„Lassen Sie’s gut sein“, winkte Rander lächelnd ab. „Hauptsache, diesen Gaunern wurde das Handwerk gelegt. Wer das geschafft hat, ist schon nicht mehr wichtig. Ich möchte sogar sagen, daß es für meinen Butler und für mich eine angenehme Abwechslung war!“
„In der Tat, Sir“, erlaubte Parker sich bemerkbar zu machen, „es schmeichelt einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann, von reizenden Nymphen und Nixen umgeben zu sein.“
„Die Sie aber um ein Haar umgebracht hätten!“ Halloway wiegte den Kopf zweifelnd hin und her.
„Diese Risiken muß man in Kauf nehmen, Sir.“ Parker ließ sich nicht beirren. Dann sah er auf seine zwiebelförmige Taschenuhr und wandte sich an Rander: „Darf ich darauf aufmerksam machen, Sir, daß Sie in dreißig Minuten in der Industrie- und Handelskammer erwartet werden?“
„Wir sehen uns später“, meinte Halloway.
„Ganz sicher.“ Rander nickte Halloway zu und ging zusammen mit seinem Butler hinüber zum hochbeinigen Monstrum. Als sie im Wagen des Butlers Platz genommen hatten, griff Parker in die Tasche seines Zweireihers und zog die bewußte Handgranate hervor, die er den Gangstern im Schwimmkeller gezeigt hatte. Er legte sie ohne jede Vorsicht in das Handschuhfach.
„Sind Sie wahnsinnig?“ schrie Rander und sprang entsetzt hoch, „Sie haben doch den Sicherungsstift herausgezogen.“
„Nun, Sir, messen Sie dem keine Bedeutung bei“, bat Josuah Parker würdevoll, „selbstverständlich handelte es sich um eine Plastikhandgranate, wie man sie in einschlägigen Spielwarengeschäften leider erstehen kann. In diesem Fall muß ich jedoch gestehen, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlte! Ich hoffe, Sir, Sie waren mit meiner bescheidenen Wenigkeit zufrieden.“
„Zufrieden?“ Rander schmunzelte und setzte sich wieder behaglich zurecht, „Sie sind unerreichbar, aber das wissen Sie wohl selbst!“
Parker errötete.
„Sie schmeicheln einem alten Mann“, gestand er dann leicht verschämt, „ich werde mich bemühen, Sie auch in Zukunft zufrieden zu stellen!“
- E N D E -
„Ich wäre Ihnen ungemein verbunden, Sir, wenn Sie Ihren Schuh aus meinem Gesicht nehmen würden“, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art und mit einer Stimme, die weder Panik noch Angst verriet. „Darf ich mich bei dieser passenden Gelegenheit nach Ihrem Befinden erkundigen?“
„Wenn nicht bald etwas geschieht, werde ich ertrinken“, gab Mike Rander präzise Auskunft über seine Lage, „wissen Sie eigentlich, was passiert ist?“
„Mir scheint, daß die Jacht auf ein Riff geschleudert wurde.“ Parker wartete geduldig darauf, daß der hinderliche Schuh seines jungen Herrn endlich ein wenig zur Seite geschoben wurde. Dann versuchte er sich aufzurichten und etwas zur Befreiung aus dieser mißlichen Lage zu tun.
Das Wrack schlingerte und dümpelte in der noch sehr starken Dünung. Die Wellen schlugen hart gegen den teilweise zerfetzten Schiffsrumpf und ließen es in unregelmäßigen Abständen erzittern. Mike Rander hatte nicht übertrieben. Das Wasser im Rumpf stieg stetig und füllte die zertrümmerte Kabine von Sekunde zu Sekunde immer höher aus.
„Jetzt können Sie zur Abwechslung mal Ihren Ellbogen aus meinem Kreuz nehmen“, bat Mike Rander. Er spuckte heftig und hatte Mühe, den Kopf über Wasser zu halten.
„Sofort, Sir“, erwiderte Parker gemessen, „sobald Sie mir die Chance einräumen, Ihrem Knie zu entgehen.“
„Beeilen Sie sich!“ Rander spuckte erneut, „ich mache bereits eine Trinkwasserkur mit!“
Mike Rander und Josuah Parker befanden sich in einer äußerst prekären Situation. Sie ahnten oder wußten, daß das Wrack in der nächsten Minute vom Riff abrutschen konnte. Und das hätte ihren sicheren Tod bedeutet. Dennoch behielten sie die Nerven. Oder sie taten wenigstens so, als sei gleich alles überstanden.
Parker wuchtete sich noch einmal hoch, drückte den hinderlichen Schuh aus dem Gesicht, griff mit den Händen nach einer durchhängenden Planke und zog sich hoch. Anschließend kümmerte er sich um seinen jungen Herrn, zerrte ihn in die Höhe und schob ihn durch das rissige Loch in der Kabinendecke hinauf auf Deck.
Mike Rander blieb keuchend liegen und kämpfte gegen eine Übelkeit an. Er hatte bereits zuviel Salzwasser geschluckt, was seinem Magen nicht so recht bekam.
„Wo … wo wollen Sie denn hin?“ fragte er, als Parker sich anschickte, noch einmal zurück in die fast überflutete Kabine zu steigen.
„Ich vermisse meinen Regenschirm, Sir!“
„Auf den würde ich pfeifen, Parker. Hier brauchen Sie keinen Schirm mehr!“
Parker überging diese Prophezeiung, verschwand im rissigen, ausgezackten Loch, das wie ein Haifischmaul aussah, und kümmerte sich um seinen Universal-Regenschirm. Mike Rander richtete sich auf und begutachtete die allgemeine Lage …
Das Wrack der „Seejungfrau“ lag tatsächlich auf einem Riff, gegen das die starke Brandung donnerte. In der Lagune war das Wasser wesentlich ruhiger. Hier trieben Wrackteile herum, ein angeschlagenes Schlauchboot und Liegestühle, alles Gegenstände, die eigentlich auf die „Seejungfrau“ gehörten. Hinter der Lagune war ein weißer Sandstrand, auf dem jetzt armdicke Seetangstränge häßlich herumlagen. Die Palmen jenseits dieses Strandes bogen sich im starken Wind, der allerdings seine Orkanstärke schon längst hinter sich hatte. Von Schiffbrüchigen war nichts zu sehen.
„Wo bleiben Sie denn?“ Rander sah seinen Butler vorwurfsvoll an, „es wird Zeit, daß wir uns absetzen. Das Wrack spielt nicht mehr lange mit!“
Der Anwalt hatte seinen Satz gerade beendet, als die „Seejungfrau“ fast so etwas wie einen höflichen Knicks machte. Unter häßlichem Brechen und Bersten kippte sie weiter über und konnte nun von der schweren Brandung noch besser bearbeitet werden.
„Ich war so frei, Sir, gleich meinen Spezialkoffer mit heraufzubringen“, sagte Parker und stellte Koffer und Schirm neben sich. „Haben Sie noch besondere Wünsche, was Ihre Privathabe angeht?“
„Ich habe nur den einen Wunsch, so schnell wie möglich drüben an den Strand zu kommen.“
„Mit einem Schlauch- oder Rettungsboot kann ich zur Zeit leider nicht dienen, Sir.“
„Die paar Meter werden wir auch schwimmen können“, sagte Rander. „Ich möchte nur wissen, was aus Paul Broken und seinen Gästen geworden ist.“
„Ich möchte doch sehr hoffen und wünschen, daß sie sich haben retten können, Sir, zumal ich einige Fragen zu stellen hätte!“
„Fragen?“
„Unter anderem würde mich ungemein interessieren, zu erfahren, Sir, wer die Kabinentür verriegelt hat!“
„Wovon reden Sie eigentlich?“ Rander fragte nur beiläufig. Er kam nicht von den Brechern los, die das Wrack jetzt wild durchschüttelten. Es konnte nur noch eine Frage von Minuten sein, bis die „Seejungfrau“ sich endgültig in ihre Einzelbestandteile auflöste.
„Ich möchte Ihnen keineswegs verhehlen, Sir, daß die Kabinentür von außen, ich betone, von außen, verriegelt war, wie ich eben unter Wasser feststellen konnte. Mit anderen Worten, Sir, irgendwelche Personen an Bord der „Seejungfrau“ hegten ein gewisses Interesse daran, daß Sie und meine bescheidene Wenigkeit diesen Orkan samt Strandung nicht überlebten!“
Mike Rander vergaß prompt die Brandung. Er starrte seinen Butler sehr entgeistert an.
*
Sie schwammen noch in der Lagune, als die „Seejungfrau“ ihren Geist aufgab.
Schwere