Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marisa Frank
Издательство: Bookwire
Серия: Fürstenkrone
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740951405
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dafür zeigen Sie mir Ihre Ahnengalerie. Es muß interessant sein, Bilder von Menschen zu sehen, die vor so vielen Jahren gelebt haben.«

      »Und hier gelebt haben«, ergänzte Angela. Sie lächelte. Eigenartig, daß dieser Stephan so wie sie empfand. Oliver verstand es nicht, daß sie sich gern in dem Raum aufhielt, den sie ihre Ahnengalerie nannte. Er hätte gelacht, wenn er gewußt hätte, daß sie sogar schon heimlich Zwiesprache mit dem einen oder anderen Bild gehalten hatte. »Kommen Sie, ich möchte sehen, wie Ihnen meine adeligen Vorfahren gefallen. Es sind sehr hübsche Damen darunter, und auch die Herren sind nicht zu übersehen.«

      Auch Stephan war gespannt. So hielt er den Atem an, als sie die Tür zu dem einst prachtvollen Saal aufstieß. In ihm herrschte Dämmerlicht. Angela betätigte einen Lichtschalter, und hintereinander flammten die Lampen auf. Ste­phan entschlüpfte ein erstaunter Ruf. Fasziniert trat er näher an die Wand heran. Teilweise waren die Bilder lebensgroß.

      »Man möchte mit ihnen reden«, entfuhr es Stephan. »Man hat das Gefühl, sie sehen einen an. Sie wissen, was man denkt.« Er atmete tief durch. Es war phantastisch!

      Noch dichter trat er heran, um dann wieder einen Schritt zurückzutreten.

      »Die Namen, Angela! Kennen Sie die Namen dieser Menschen?« Er konnte den Blick nicht von den Gesichtern lösen. Die Augen sahen ihn an, als ob Leben in ihnen war.

      »Natürlich! Namen und Jahreszahl stehen auf kleinen Schildchen neben den Bildern.« Sie sprach leise, war dicht hinter ihn getreten. Er spürte also den Zauber, der in diesem Raum herrschte.

      »Alle diese Menschen lebten einmal, und zwar in einer Zeit, von der ich keine Ahnung habe.« Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie kam ihm mit der ihren entgegen. Er drückte sie. »Wie gern möchte ich mit ihnen sprechen.«

      Hand in Hand gingen sie langsam von einem Bild zum andern. Ehrfurchtsvoll nannte Angela die Namen ihrer Ahnen. Doch dann spürte sie, wie Stephan erstarrte. Er ließ ihre Hand los. Magisch wurde er von einem Bild angezogen. Die Frau auf dem Bild war sehr schön, und sie war stolz. Sie schien über sie hinwegzusehen. Auf ihrem kunstvoll aufgetürmten Haar trug sie eine Krone.

      »Sie muß eine sehr stolze, herrische Frau gewesen sein«, sagte Angela, die ihm gefolgt war.

      »Das ist es nicht! Ich habe das Gefühl, sie zu kennen. Wahrscheinlich ist es nur das Licht. Es läßt das Haar so golden leuchten, genauso wie auf einem Medaillon. Sie erinnert mich an das Bild im Medaillon, das mir meine Mutter kurz vor ihrem Tod gegeben hat.«

      »Wo haben Sie das Medaillon? Zeigen Sie es mir?«

      »Sie werden mich auslachen. Es ist auch lächerlich. Diese Frau hier war eine Fürstin. Sie ist geschmückt mit Perlen und Diamanten. Das Mädchen auf meinem Bild hat die Haare zu einem Zopf geflochten und diesen auf dem Kopf festgesteckt, ein einfaches Mädchen, ein Mädchen aus dem Volk.« Stephan wandte sich ab. Die Ähnlichkeit hatte ihn betroffener gemacht, als er zugeben wollte. Er brachte es jedoch nicht fertig, den Saal zu verlassen, ohne sich noch einmal vor das Bild zu stellen. Und als er Luitgard Fürstin von Rittlingen wieder ins Gesicht sah, konnte er nicht widerstehen, er holte das Medaillon hervor, das er seit Jahren ständig bei sich trug.

      »Eigenartig«, sagte Angela, die ihm über die Schulter blickte. »Es besteht wirklich eine Ähnlichkeit. Wenn dieses Mädchen hier auf dem Medaillon eine Krone tragen würde und ihr Blick starrer nach vorn gerichtet wäre, könnte man wirklich meinen, es wäre ein und dieselbe Person. Wer ist das Mädchen?«

      »Ich weiß es nicht! Meine Mutter hatte es von ihrer Großmutter und diese muß es aus Deutschland mitgebracht haben.« Stephan klappte das Medaillon zu und steckte es wieder ein. »Mir bedeutet das Medaillon viel«, meinte er leichthin. »Ich begreife daher, daß Sie an diesen Bildern hängen, Angela, darf ich Sie heute zum Essen einladen?«

      Angela zögerte. »Ich pflege nicht auszugehen.« Sie sah auf eines der Bilder, als erwarte sie von dort eine Antwort.

      »Ich glaube nicht, daß diese Dame etwas dagegen hätte. Sie sieht sehr freundlich aus. Sicher hätte sie auch für mich Verständnis.« Stephan machte eine übertriebene Verbeugung in Richtung des Bildes. »Hoheit, es handelt sich um ein ganz einfaches Essen in irgendeinem Landgasthof. Ich verspreche Euch, mich korrekt zu benehmen. Natürlich habe ich nicht viel Ahnung, wie es in Euren gesellschaftlichen Kreisen zugeht, aber ich möchte mehr von Euch erfahren.« Er beugte sich nun in die verschiedensten Richtungen, und Angela rief: »Schon gut! Ich gebe mich geschlagen! Kommen Sie, Stephan, ich habe das Gefühl, Sie haben die Herzen meiner Vorfahren erobert. Gleich werden sie aus ihren Rahmen treten.« Sie nahm ihn am Arm und zog ihn aus dem ehemaligen Ballsaal.

      *

      Prinzessin Angela fühlte eine nicht gekannte Unruhe in sich, und so stieg sie zum Ballsaal hinauf. Wie lange noch, und die Treppe würde unter ihren Schritten nachgeben? Sie konnte nicht länger ihre Augen verschließen. Aber das tat sie doch gar nicht. Mit hängenden Schultern blieb sie im Eingang zum ehemaligen Ballsaal stehen. Vom Glanz alter Tage war kaum noch etwas zu sehen. Sie ging bis in die Mitte des Saales, dort drehte sie sich im Kreis.

      »Was soll ich tun?« rief sie laut. »So helft mir doch!« Ihre Stimme hallte von den Wänden wider, und beschämt schlug sie die Hände vor das Gesicht.

      Was war das? Hatte sich da nicht etwas bewegt? Ihre Augen schweiften über die Gemälde. Sollten die einstigen Hoheiten doch aus den Rahmen steigen, vor ihnen hatte sie keine Angst. Sie horchte in die Stille hinein. Nichts! Dann ein Geräusch. Schritte näherten sich.

      »Stephan, sind Sie es? Ich habe gerade versucht, mit der schönen Luitgard zu sprechen.« Angela wandte sich der Tür zu, die halb offenstand. Wieder knarrte die Treppe. »Wollen Sie mich erschrecken? Bei meinen Ahnen bin ich sowieso sicher.« Sie lachte. »Die würden mich beschützen.«

      »Angela!« ertönte eine Männerstimme, und Angela schoß das Blut ins Gesicht. Das war nicht Ste­phan. Rasch eilte sie auf die Tür zu, da erschien Oliver auch schon auf der Schwelle.

      »Du bist schon zurück?« fragte Angela unnötigerweise mit roten Wangen.

      »Bin ich! Aber du scheinst mich nicht erwartet zu haben.« Konsterniert sah er sie an.

      »Ich… Warum hast du nicht angerufen? Ich habe eigentlich deinen Anruf erwartet.«

      Graf Oliver richtete sich auf. Steif stand er da. »Komme ich ungelegen?«

      »Nein! Schön, daß du da bist.« Sie ging auf ihn zu. Sie erwartete, von ihm in die Arme genommen zu werden, doch er beugte sich über ihre Hand, zog sie förmlich an die Lippen.

      »Freust du dich wirklich?« Er richtete sich auf, suchte ihren Blick.

      »Aber natürlich!« Sie versuchte zu lächeln, fühlte sich unsicher.

      »Angela, was ist los?« Sein Blick wurde forschender. »Wen hast du erwartet?«

      »Niemanden! Ich hörte nur Geräusche.« Das Rot ihrer Wangen vertiefte sich. Entschlossen legte sie den Kopf zurück und sah ihn an. »Dich habe ich noch nicht erwartet, und so dachte ich, daß es Stephan, Herr Dorr, sein könnte.«

      »Stephan… Herr Dorr…« Er widerholte die Namen verständnislos. »Kenn ich den Mann?«

      »Nein! Ich habe ihn erst kürzlich kennengerlernt.« Angela fiel es schwer, seinem Blick standzuhalten. Wie sollte sie Oliver die Begegnung mit Stephan erklären? Er würde es nicht verstehen. Sie verstand ja auch selbst nicht, warum sie sich zu diesem Amerikaner gleich so hingezogen gefühlt hatte. Sie hatte das Gefühl, ihn schon lange zu kennen. Ohne Bedenken hatte sie sich ihm anvertraut.

      Oliver stutzte. Angelas Benehmen irritierte ihn. Während des ganzen Fluges hatte er an sie gedacht. In München angekommen, hatte er sich sofort in sein Auto gesetzt und war nach Passau gefahren. Er hatte geträumt, sie in die Arme zu nehmen, ihren Mund zu küssen, doch nun hatte er das Gefühl, vor einer Mauer zu stehen.

      »Was tust du eigentlich hier oben?«

      »Ich… ich habe versucht, mit meinen Ahnen zu