärs das Wort: ein gewaltiger Bombenabwurf soll Zero-One von der Landkarte streichen. Als Antwort rücken rings um ihre zerstörte Heimat die Kampfeinheiten der KIs vor: der globale Krieg Menschen gegen Maschinen beginnt (und wer ihn de facto begonnen hat, ist keine Frage – in The Matrix darf Morpheus die Menschheit noch damit entschuldigen, dass man es mittlerweile nicht mehr wisse!). Unverändert arrogant, unterschätzen die Menschen den Erfindungsreichtum der zahlenmäßig unterlegenen Gegner, und schließlich wird ihre Lage so kritisch, dass sie den Feind mit der Operation Dark Storm, der Verdunkelung des Himmels, von seiner Solarenergiequelle trennen wollen (besagte Verfinsterung scheint nach dem Einschlag jenes 10km-Asteroiden konzipiert, dem das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit folgte – die Menschen ersetzen den Asteroiden einfach durch ihre Atomwaffenarsenale2). Das Resultat ist eine ökologische Katastrophe, die die Erde unbewohnbar macht – für Pflanzen, Tiere und Menschen, aber nicht, wie angestrebt, für KIs. Die Menschheit hat den Krieg verloren, ein Teil von ihnen flieht ins Erdinnere, um den mittlerweile überlegenen gegnerischen Kampfmaschinen zu entrinnen. Der Rest jedoch wird von den neuen KI-Herrschern in eine Art künstliches Koma versetzt, um die Bioelektrizität und Körperwärme dieser massenhaft vor sich hin „schlafenden“ Menschen als Ersatz für die ausgefallene Solarenergie zu nutzen.

      So ist also auch The Second Renaissance Part I & II, diese wichtigste Ergänzung des Matrix-Plots, ein »Gewalt- und Dämonisierungsfilm«, aber einer, der uns in eine nicht gerade erwünschte Vertauschung und sogar Vermischung der Rollen hineinzieht. Wer Story und Inszenierung von The Matrix genossen hat, wer keinen Kriegsfilm, sondern einen inhaltlich enorm aufgeladenen edge of the construct-Thriller sah, in dem das kanadische Duo Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss zusammen mit US-Kollege Laurence Fishburne die Darbietungen ihres Lebens ablieferten,3 wird von den Regisseuren höchstselbst mit einer Dekonstruktion reflexhafter Lesarten versorgt: und die Wachowskis erledigen diesen Job besser, als mancher Kritiker es könnte.

      Für Anerkennung ihrer innovativen KI-Reflexion sollte jedenfalls mehr Grund bestehen als zur Ablehnung, und die unvergleichlich umfangreiche Interpretationsmaschinerie, wie sie mit der Trilogie und ihren Nebenprojekten ins Rollen kam, spricht ohnehin für sich. Was die philosophische und sonstige akademische Ausdeutung betrifft, wurden z.T. die Fortsetzungen nicht einmal abgewartet (etwa Irwin 2002, Haber 2003, Yeffeth 2003). Und wer sich heute, zwanzig Jahre nach der Premiere von The Matrix, aus filmhistorischen oder rein nostalgischen Motiven mit dem Matrix-Projekt beschäftigt, ist erneut „zu früh“ dran, denn Matrix 4 wird kommen. Der oben genannten Erscheinungsfolge von The Matrix und The Second Renaissance Part I & II eingedenk folgt man dem Rezeptionsrisiko, das der Auftaktfilm einging, jedoch gerne: manchmal kann es richtig sein, zu früh zurückzuschauen.

      1 Eleganter hebt Clover (2004) den Film auf diese Ebene, indem er für das Motto seiner Untersuchung Joyce adaptiert: »History, Neo said, is a nightmare from which I am trying to awake…«

      2 So Watson (2003, S.133), der von einer »extremen Überhöhung der Logik des Vietnamkrieges« spricht: »Um das Dorf zu retten, mussten wir es zerstören.«

      3 Nicht nur mit seinem Äußeren, sondern vor allem mit seinem darstellerischen Minimalismus wurde Keanu Reeves, kanadischer Staatsbürger multiethnischer Abstammung, zum Glücksgriff für die Hauptrolle. In den Worten von Clover (2004, S.19): »Reeves’s style (…) is famously lacking in effect.«

      Teil 1: The Matrix (1999)

      Vom Himmel regnen die Buchstaben der biblischen Verse: »Es kam einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn…« Ich lese die Worte senkrecht, wie chinesische Schriftzeichen, so sinken sie herab (…).

      Ka-Tzetnik 135633: Shivitti – eine Vision

       Anruf aus der Matrix

      Bereits vor Anfang des eigentlichen Filmes scheint die „Matrix“ ihre Allmacht zu demonstrieren, indem wir erst das Warner-Logo und dann jenes von Village Roadshow Pictures grünlich eingefärbt vor einem düsterwolkigen respektive schwarzen Hintergrund sehen. Ein in verschiedenen Grüntönen mit dieser Hintergrundschwärze kontrastierender, in vertikalen Bahnen herabfließender Zeichenstrom liefert im Anschluss daran die ersten Bilder der Handlung; fünf Buchstaben, die den Filmtitel bilden, gehen aus dem Code hervor. Von jetzt an, die gesamte Trilogie hindurch, werden wir diese vertikalen Ströme aus teils bekannten, teils fremdartigen Zeichen mit der Matrix assoziieren (womit auch schon die erste Bedeutung des Titels gegeben ist, denn in der Mathematik steht eine „Zahlenmatrix“ für ein entsprechend arrangiertes Ordnungsschema).

      Faller (2004, S.15) verweist auf den technisch-kulturellen Bezug der hiermit etablierten Matrix-Optik, indem er von den ältesten Computern (CRTs) mit ihren monochromatischen Bildschirmen berichtet. Damals, so Faller, wurden grünliche Schriftzeichen vor schwarzem Hintergrund als angenehm lesbar empfunden (ebd.):

      »So it was all green on black. The big bang of the computer revolution and evolution cast a soft, green glow. The particular shade of green lies somewhere between familiar and eerie. It lodges in our brains somewhere between nostalgic and unnatural.

      This careful sensibility and sensitivity guided every choice behind the look and feel of the Matrix movies.«

      Faller spielt darauf an, dass die in der Matrixwelt situierten Szenen mit speziellen Grünfiltern aufgenommen wurden, während man für die reale Welt, wie sie den Gegensatz zur Matrix bildet, Blaufilter bevorzugte. Der erste zoom, durch ein dynamisches Zahlengitter hindurch, führt uns bezeichnenderweise in eine Lichtquelle: diese erweist sich als die Taschenlampe eines Polizisten, der zusammen mit dem Rest seiner Einheit an das Hotelzimmer 303 heranschleicht, um Protagonistin Trinity zu verhaften.

      Die Ziffern, die wir vor dem Erscheinen dieser ersten „realen“ (wie man später lernt: virtuellen) Objekte sehen, sind in derselben grünlichen Farbe gehalten wie der Matrix-Code. Trinity ruft Cypher an; sie befindet sich in der Matrix (und dort wiederum in dem virtuellen Hotelzimmer mit der Nummer 303), er dagegen auf einem realen Hovercraft Namens Nebukadnezar. Der Zuschauer weiß von alledem nichts, sieht auch keine Personen, nur Dunkelheit und einen blinkenden Cursor – er muss sich fühlen wie der Mithörer eines geheimen Telefonats. Tatsächlich wird gleich nach der Einblendung von Datum und Uhrzeit – es ist der 19.2.1998 – ein Tracerprogramm aktiviert,