Zugegeben, er war nicht gerade unattraktiv. Ungefähr mein Alter, dunkle Haare, braungebrannt und einem leichten Schwips vom Alkohol. Ein Mundwinkel zog sich nach oben.
»Wie wäre es, wenn ich dich drinnen auf einen Drink einlade. Vielleicht ist man sich ja sympathisch?«
Selbst im kargen Licht der Lampe erkannte ich die ungebräunte Stelle, dort, wo eigentlich ein Ehering sein sollte. Ein Geschäftsmann, der sich fernab von seiner Frau etwas gönnen wollte. Manchmal fiel es mir schwer, die Menschen zu mögen.
»Verschwinde«, zischte ich und konzentrierte mich wieder auf die Auren der beiden Reaper. Die Vampir-Ladys zeigten gerade das ganze Spektrum ihrer Verführungskünste. Marc und Phoenix war anzusehen, dass sie die wundervolle Tortur genossen. Immer mehr Frauen hatten ihre Reißzähne ausgefahren. Es würde nicht mehr lange dauern. Shit! Die beiden waren in größter Gefahr!
Einige Sekunden später hatte ich mich wieder gesammelt. Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht.
»Warte!«, rief ich dem Mann hinterher und lief auf ihn zu. »Vielleicht riskieren wir doch mal einen Blick. Ich weiß, für eine New Yorkerin ist das ziemlich klischeebehaftet, aber ich trinke gern einen Cosmo.«
Die Augen des Fremden glänzten, er bot mir seinen Arm. »Einen Cosmopolitan für die Dame, sehr gern. Wenn ich bitten dürfte?«
Wie ein Gentleman geleitete er mich zur Tür und wollte sie für mich öffnen. Als er den Knauf drehen wollte, ruckelte es nur kurz, jedoch gab das Türblatt nicht einen Zoll nach.
»Mist!«, flüsterte er und versuchte es erneut. »Haben die überhaupt geöffnet?«
Natürlich hatten sie. Und sie waren klug genug, die Tür abzuschließen, um in Ruhe ihre Beute zu genießen.
»Darf ich?« Ich drückte mich an seinem Körper vorbei und spürte die erhitzte Haut. Mir war klar, dass er mich gerade mit seinen Blick auszog und jeder Gedanke in seinem Verstand sich darum drehte, wie ich wohl nackt aussah, aber das kam mir nur entgegen. Ich öffnete die Tür mit einem leichten Entriegelungszauber und achtete darauf, dass der Mann den bläulichen Schimmer in meiner Handfläche nicht sah. Er war dafür auch viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Nacken mit Küssen zu bedecken. Selbst durch seine Hose und meinen Rock spürte ich seinen immer größer werdenden Penis, als er sich an mich drückte.
Ich drehte mich um und öffnete die Tür mit einem Ruck. Der Fremde lächelte. »Das wird eine unvergessliche Nacht.«
Jetzt musste auch ich lächeln. »Verlass dich drauf!«
Wir zogen innerhalb weniger Sekunden die Aufmerksamkeit der Meute auf uns. Ihre Blicke lagen zwischen Ungläubigkeit und freudiger Erregung.
»Ich dachte, dass wir abgeschlossen hätten?«, sagte die Blonde in Richtung ihrer Vampire.
»Haben wir auch«, antwortete die Brünette.
Der rothaarige Vampir ließ von Marc ab, schritt auf uns zu und schloss die Tür. »Aber warum nicht ... mehr Menschen – mehr Spaß.«
Der Geschäftsmann gab ihr schnell die Hand. »Das wird unglaublich ... Guten Abend, mein Name ist Brian.«
»Hey, Brian«, hauchte der Vampir und streichelte über meine Schulter. »Und wer ist deine Freundin?«
Die weiteren Fetzen dieses Gesprächs bekam ich nicht mehr mit. Erneut ballte sich die Lust in mir. Ich hatte das Gefühl, es flöße brodelnde Lava durch meine Adern. Allein Marcs Anblick ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ein Blick in seine Augen offenbarte mir, dass er genauso dachte. Er leckte über seine Lippen und genoss die Zärtlichkeiten der Ladys, während er nur Augen für mich hatte. Ich wollte ihn! Ich wollte ihn hier und jetzt!
Langsam ging ich auf ihn zu, mit jedem Schritt wuchs meine Begierde. Kurz vor dem Sofa spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.
Der rothaarige Vampir begann meine Haut zu streicheln und fuhr mit dem Handrücken über meine Wange. »Verrätst du mir deinen Namen?«
Noch bevor ich eine Antwort formulieren konnte, legte sie zärtlich ihre Lippen auf die meinen. Es folgte ein tiefer und langer Kuss, bei dem sie meine Zunge hauchzart massierte. Ich wusste nicht, warum, aber plötzlich legte ich meine Arme um ihren Körper. Ein süßliches Parfüm drang mir in die Nase. Als sie von mir abließ, konnte ich gar nicht anders, als mich zu ihr zu lehnen und den Kuss zu erwidern. Ihre Lippen waren so zart wie Seide und die Fingerspitzen, welche meinen Rücken streichelten, ließen mein Blut kochen.
»Isabelle«, hauchte ich schließlich, während sie mir tief in die Augen sah.
»Willkommen, Isabelle.« Sie führte mich zum Sofa und ließ mich Platz nehmen. »Es ist schön, dass du hier bist.«
Gott, ich liebte diesen Ort! Er besaß eine Magie, die sich völlig über meinen Verstand legte. Langsam begann der weibliche Vampir meinen Hals zu küssen. Es war, als ob er eine feurige Spur hinterließ. Ich schloss für einen Moment die Augen und lehnte meinen Kopf zur Seite, damit die Lady besser an die hochsensiblen Stellen kam. Ihre Küsse waren zärtlich und behutsam. Langsam drehte ich mich zu ihr. Ich wollte sie küssen, ihre weichen Lippen erneut und für alle Ewigkeiten spüren. Mit einem Schlag öffnete ich die Augen und mein Herz hörte für Sekunden auf zu schlagen. Die Fangzähne des Vampirs waren komplett ausgefahren. Spitz und tödlich ragten sie mir entgegen und doch wollte ich nichts anderes, als dass sie in mich eindrangen. In dem Kokon aus Wärme und Begierde erkannte ich schwach eine andere Person im Nebenraum. Dort, wo eine Vampir-Lady die Ketten und Seile herholte, war noch eine Präsenz zu erkennen. Schwach und gut geschützt sah ich nun doch gelbliches Licht. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Es tat fast körperlich weh, aus dem Fluch auszubrechen und meine Gedanken auf die Gefahren vor mir zu konzentrieren. Doch endlich war meine Sicht wieder klar:
Hier war ein Schwarzmagier mit einem mächtigen Fluch am Werk!
Kurz bevor die Zähne der Frau sich in meinen Hals bohrten, wirkte ich einen Eruptionszauber und drückte meine rechte Hand nach vorn. Die Druckwelle schleuderte den Vampir auf den Magier im Nebenraum. Augenblicklich erstarb das gelbliche Glühen, und die wundervolle Magie, unter der wir uns befanden, zerbrach.
Neben mir wurde auch Marc klar. Zwei Vampire schossen auf ihn zu und bissen ihn in Hals und Nacken, sodass sein schmerzvoller Schrei den Raum erfüllte. Mit zwei Entfesselungszaubern löste ich die Seile, welche um Marc und Phoenix gebunden waren, und kümmerte mich anschließend um die Blondine. Der ersten Druckwelle konnte sie ausweichen, die zweite traf sie zwar, aber ihr Fußtritt gegen meinen Kopf schmerzte trotzdem höllisch. Die Kraft warf mich zu Boden. Ich zwang mich, meine Augen offen zu halten und auf Marc zu blicken. Geistesgegenwärtig hieb er seinen Ellenbogen gegen den hinteren Vampir und rammte sein Knie in den Bauch des vorderen. In einer Bewegung zog er seine Shorts nach oben und donnerte seine Faust ins Gesicht der am Boden liegenden Vampir-Braut. Damit hatte er sie wütend gemacht. Mit infernaler Kraft sprang sie auf ihn zu. Gerade so konnte ich einen Feuerball formen, der sie mitten im Lauf traf. Ihre Schreie waren spitz, wie Nadeln. Sie drehte sich in der Feuersbrunst um die eigene Achse, der Geruch von verkohltem Fleisch drang mir in die Nase und bevor das Feuer auf andere Bereiche überspringen konnte, zerfiel die Frau zu Asche. Diese Gefahr war gebannt. Blieben noch fünf und der Magier.
Ich drehte mich um und erkannte, dass auch Phoenix in Schwierigkeiten steckte. Auch sein Hals blutete, jedoch war es ihm gelungen, mit zwei präzisen Hieben die Vampire von sich fernzuhalten. Die Frauen lauerten in Angriffsposition vor ihm, warteten darauf, den richtigen Moment zu erwischen, um ihn auszuschalten. Soweit durfte ich es nicht kommen lassen. Mein Glück war, dass die Vampire nahe beieinander standen und sich vollends auf Phoenix konzentrierten. Ich raffte mich auf und steckte alle mir verbliebene Kraft in den Steinzauber. Erdmagie lag mir nicht wirklich, ich brillierte eher bei Angriffszaubern, aber diese Art der Versteinerung war genau die richtige Antwort auf zwei zusammenstehende Feinde, die nur darauf warteten loszuschlagen. Sie bekamen nicht mit, wie die braune Druckwelle sie traf und ihre Haut mit knackenden Geräuschen zu einer granitartigen Schicht wurde.