Die Stadt Eppelheim war mit unserem Umbau des Jugendhauses zufrieden, sodass wir 2003 zunächst den Hort, später auch den Kindergarten übernahmen. Der Einstieg in die Kindertagesbetreuung war mit vielen Ideen und Vorstellungen verbunden. Wir wollten damals die Arbeitsfelder (ambulante Erziehungshilfen, Kitas und sogar den Übergang Jugendhaus/Hort) möglichst so gestalten, dass Synergieeffekte entstanden und ein Ort geschaffen würde, bei dem die Kompetenzen der verschiedenen Jugendhilfeangebote miteinander vereint wären. Es war ein lebensweltorientierter Ansatz, der dadurch unterstützt wurde, dass wir sehr früh lokale Arbeitsgruppen (AG Jugendhilfe) einrichteten. Wir versuchten alle Akteur*innen vor Ort an einen Tisch zu bringen, um mit ihnen über Jugendarbeit und die Verbesserung der Angebote für Kinder zu reden.
Das war gerade in der Jugendarbeit ein sehr nützliches Element. Wir holten trotz einigem Widerstand auch die Polizei und die Jugendgerichtshilfe mit an den Tisch, sodass sich alle gemeinsam für die Interessen von Familien, Kindern und Jugendlichen einbringen konnten. Der bei der Polizeidirektion Heidelberg zuständige Kriminalhauptkommissar Günther Bubenitschek baute eine vernetzte Kriminalprävention im Rhein-Neckar-Kreis auf, die bundesweit vorbildlich war und eine Aufbruchstimmung erzeugte.1
2005 hatte der Verein bereits 42 Mitarbeiter*innen und die alten Kommunikationsstrukturen mussten verändert werden. Bis dahin war es so, dass sich alle Mitarbeiter*innen wöchentlich zu einer Mitarbeiter*innenversammlung trafen, um gemeinsam die Woche zu planen, sich über die Arbeit auszutauschen und Perspektiven zu entwickeln. Dies ging nicht mehr, als der Einstieg in die Kindertagesbetreuung erfolgte.
Die Kindertagesstätten kommen (seit 2006)
Der Einstieg in die Kindertagesbetreuung fand in Eppelheim statt. Hier konnten wir die ersten Erfahrungen sammeln. Mit dem Beschluss der Bundesregierung, künftig auch den Rechtsanspruch einzuführen, haben wir frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und in Wilhelmsfeld die erste Krippe eröffnet. Diese Einrichtung war noch komplett ohne kommunale Zuschüsse möglich. Wir hatten entsprechend hohe Elternbeiträge in Höhe von zirka 800 Euro.
Diese Krippe war ein Erfolgsmodell. Die traditionellen Kindergartenträger zeigten sich im Rhein-Neckar-Kreis sehr zurückhaltend und abwartend. Dadurch ist dieses Arbeitsfeld beim Postillion e. V. sehr schnell gewachsen. Bereits 2010 hatten wir 13 Kinderkrippen im Rhein-Neckar-Kreis. Waren die ersten Krippen alle noch in Mietwohnungen untergebracht, gelang es uns das erste Mal 2011, Neubauten in Hirschberg und Plankstadt zu errichten. Zuvor hatten wir bereits in Wilhelmsfeld ein bestehendes Wohnhaus in eine Krippe umgebaut.
Aber nicht nur der Aufbau neuer Krippen, auch die Übernahme insolventer Träger oder die Betriebsübergabe bestehender Träger konnten wir leisten und dadurch den Betrieb aufrechterhalten. Ein einziges Mal mussten wir kapitulieren. In Ladenburg klappte zwar die Übernahme, jedoch fand sich kein geeignetes Gebäude. So mussten wir die Einrichtung wieder schließen. Es gab aber auch erfolgreiche Übernahmen in Hockenheim, Wiesloch, Reilingen, Eberbach und Weinheim. Diese Einrichtungen bestehen heute noch.
Neben dem Ausbau der Krippen hat der Postillion e. V. auch Horte und Kindergärten aufgebaut bzw. übernommen. Ein Bereich, der besonders an Bedeutung gewonnen hat, sind die Waldeinrichtungen, zunächst in Form von Waldkindergärten. Der erste Waldkindergarten wurde 2008 in Wilhelmsfeld eröffnet. Ursprünglich war der Waldkindergarten eine gute Möglichkeit für Kommunen, kurzfristige Bedarfe relativ zügig abzudecken. Ein Bauwagen war schnell organisiert und eine Baugenehmigung damals relativ leicht zu erhalten, sodass innerhalb von einem halben Jahr eine fertige Kindergartengruppe aufgebaut werden konnte. Gleichzeitig bemerkten wir auch das Bedürfnis vieler Eltern, ihre Kinder nicht nur den ganzen Tag in Räumen zu belassen, sondern gerade in der Phase vor der Schule nochmals die Möglichkeit zu geben, das Leben in und mit der Natur zu erleben und sich mehr bewegen zu können. Kinder haben dabei zudem die Möglichkeit, zu erleben, dass die gesetzten Grenzen Notwendigkeiten sind, da sie zusammenbleiben müssen, um im Wald nicht verloren zu gehen. Das erkennen Kinder dort sehr viel leichter, als wenn man 20 Kinder in einem umgrenzten Raum hat und sie aufgrund ihres Bewegungsdrangs reglementieren muss. Um in Räumen miteinander zu leben, ist ein gewisses Mindestmaß an Ruhe notwendig.
Aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Kindergartenplätzen und der Erkenntnis, dass Waldkindergärten für Kinder eine sehr gute Einrichtung sein können, hat der Postillion e. V. die Waldkindergärten gemeinsam mit den Kommunen deutlich ausbauen können. Im Jahr 2013 kamen wir auf die Idee, einen Waldhort zu errichten, denn gerade Schulkinder, die den ganzen Tag in der Schule sitzen, genießen die Freiheiten, die der Nachmittag im Wald bietet. Im Waldhort werden zwar auch Hausaufgaben gemacht und es wird zu Mittag gegessen, dennoch bestehen mehr Möglichkeiten des Austobens und des kreativen Spiels. Leider musste der Waldhort in Eppelheim seinen Betrieb kurzfristig wieder einstellen, da die Ganztagsschule die Horte in Eppelheim unnötig gemacht hat. Wir konnten jedoch einen neuen Standort in Ketsch finden, wo der Waldhort noch heute vorhanden ist. Nicht überall gab es die Möglichkeit, in Wäldern zu arbeiten, sodass wir auch auf Spielplätzen und Streuobstwiesen Kindergärten und Horte errichtet haben. Immer beseelt von dem Gedanken, Kinder möglichst viel in der Natur bzw. mit der Natur leben zu lassen.
Der Postillion wird professioneller
Der Postillion e. V. hat zunehmend kommunale Aufgaben übernommen. In der Zeit des Krippenausbaus sind auch privat-gewerbliche Einrichtungen auf den Markt geströmt. Der Postillion e. V. hat versucht, sich davon abzugrenzen. Der Verein versteht sich bis heute als Träger, der für die öffentliche Daseinsfürsorge da ist. So fiel 2009 eine Grundsatzentscheidung zur Weiterentwicklung des Vereins. Bislang gab es keine großen Reglementierungen bezüglich der Mitgliedschaft. Es waren auch keine großen Mitgliederbewegungen vorhanden. 2009 beschloss die Mitgliederversammlung, dass es zukünftig drei Mitgliedersäulen geben soll: Säule 1 sind Städte und Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises, Säule 2 sind Mitarbeiter*innen des Vereins und Säule 3 umfasst sonstige Mitglieder. Diese fanden sich dann auch wieder in dem neu gegründeten Beirat. Dies war ein grundsätzlich neues Verständnis der Arbeit des Vereins.
Nach einer solch starken Wachstumsphase muss eine Phase der Konsolidierung kommen, in der die Organisation nachwachsen kann. Wir haben immer versucht, auf der Leitungs- und Verwaltungsebene nachzuziehen. Dennoch waren gerade die Jahre 2018 und 2019 davon geprägt, insbesondere die Struktur nachzubessern. In diese Zeit ist auch erstmalig eine Erweiterung des Vorstands um ein weiteres Vorstandsressort gefallen.
Mit Beginn des Jahres 2019 ist die bisherige Kita-Leitung, die auch bereits Bereichsleitung war, Dr. Isabel Lehenmeier, für alle Krippen in den Vorstand eingestiegen. Damit konnten die Betreuung und fachliche Begleitung des Arbeitsfelds der Kinderkrippen nochmals gestärkt werden. Mit zwei regionalen Bereichsleitungen ist gleichzeitig ein neues Leitungsmodell eingezogen.
Die Bereichsleitungen, die bis zu einem gewissen Grad freigestellt sind, machen auch Vertretungen in den Einrichtungen, dort, wo es notwendig ist, um Leitungen und Kolleg*innen zu unterstützen. Dadurch sind sie nahe am Geschehen und können auf die Bedürfnisse der einzelnen Einrichtungen besser reagieren. Gleichzeitig ist der Vorstand jünger geworden, da der bisherige Vorstand mehr oder weniger die gleiche Altersgruppe umfasste und dies irgendwann auch zu einem Problem werden könnte.
Es ist auch in diesen Jahren nie Ziel des Vereins gewesen, rein quantitativ zu wachsen. Es war einfach die Zeit, in der die Kommunen Lösungen benötigt haben und der Postillion e. V. diese nach seinem Selbstverständnis bedienen konnte. Doch der Postillion e. V. ist auch fachlich weitergewachsen. Einige Modellprojekte, vor allem aus dem Bereich der Jugendarbeit, haben zur fachlichen Weiterentwicklung beigetragen. Aber auch das Bundesmodellprojekt HzE und Kita, bei dem es darum geht, herauszuarbeiten, wie gute Aufwachsbedingungen für alle Kinder gelingen. Auch für die, die von Krisen betroffen sind oder in Einrichtungen Schwierigkeiten haben. Dieses Projekt konnte in Schönau mit Unterstützung des damaligen Bürgermeisters