Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159617077
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       Mos. I. 8,21.

       [10]Personen

      ELISABETH

      ein Schupo (Alfons Klostermeyer)

       Oberpräparator

      Präparator

      Vizepräparator

      der Baron mit dem Trauerflor

      IRENE PRANTL

      Frau Amtsgerichtsrat

      Er selbst, der Herr Amtsgerichtsrat

      ein Invalider

      eine Arbeiterfrau

      ein Buchhalter

      MARIA

      ein Kriminaler

      der Oberinspektor

      ein zweiter Schupo

      ein dritter Schupo

      JOACHIM, der tollkühne Lebensretter

      ==============

      [11]Erstes Bild

      Szene Nummer 1

       Schauplatz: Vor dem Anatomischen Institut mit Milchglasfenstern .

       Elisabeth will es betreten und sieht sich noch einmal fragend um, aber es ist nirgends eine Seele zu sehen.

       In der Ferne intoniert ein Orchester den beliebten Trauermarsch von Chopin und nun geht ein junger Schupo (Alfons Klostermeyer) langsam an Elisabeth vorbei und beachtet sie scheinbar kaum.

       Es ist Frühling.

      Szene Nummer 2

      ELISABETH (spricht den Schupo plötzlich an, während der Trauermarsch in der Ferne verhallt). Entschuldigens bitte -- aber ich suche nämlich die Anatomie.

      SCHUPO. Das anatomische Institut?

      ELISABETH. Dort wo man halt die Leichen zersägt.

      SCHUPO. Das dort ist das hier.

      ELISABETH. Dann ist es schon gut.

       (Stille.)

      SCHUPO (lächelt). Gebens nur acht, Fräulein --- da drinnen stehen die Köpf in Reih und Glied.

      ELISABETH. Ich habe keine Angst vor den Toten.

      SCHUPO. Ich auch nicht.

      ELISABETH. Mir graust es noch lange vor nichts.

      SCHUPO. In diesem Sinne --- (er salutiert legere und ab).

      [12]Szene Nummer 3

       Elisabeth sieht dem Schupo spöttisch nach --- dann fasst sie sich ein Herz und drückt auf den Klingelknopf des Anatomischen Instituts. Man hört es drinnen klingeln und schon erscheint der Präparator in weissem Mantel. Er steht in der Türe und fixiert die anscheinend unschlüssige Elisabeth.

      Szene Nummer 4

      PRÄPARATOR. Sie wünschen?

      ELISABETH. Ich möchte hier jemand Zuständigen sprechen.

      PRÄPARATOR. In was für einer Angelegenheit?

      ELISABETH. In einer dringenden Angelegenheit.

      PRÄPARATOR. Haben Sie einen angehörigen Toten bei uns?

      ELISABETH. Es dreht sich um keinen angehörigen Toten, es dreht sich um mich selbst persönlich.

      PRÄPARATOR. Wieso denn das hernach?

      ELISABETH. Sind der Herr hier eine zuständige Instanz?

      PRÄPARATOR. Ich bin der Präparator. Sie können sich mir ruhig anvertraun.

       (Stille.)

      ELISABETH. Man hat mich nämlich extra darauf aufmerksam gemacht, dass man hier seinen Körper verkaufen kann -- das heisst: wenn ich einmal gestorben sein werde, dass dann die Herren da drinnen mit meiner Leiche im Dienste der Wissenschaft machen können, was die Herren nur wollen -- dass ich aber dabei das Honorar gleich ausbezahlt bekomme. Schon jetzt.

      PRÄPARATOR. Das ist mir neu.

      ELISABETH. Man hat mich aber extra darauf aufmerksam gemacht.

      PRÄPARATOR. Wer denn?

      [13]ELISABETH. Eine Kollegin.

      PRÄPARATOR. Was sind Sie denn von Beruf?

      ELISABETH. Jetzt habe ich eigentlich nichts. Es soll ja noch schlechter werden. Aber ich lasse den Kopf nicht hängen.

       (Stille.)

      PRÄPARATOR. Seine eigene Leiche verkaufen -- auf was die Leut noch alles kommen werden?

      ELISABETH. Man möchte doch nicht immer so weiter.

      PRÄPARATOR. Ein krasser Irrtum -- (er holt aus seiner Tasche eine Tüte Vogelfutter und füttert damit die Tauben, die vom Dache des Anatomischen Instituts herabfliegen – die Tauben kennen den Präparator gut und setzen sich auf seine Schulter und fressen ihm aus der Hand).

      Szene Nummer 5

       Jetzt begleitet der Oberpräparator einen Baron mit Trauerflor aus dem Anatomischen Institut in das Freie.

      OBERPRÄPARATOR. Wird prompt erledigt, Herr Baron, und abermals mein innigstes Beileid.

      BARON. Danke, Herr Oberpräparator. Ich mache mir die heftigsten Vorwürfe.

      OBERPRÄPARATOR. Aber die staatsanwaltschaftlichen Erhebungen haben doch die völlige Haltlosigkeit der gegen Herrn Baron erhobenen etwaigen Beschuldigungen ergeben! Wir alle sind in Gottes Hand.

      BARON. Trotzdem ich stand vor Verdun und an der Somme, aber nichts hat mich so erschüttert, wie diese Katastrophe gestern. Wir waren ja erst seit drei Monaten verheiratet und ich steuerte den Unglückswagen -- in der Unglückskurve. Zwischen Lechbruck und Steingaden. Nur gut, dass der Leichnam freigegeben ist.

      [14]OBERPRÄPARATOR (entdeckte inzwischen den Präparator). Augenblick bitte! (Er nähert sich dicht dem Präparator und schreit ihn an.) Sie füttern schon wieder die Tauben? Was bilden Sie sich denn ein? Saustall sowas! Drinnen liegen die Finger und die Gurgeln nur so herum, dass es eine wahre Freud ist! Tuns die