Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159617077
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Milz gefälligst in die Schublad! Kreuzkruzifix, ist das aber eine Schlamperei!

      PRÄPARATOR. Aber das Fräulein dort wollte doch ihre Leiche verkaufen, Herr Oberpräparator --

      OBERPRÄPARATOR. Ihre Leiche? Schon wieder?

       (Stille.)

      BARON. Beispiellos.

      OBERPRÄPARATOR. Wir haben es zwar schon weiss Gott wie oft dementiert, dass wir keine solchen lebendigen Toten kaufen, aber die Leut glauben halt den amtlichen Verlautbarungen nichts! Die bilden sich gar ein, dass der Staat für ihren Corpus noch etwas daraufzahlen wird -- gar so interessant kommen sie sich vor! Immer soll nur der Staat helfen, der Staat!

      BARON. Eine völlig beispiellose Ansicht über die Pflichten des Staates.

      OBERPRÄPARATOR. Wird schon noch anders werden, Herr Baron.

      BARON. Hoffentlich.

      Szene Nummer 6

      DER VIZEPRÄPARATOR (erscheint mit dem Hute des Oberpräparators rasch in der Tür des Anatomischen Instituts). Telefon, Herr Oberpräparator!

      OBERPRÄPARATOR. Wer? Ich?

      VIZEPRÄPARATOR. Es dreht sich etwas um das Gutachten in [15]Sachen Leopoldine Hackinger aus Brünn. Herr Oberpräparator sollen sofort in die Klinik zum Professor -- (er überreicht ihm seinen Hut).

      OBERPRÄPARATOR. Sofort! (Er zieht hastig seinen weissen Mantel aus und übergibt ihn dem Vizepräparator, der wieder im Anatomischen Institut verschwindet; zum Baron) Pardon Baron! Die Kapazitäten kriegens mir scheint nicht heraus, an was dass diese Sudetendeutsche gestorben ist. Die Pflicht ruft --

      BARON. Oh bitte!

      OBERPRÄPARATOR. -- und abermals mein innigstes Beileid!

      BARON. Oh danke!

      OBERPRÄPARATOR. Habe die Ehre, Herr Baron! (rasch ab nach rechts).

      BARON. Wiedersehen -- (langsam ab nach links).

       (Und wieder ertönen in weiter Ferne einige Takte des Chopinschen Trauermarsches. Langsam fängt es an zu dämmern, denn es ist bereits spät am Nachmittag.)

      Szene Nummer 7

      PRÄPARATOR (sieht dem Oberpräparator nach). Ein schlechter Mensch. Die armen Tauben. Glaubens mir, Fräulein: Das Beste ist, Sie springen zum Fenster hinaus.

      ELISABETH. Sie sind aber ein sehr freundlicher Mann, Herr Oberpräparator.

      PRÄPARATOR. Ich mein es gut mit Ihnen. Wer kauft eine Leiche? Heutzutag!

      ELISABETH. Morgen ist auch ein Tag.

      PRÄPARATOR. Es wird nicht anders.

      ELISABETH. Das glaub ich nicht.

      PRÄPARATOR. Sondern vielleicht?

       (Stille.)

      ELISABETH (lächelt). Nein -- das lasse ich mir auch von Ihnen [16]nicht nehmen, dass ich noch einmal Glück haben werde. Sehens zum Beispiel, wenn ich jetzt meine Leiche hätt verkaufen können, nämlich um hundertfünfzig Mark --

      PRÄPARATOR (unterbricht sie). Hundertfünfzig Mark?

      ELISABETH. Jawohl.

       (Stille.)

      PRÄPARATOR (grinst). Sie Kind -

      ELISABETH. Wie belieben?

      PRÄPARATOR. Was ist denn Ihr Vater von Beruf?

      ELISABETH. Ein Inspektor.

      PRÄPARATOR. Inspektor? Respekt!

      ELISABETH. Aber er kann mir halt auch nicht unter die Arme greifen, weil meine Mama im März das Zeitliche gesegnet hat und da hat er gleich soviel Ausgaben gehabt damit.

      PRÄPARATOR. Was ist schon so ein lumpiger Oberpräparator neben einem Inspektor? Respekt, Fräulein!

      ELISABETH. Sehens, wenn ich jetzt hundertfünfzig Mark hätt, dann könnt ich jetzt meinen Wandergewerbeschein haben und dann würde sich mir die Welt wieder öffnen --- weil ich mit einem Wandergewerbeschein schon morgen eine sozusagen fast selbständige Position bekommen tät in meiner ursprünglichen Branche, aus der ich herausgerissen worden bin durch die Zeitumstände.

       (Stille.)

      PRÄPARATOR. Was war denn das für eine Branche?

      ELISABETH. Hüftgürtel, Korsett. En gros. Auch Büstenhalter und dergleichen.

      PRÄPARATOR. Interessant.

       (Stille.)

      ELISABETH. Wo bist Du, goldene Zeit?

       (Stille.)

      PRÄPARATOR (kramt aus seiner Brieftasche eine Photographie hervor). Da schauns mal her --

      [17]ELISABETH (betrachtet die Photographie). Ein netter Hund.

      PRÄPARATOR. Mein Rehpinscher -

      ELISABETH. Aufgeweckt.

      PRÄPARATOR. Und scharf! Leider ist er mir verreckt.

      ELISABETH. Schade.

      PRÄPARATOR (pfeift). Das war sein Pfiff. Da ist er dann immer gekommen. (Er spricht nun mit der Photographie.) Burschi, Burschi, jetzt bist hin -- aus ist es mit dem Gassi-Gassi ---. (er steckt die Photographie wieder ein, zu Elisabeth). Aber das freut mich von Ihnen, dass Sie mit dem armen Burschi sympathisieren. Wie heissen denn Sie mit dem Vornamen?

      ELISABETH. Elisabeth.

       (Stille.)

      PRÄPARATOR. Die Kaiserin Elisabeth von Österreich, das war auch ein gutes braves Weiberl - aber trotzdem ist sie halt einem ruchlosen Attentat zum Opfer gefallen. In Genf. Überhaupt der Völkerbund -- alles ruchlos! Jetzt hab ich halt noch meine Schmetterlingssammlung und den Kanari und gestern ist mir eine Katz zugelaufen. -- Interessiert Ihnen ein Aquarium?

      ELISABETH. Wie belieben?

      PRÄPARATOR. Ich hätte auch ein Terrarium.

      ELISABETH. Terrarium eher.

      PRÄPARATOR. Also dann kommens halt mal zu mir, Sie Fräulein Inspektor.

      ELISABETH. Vielleicht.

      Szene Nummer 8

       Jetzt kehrt der Oberpräparator aus der Klinik zurück und zwar überraschend … sein Zeigefinger ist dick verbunden, er erblickt den Präparator, stutzt empört und fixiert ihn, der