Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marisa Frank
Издательство: Bookwire
Серия: Fürstenkrone
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740951405
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Wochen alles andere als einfach werden, da war sie sich sicher. So wie sie Leon von Bernstett einschätzte, würde er mit eiserner Hand die Geschicke des Gestütes leiten.

      *

      Antonia von Vallone irrte sich nicht! Prinz Leon von Bernstatt war fest entschlossen, die Energie, die er bis zu seinem Autounfall in seine Reiterkarriere gesteckt hatte, nun auf die Leitung des Gestütes zu konzentrieren.

      Keine zwei Tage nach seiner Rückkehr begann er damit, die Arbeit auf dem Gestüt völlig umzuorganisieren, womit er sich unter den Angestellten keine Freunde machte. Dazu kamen sein despotischer Führungsstil und sein fester Wille, jegliche Auflehnung gegen seine Anordnungen im Keim zu ersticken. Fürst Albert hatte seine Angestellten stets aufgefordert, eigene Ideen in die Arbeit mit einzubringen. So hatte er es nicht nur in der Porzellanmanufaktur gehalten, sondern auch auf dem Gestüt. Prinz Leon machte vom ersten Tag an klar, dass er keinen Wert auf die Ratschläge seiner Angestellten legte.

      An diesem Vormittag hatte Antonia den Tierarzt bei seinem wöchentlichen Routinebesuch unterstützt. Als sie den Arzt zu seinem Wagen begleitete, der vor dem Hoftor geparkt stand, hörte sie, wie Prinz Leon ziemlich lautstark Bernd Fischer beschuldigte, eine der ihm anvertrauten Stuten zu vernachlässigen.

      »Sieht aus, als wären auf dem Gestüt stürmische Zeiten eingezogen«, bemerkte der Tierarzt und stieg in seinen Landrover. »Haben Sie auf sich Acht, Frau von Vallone.«

      »So leicht wirft mich kein Sturm um, Doktor Winkler«, antwortete Antonia. Mit halbem Ohr lauschte sie auf die Stimmen, die aus dem Futterlager kamen. Wenn es zwischen Fürst Albert und seinen Angestellten Meinungsverschiedenheiten gegeben hatte, hatte er stets dafür gesorgt, dass sie unter vier Augen stattfanden.

      Nachdem der Tierarzt abgefahren war, setzte sie sich in das kleine Büro, das ihr zur Verfügung stand, und füllte einige Formulare aus. Sie war fast damit fertig, als Leon Prinz von Bernstett ohne anzuklopfen die Tür aufriss. »Weshalb haben Sie mich nicht vorher über den Besuch des Tierarztes informiert, Frau von Vallone?«, herrschte er sie an.

      »Weil es sich um den wöchentlichen Routinebesuch handelte, Hoheit«, erwiderte Antonia und erhob sich. »Ihr Vater …«

      »Wie mein Vater derartige Angelegenheiten regelt, interessiert mich nicht, Frau von Vallone«, erklärte der junge Prinz. »Habe ich nicht ausdrücklich klar gemacht, dass in Zukunft auf dem Gestüt nichts mehr ohne meine Genehmigung zu geschehen hat?«

      »Mir war nicht bewusst, dass der Routinebesuch des Tierarztes auch dazu gehört.« Sie schaute ihm unerschrocken ins Gesicht. »Doktor Winkler ist seit dem frühen Morgen auf dem Gestüt gewesen. Sein Wagen stand neben dem Tor. Ganz gewiss haben Sie ihn auch gesehen.«

      Leons Gesicht verfärbte sich. »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, Frau von Vallone, hüten Sie Ihre Zunge.« Er drehte sich um und verließ das Büro. Krachend flog die Tür hinter ihm zu.

      Antonia sah empört auf die geschlossene Tür. Seit sie ihre Arbeit auf dem Gestüt angetreten hatte, hatte es niemand gewagt, so mit ihr zu sprechen. Und sie musste sich das auch nicht gefallen lassen, zumal sie sich keines Unrechts bewusst war. Was bildete sich dieser Mann ein? Weder sie noch einer der anderen Angestellten trugen die geringste Schuld an seinem Unfall und dessen Folgen.

      Wütend steckte sie die Formulare, die sie ausgefüllt hatte, in Klarsichthüllen, verstaute sie im obers­ten Schubfach ihres Schreibtischs und trat in den Hof hinaus.

      Bernd Fischer kam aus dem angrenzenden Stallgebäude. »Unser Herr und Meister hat heute besonders gute Laune«, bemerkte er düs­ter. »Wenn er so weitermacht, werden ihm die Leute davonlaufen. Mit seiner Sekretärin soll er sich heute auch schon angelegt haben.«

      »Prinz Leon wird bald dahinterkommen, dass es so nicht geht«, antwortete Antonia. Sie überquerte den Hof und betrat das Bürogebäude. Durch die Glasfenster, die in einen breiten Korridor mündeten, konnte sie zwei Frauen vor ihren Computern sitzen sehen. Sie schauten nicht auf.

      Mit einem Gruß betrat sie das Vorzimmer. »Ich hätte gern Seine Hoheit, Prinz Leon, gesprochen, Frau Stihl«, sagte sie zu Leons Sekretärin und ging zur Verbindungs­tür.

      »Seine Hoheit möchte momentan nicht gestört werden, Frau von Vallone«, erwiderte die Sekretärin. Leise fügte sie hinzu: »Besser, Sie halten sich daran.«

      »Nein, das werde ich nicht.« Entschlossen klopfte Antonia an die Verbindungstür und trat in das dahinterliegende Büro.

      Leon von Bernstett zuckte heftig zusammen. Er hatte im Internet Fotos seines letzten Reitturniers abgerufen. »Was wollen Sie denn hier, Frau von Vallone?«, fragte er ärgerlich. »Ich hatte ausdrückliche Anweisung gegeben …« Er drückte auf den Einschaltknopf seines Wechselsprechers. »Frau Stihl, hatte ich Ihnen …«

      »Frau Stihl kann nichts dafür«, fiel ihm Antonia ins Wort. »Sie sagte mir, daß Sie nicht zu sprechen sind.«

      »Und warum dringen Sie dann hier ein?« Er schaltete den Wechselsprecher aus. »Wenn Sie denken, Ihre Freundschaft mit meiner Schwester …«

      »Sie irren sich, Hoheit. Ich habe noch nie meine Freundschaft mit Ihrer Schwester in die Waagschale geworfen. Und Louise hat mit dem, was ich Ihnen zu sagen habe, auch nichts zu tun.«

      »Was Sie mir zu sagen haben?« Die Lippen des jungen Prinzen verzogen sich spöttisch. »Da bin ich ja gespannt, was Sie mir zu sagen haben, Frau von Vallone.«

      Antonia trat näher an den Schreibtisch, hinter dem Leon saß. »Sie sollten endlich aufhören, Ihre schlechte Laune an uns auszulassen, Prinz Leon. Niemand von uns kann etwas dafür, dass Sie Ihre Reiterkarriere beenden mussten.«

      »Wie können Sie es wagen …« Er sprang auf und kam hinter dem Schreibtisch hervor. »Ich glaube nicht, dass ich mir Ihre Unverschämtheiten anhören muss.«

      »Genauso wenig wie ich, Hoheit.« Antonia hob das Kinn und sah ihm unerschrocken in die Augen. »Seit Sie die Leitung des Gestüts übernommen haben, drangsalieren Sie uns, wo Sie nur können. Ich für meinen Teil denke jedenfalls nicht daran, mich weiterhin von Ihnen ungerecht behandeln zu lassen, nur weil Sie sich in Selbstmitleid ergehen.«

      Leon starrte sie sprachlos an. Nie zuvor hatte es jemand gewagt, so mit ihm zu sprechen. »Raus!«, schrie er und wies zur Tür. »Verschwinden Sie endlich!«

      »Was gesagt werden musste, habe ich gesagt«, erklärte Antonia ruhiger, als sie sich fühlte. Sie hatte sich dazu hinreißen lassen, weiterzugehen, als sie es vorgehabt hatte. Trotzdem bereute sie es nicht. Sie öffnete die Tür. »Einen schönen Tag noch, Hoheit.« Fast lautlos schloss sich die Tür hinter ihr.

      Drinnen ballte Leon die Hände zu Fäusten. Er hatte große Lust, den gläsernen Briefbeschwerer von seinem Schreibtisch zu nehmen und ihn gegen die geschlossene Tür zu werfen. Es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen. In Gedanken zählte er bis zehn. Langsam wurde er ruhiger. Er trat ans Fenster und starrte auf den Hof hinaus. Antonia stand mit einem der Stallburschen neben der Tränke. Sprachen sie über ihn?

      Nein, das glaubte er nicht. Immerhin hatte sie eine Vertrauensstellung auf dem Gestüt und würde sich nicht die Blöße geben, mit den Stallburschen über ihn zu klatschen. – Und wenn? Was interessierte es ihn, was die Leute über ihn dachten?

      Auch wenn er es sich nicht gern eingestand, so wütend er auch auf die junge Frau war, sie imponierte ihm. Er wusste ja selbst, wie oft er sogar seine eigene Familie vor den Kopf stieß. Jedes Mal, wenn ihn seine Geschwister im Sanatorium besucht hatten, war es zum Streit gekommen. Konnte er nicht verlangen, dass sie seinen Schmerz teilten? Was war von seiner Reiterkarriere übriggeblieben außer der Erinnerung an seine großartigen Erfolge? Und was wusste Antonia von Vallone, wie es in seinem Herzen aussah, wie düster ihm das Leben erschien?

      Antonia hatte keine Lust, an diesem Tag das Mittagessen mit ihren Kollegen einzunehmen. Sie beschloss, ein Stückchen spazieren zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Vielleicht wäre es besser, die Stelle auf Bernstett aufzugeben, fragte sie sich. Nicht zum ers­ten Mal überlegte sie, ob sie sich nicht auf einem anderen Gestüt bewerben sollte. –