Butler Parker 119 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740920593
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Gespenst«, stöhnte sie. »Das Gespenst. Ich ... ich hab’s ganz deutlich gesehen.«

      *

      James Cortlay, der Verwalter von Wolverton House, lief schnell die breite Treppe hinauf und kümmerte sich um die Angestellte, die einen Weinkrampf erlitt.

      Lady Dorothy zitterte am ganzen Leibe und flüchtete sich in einen der großen Sessel. Sie zog die Beine an, als rechne sie mit einer Invasion von Mäusen.

      »Was halten Sie davon, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson bei ihrem Butler.

      »Das Entsetzen dürfte meiner bescheidenen Ansicht nach nicht gespielt sein«, antwortete Parker gemessen.

      »Es war ganz dicht vor mir. Es war ganz nahe«, wimmerte die Angestellte, die von James Cortlay behutsam nach unten geleitet wurde. »Es ... es war grauenvoll.«

      »Das will ich Ihnen ja gern glauben, aber was haben Sie nun wirklich gesehen?« Lady Simpson näherte sich der Angestellten, die auf der Kante eines hohen Lehnstuhls Platz nahm.

      »Eine genaue Personenbeschreibung wäre in der Tat äußerst hilfreich«, fügte der Butler hinzu.

      Kathy Porter sagte nichts.

      Sie merkte, daß sie von dem Verwalter des Hauses verstohlen beobachtet wurde. Als ihre Blicke sich trafen, schlug sie sittsam die Augen nieder und gab sich leicht verschämt.

      »Nun reden Sie schon endlich«, grollte Lady Simpson die verstörte Hausangestellte an. »Wie sah das Gespenst aus?«

      »Grauenvoll«, wimmerte die Frau.

      »Das sagten Sie bereits. Einzelheiten, wenn ich bitten darf.«

      »Sollte man nicht warten, bis der erste Schock vorüber ist, Mylady?« bat James Cortlay.

      »Ich bin kein Unmensch«, räumte Lady Simpson ein. »Verschieben wir die Befragung also. Wo, meine Liebe, sind meine Wohnräume?«

      »Im Obergeschoß, Agatha.«

      »Dann habe ich vielleicht das Glück, das Gespenst gleich treffen zu können.« Lady Simpson lachte amüsiert auf und nickte dann Kathy zu. »Kommen Sie, Kindchen, machen wir uns etwas frisch. Kathy! Was ist denn?«

      Kathy Porter, die gerade wieder einen Blick mit Cortlay ausgetauscht hatte, zuckte zusammen und tat sichtlich eingeschüchtert. Lady Dorothy schüttelte den Kopf und sah Lady Simpson flehentlich an.

      »Ich... ich gehe nicht mit«, sagte sie dann. »Ich gehe nicht mit nach oben. Keine zehn Pferde bringen mich dort rauf, Agatha.«

      »Ich werde Sie nach oben bringen, Mylady«, ließ der Hausverwalter sich vernehmen. Er griff nach der schweren Reisetasche und dem Koffer Lady Agathas. Mannhaft setzte er sich in Bewegung und marschierte auf die Treppe zu. Lady Simpson und Kathy Porter folgte ihm auf dem Fuß. Josuah Parker blieb zurück, um den beiden anderen Frauen Gesellschaft zu leisten.

      »Gibt es wirklich ein Gespenst?« fragte Kathy Porter, sich an James Cortlay wendend.

      »Es wird so gesagt«, gab Cortlay zurück. »Ich habe es leider noch nicht zu Gesicht bekommen.«

      »Und wie soll es aussehen? Man muß es doch beschrieben haben, junger Mann.«

      »Das ja, Mylady, aber diese Beschreibung paßt überhaupt nicht auf ein Gespenst.«

      »Wie soll ich das verstehen? Was ist in Ihren Augen ein Gespenst?«

      »Na ja, vielleicht ein Skelett, oder ein Geköpfter, der seinen Kopf unter dem Arm trägt, oder vielleicht ein kettenrasselndes Etwas.«

      »Und in diesem Fall?« Kathy Porter zeigte Cortlay große Augen.

      »Es soll so eine Art Gnom sein«, berichtete Cortlay, während er die Gäste durch einen langen Korridorgang führte, der ausgezeichnet beleuchtet war. »Nein, Gnom ist wohl nicht der richtige Ausdruck. Es soll ein Wesen sein, das laufend seine Form ändert und über den Boden kriecht.«

      »Donnerwetter, junger Mann, das ist endlich mal eine neue Version«, freute sich Lady Simpson und nickte anerkennend. »Und seit wann spukt dieses Etwas hier in Wolverton House herum?«

      »Seit knapp acht Tagen«, antwortete James Cortlay. »Zuerst wurde es nur von Myladys Angestellten gesehen, dann von Lady Wolverton selbst.«

      »Und welchen Unfug richtet es an?«

      »Keinen, Mylady«, lautete Cortlays Antwort. »Es soll nur über den Boden kriechen und dann irgendwo in den Wänden und Mauern verschwinden.«

      »Wen haben Sie in Verdacht, junger Mann?« Lady Simpson war stehengeblieben und sah Cortlay streng an.

      »Wie soll ich das verstehen, Mylady?« Cortlay war oder tat ahnungslos.

      »Das sind doch Taschenspielereien, nicht wahr?«

      »Das glaube ich natürlich auch, Mylady, aber ich wüßte nicht, wer sie ausführen sollte.«

      »Da!« Kathy Porter war stehengeblieben und deutete mit halb angehobenem Arm auf das Ende des Korridors. Ihre Augen hatten sich geweitet. Lady Simpson fuhr herum und erkannte tatsächlich ein weißes Etwas.

      Es war vielleicht einen Meter groß, breit und in dauernder Bewegung. Es schien auseinanderzufließen, zog sich wieder zusammen, kroch dann flach über den Boden und war im nächsten Moment auch schon wieder verschwunden.

      James Cortlay verlor einiges von seiner Selbstbeherrschung. Er ließ das Gepäck mit einem lauten Aufschrei zu Boden fallen und sah Lady Simpson entgeistert an. Kathy Porter nutzte die Gelegenheit, sich schutzsuchend an ihn zu schieben.

      Lady Simpson aber richtete sich auf. Ihre Nasenflügel vibrierten nervös und ihre Augen funkelten animiert.

      »Sehr schön«, sagte sie dann anerkennend. »Das ist wirklich neu. Solch ein Gespenst habe selbst ich noch nicht gesehen.«

      Der Pompadour an ihrem Handgelenk setzte sich unternehmungslustig in Bewegung. Grimmig setzte sich die Amateurdetektivin in Bewegung und marschierte auf die Stelle zu, wo eben noch die seltsame und unheimliche Erscheinung gewesen war.

      *

      »Ein bemerkenswertes Gespenst«, sagte Butler Parker. »Es dürfte, wenn ich so sagen darf, dem gängigen Standard keineswegs entsprechen.«

      »Das hat mich ja so verblüfft, Mister Parker.« Lady Simpson nickte. »Es war wie vom Erdboden verschwunden, ich war leider nicht schnell genug, um es aufhalten zu können.«

      Parker befand sich in den Räumen, die man Lady Simpson zur Verfügung gestellt hatte. Es gab hier einen hübsch eingerichteten Wohnraum, ein Schlafzimmer und ein Bad. Auf der anderen Seite des Badezimmers befand sich das Zimmer, in dem Kathy Porter wohnte. Kathy war bereits mit dem Auspacken der Koffer beschäftigt und lächelte, als sie an den Hausverwalter dachte.

      »Irgendein geschickter Trick«, meinte sie dann. »Aber ich möchte behaupten, daß Mister Cortlay wirklich Angst hatte.«

      »Wissen Sie bereits, wer in diesem Haus arbeitet?« fragte Lady Simpson, sich an Parker wendend.

      »Ich war so frei, Mylady, mir einen ersten Überblick zu verschaffen«, gab Parker gemessen zurück. »Es gibt eine Köchin, eine Küchenhilfe, zwei Hausangestellte und besagten Mister Cortlay.«

      »Sie kommen mit dem großen Haus zurecht?« wunderte sich Lady Simpson sichtlich.

      »Vor einigen Wochen kam es zu einer Art Massenkündigung«, berichtete Parker weiter. »Es ist mir peinlich, Mylady, diesen Punkt berühren zu müssen, aber Lady Wolverton scheint nicht im Besitz jener Mittel zu sein, die benötigt werden, um soviel Personal zu halten.«

      »Sollte Dorothy pleite sein?« Lady Simpson schüttelte irritiert den Kopf. Das konnte sie sich nicht vorstellen. Dorothy war doch nicht unvermögend, das nun wirklich nicht.

      »Die Löhne für die Angestellten konnten nicht mehr angewiesen werden«, sagte Parker höflich. »Daraufhin kam es seitens der