1.1 Enneagramm – der Ursprung
In allen Beziehungen braucht es die Kunst des Übersetzens. Das Enneagramm ist eines der hilfreichsten Übersetzungstools, die es gibt.
—Suzanne Stabile
Die einen vermuten den berühmten Mathematiker Pythagoras dahinter, andere denken, es stammt aus der Tradition des Sufismus oder von den christlichen Wüstenvätern. Für letztere Theorie spricht beispielsweise, dass das Enneagramm von einer Wurzelsünde spricht und auch, dass es starke Parallelen zu den Lehren von Evarius Ponticus, einem christlichen Lehrer des 4. Jahrhunderts gibt. Diese antiken Lehren können als Vorstufen des Enneagramms gesehen werden.
Schriftliche Aufzeichnungen, dass das Enneagramm in der Antike als Typensystem verwendet wurde, gibt es nicht. Bekannt gemacht wurde das Enneagramm in der heutigen Form von dem griechisch-armenischen Weisheitslehrer Georges I. Gurdieff, der es 1916 seinen Schülern, besonders P. D. Ouspenski, vermittelte. Das Wort Enneagramm tauchte da erstmals schriftlich auf.
Das Enneagramm wurde von ihm vor allem als Werkzeug zur Selbstentwicklung gesehen, nicht so sehr als Symbolisierung verschiedener Persönlichkeitstypen.
Der psychologische Aspekt des Enneagramms wurde von Lehrern wie Oscar Ichazo, Claudie Naranjo, Helen Palmer und Don Richard Roso weiterentwickelt. Der Franziskanerpater Richard Rohr und der evangelische Theologe Andreas Ebert adaptierten das Enneagramm für christliche Seelsorge und Spiritualität. Viele andere Lehrer und Autoren haben seitdem zu einem vertieften und erweiterten Verständnisses des Enneagramms beigetragen.
Welche Typenlehren und Persönlichkeitssysteme kennst du?
Notiere 10 oder mehr Begriffe, mit denen du selbst oder andere dich beschreiben.
1.2 Neun Persönlichkeiten
Viele verschieden gestimmte Saiten ergeben erst Harmonie.
—Joseph von Eichendorff
Die neun Typen sind auf einem Kreis angeordnet. Jede Zahl hat zwei Nachbarn, die als Flügel beschrieben werden (s. Grafik S. 38). In der Regel lebt man auch einige der Verhaltensmuster der Flügel aus – in der ersten Lebenshälfte mehr den einen, in der zweiten Lebenshälfte mehr den anderen.
Dann gibt es – mit einem Pfeil von der Nummer gekennzeichnet – den Stresspunkt. Also das Verhalten, zu dem man greift, wenn man gestresst ist.
Im Kontrast dazu gibt es den Trostpunkt, das gesunde, hilfreiche Verhalten, das man entwickelt, wenn man Zugang zu sich selbst und allen seinen Ressourcen hat.
Eine pflichtbewusste Sechs hat als Flügel beispielsweise die zurückgezogene Denkerin (Fünf) und den lebensfrohen Optimisten (Sieben). Im Stress neigt sie zum negativen Verhalten der Neun (Trägheit). Im guten Zustand geht sie in Richtung der Drei und gewinnt Vertrauen und Mut.
Für ein klares Selbstbild lohnt es sich deshalb, nicht nur die eigene Zahl zu betrachten, sondern sich auch intensiver mit den Flügeln und den Stress- und Trostpunkten zu beschäftigen.
Welche Menschen findest du besonders angenehm?
Beschreibe die Eigenschaften von Menschen, die du als wohltuend erlebst. Das könnte ein Hinweis auf deinen Trostpunkt sein.
1.3 Die Triaden
Ich überlege. Mein Bauch entscheidet.
—Max Grundig
Triade Herz: 2, 3 und 4. Sie haben starke Antennen für Gefühle und Bedürfnisse anderer. Oft nehmen sie deren Gefühle weit besser wahr als ihre eigenen. Sie passen sich dem an, was andere vermeintlich von ihnen wollen. Häufig ist ihnen Wertschätzung sehr wichtig. Ihr beherrschendes Grundgefühl ist die Scham. Sätze wie »Ich genüge nicht« sind ihnen vertraut. Sie sehnen sich nach Anerkennung (2), Bestätigung (3) und Verständnis (4).
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