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Als sie unter die Felle und Decken kroch, tobte in Menja das Chaos. Überall darin hing Ragnars unwiderstehlicher Geruch, was ihr Inneres noch mehr in Aufruhr versetzte. Es drohte aus ihr herauszubrechen wie heiße Lava aus einem Vulkan, so erzürnt war sie.
»Für wen hält sich dieser Barbar, für einen Gott?«, zischte Menja. Tränen des Zorns liefen ihr über die Wange, aber sie weinte auch über ihr Schicksal. Wie hatte ihr Vater sie nur diesem Waldfürsten schenken können? Sie war doch kein Vieh! Es schien, als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen. Sie war an einen Mann geraten, der schon immer ihr Herz zum Flattern gebracht hatte, und dann stellte sich heraus, dass er seinem Ruf alle Ehre machte und sie derart quälte. In ihren Träumen hatte sie sich nach Ragnar verzehrt. Er war in ihr Dorf gekommen, ihre Völker hatten Frieden geschlossen und sie war seine Frau geworden. So viele Nächte hatte sie sich das gewünscht und jetzt zerplatzte ihr Traum wie eine Seifenblase.
Als sie wenig später hörte, wie Ragnar sich näherte, tat sie so, als würde sie schlafen. Menja blinzelte durch ihre blonden Wimpern. Das flackernde Feuer, das noch im Wohnraum brannte, erhellte schwach das Podest, auf dem die Decken und Felle lagen. Ragnar war nackt. Seine männliche Erscheinung trat durch das Spiel von Licht und Schatten noch deutlicher hervor. Hier stand der Mann, von dem sie so lange geträumt hatte. Aber die Realität sah immer anders aus.
Als Ragnar in ihre Richtung blickte, schloss sie schnell die Lider. Sie hörte, wie er unter die Decken schlüpfte und fühlte seinen warmen Arm, der sich um ihre Taille legte, um sie an sich zu ziehen. Ihre nackten Körper trafen sich unter den Decken, worauf Menja ein leiser Seufzer entfuhr. Möglichst unauffällig kuschelte sie sich an seine Brust und konzentrierte sich darauf, tief schlafend auszusehen. Sie wusste, dass er sie im Badehaus nur auf das vorbereitet hatte, was nun folgen würde.
Menja konnte direkt fühlen, wie intensiv Ragnar sie mus-terte. Eine Hand hatte er besitzergreifend in ihren Haaren vergraben, mit der anderen streichelte er ihre entblößte Schulter. Plötzlich fuhr ein Finger sanft über ihr Gesicht und verwischte die feuchte Spur, die eine dicke Träne dort zurückgelassen hatte. Seine Zärtlichkeit trieb Menja erneut die Feuchtigkeit in die Augen. Sie gehörte normalerweise nicht zu den nah am Wasser gebauten Frauen, doch gegen diesen Hünen hatte sie keine Chance. Er spielte mit ihren Gefühlen wie es noch niemand zuvor getan hatte.
Wider Erwarten näherte er sich ihr nicht mehr, sondern zog sie fest an seine Brust. Kurze Zeit später lauschte Menja seinen tiefen und gleichmäßigen Atemzügen. Ragnar war eingeschlafen.
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Im ersten Moment, nachdem Menja die Augen geöffnet hatte, wusste sie nicht, wo sie sich befand. Vollständige Dunkelheit, Wärme und ein ihr mittlerweile vertrauter Geruch hüllten sie ein: Ragnar! Sie rückte von seiner Brust ab und steckte den Kopf aus der Decke. Sie musste sich erst von Ragnar losmachen, denn er hielt noch immer ihr Haar fest.
Barfuß und nackt tapste sie in die große Halle, aus der ein orangefarbenes Leuchten kam. Das Feuer war heruntergebrannt. Schnell legte sie ein paar Scheite in die Glut und blies vorsichtig dagegen, bis eine Flamme aufzüngelte und das trockene Holz sich entzündete.
Ihr Magen knurrte. Menja suchte nach etwas Essbarem, vielleicht einer Erdknolle oder einer Rübwurzel, aber sie fand nur in Salz eingelegtes Dörrfleisch. Natürlich, die Waldländer waren Jäger. Sie hatten kein Gemüse. Aber von der Fleischsuppe war noch ein kalter Rest übrig, den sie leise aus dem Kessel in eine Schale goss und austrank. Dabei schweiften ihre Augen durch die geräumige Halle. Vorhin war sie zu aufgeregt gewesen, um ihre Umgebung richtig wahrzunehmen, aber jetzt erstaunte sie es, wie prachtvoll das Haus geschmückt war. Ragnar musste sehr reich sein. Auf den zahlreichen Bänken lagen wertvolle Felle, die Holzwände waren mit Tierschädeln behangen. Viele davon waren mit glänzenden Metallplättchen verziert, der Schädel eines Bären sogar mit Edelsteinen. Alles wirkte sehr gemütlich und sorgte für eine wohlige Atmosphäre.
Abermals kam der Gedanke an Flucht auf. Sie ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit. Ragnar hatte nicht abgesperrt. Draußen war es so dunkel, dass sie nicht einen einzigen Schatten erkennen konnte. Der Mond hielt sich hinter einer dicken Wolkenschicht versteckt. Menja hörte ein unheimliches Heulen, das aus dem Wald kam, worauf sie die Tür sofort wieder schloss. Nein, eine Flucht war unmöglich!
Also schlich sie schweren Herzens zurück zu Ragnar, der auf dem Rücken lag und scheinbar fest schlief. Eine Weile betrachtete sie im schwachen Lichtschein sein entspanntes Gesicht. Ragnars Lippen waren leicht geöffnet, ein Arm lag angewinkelt neben seinem Kopf. In Reichweite lag sein Schwert, das er überallhin mitnahm, wie Menja schon aufgefallen war. Die kunstvollen Verzierungen fesselten ihren Blick. Die Leute ihres Volks waren ebenfalls gute Handwerker, auch wenn sie sich weniger auf die Herstellung von Waffen verstanden.
Vorsichtig glitt ihr Finger über die scharfe Schneide, wobei Menja ein fürchterlicher Gedanke kam: Was würde geschehen, wenn sie die schwere Waffe in ihre Hände nähme, um Ragnar damit ...
Abermals sah sie ihn an. Er wirkte so friedlich, wenn er schlief, und äußerst attraktiv. Menja war sich sicher, dass ein guter Kern in ihm steckte. Als sie sich vorhin schlafend gestellt hatte, hätte er sie dennoch nehmen können, doch das tat er nicht. Stattdessen hatte es beinahe so ausgesehen, als wollte er sie trösten.
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