MAUSOLEUM 2069. Rick Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rick Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354357
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auf den Bildschirm des Geräts, um seine Stichpunktliste aufzurufen. »Den Medien wurde zugespielt, dass Governor Anderson tödlich erkrankt war und mutwillig unterlassen hatte, ihre Verfassung wie von Gesetzeswegen her vorgeschrieben, öffentlich zu machen. Alle Berichte und Dokumente wurden abgeändert, um den Eindruck zu vermitteln, dass sie unzurechnungsfähig gewesen war, und vor allen darauf hinzuweisen, dass Sie noch versucht haben, die Situation zu entspannen, es aber trotz ihres tapferen Bestrebens, ihr Leben zu retten, nicht vermocht haben.« Er nahm das Tablet wieder herunter. »Sie gelten jetzt als Held, Mr. President.«

      Michelin drehte sich wieder zum Spiegel um und ließ sich zu einem verhaltenen, schiefen Grinsen hinreißen. »Gute Arbeit, John. Ich bin stolz auf Sie.«

      »Wie versprochen, Mr. President, habe ich es durchgezogen. Ich habe den Sachverhalt zu Ihren Gunsten umgekehrt.«

      »Das kann man wohl sagen, John; genau das haben Sie getan.«

      »Etwas ist allerdings noch offen«, gab Eldridge zu bedenken. »Wir müssen dafür sorgen, dass Ihre guten Prognosen auch so bleiben.«

      »Und wie?«

      »Governor Anderson soll übermorgen ehrenhaft in Mausoleum 2069 bestattet werden; Ihre Anwesenheit dort würde Ihr Image noch mehr stärken.«

      Nun schaute ihn Michelin enerviert an. »Dafür gibt es doch bestimmt auch eine andere Möglichkeit, oder?«

      »Ich fürchte nein, Mr. President. Im Augenblick ist nichts wichtiger als die Schärfung Ihres Profils. Wir müssen die Korruptionsvorwürfe unbedingt verstummen lassen und die gegenwärtige Vertrauenskrise innerhalb Ihrer Regierung beenden. Dieser Schritt würde uns eine solide Grundlage bieten, um weiter darauf aufbauen zu können, besonders, da in zwei Monaten die Vorwahlen in New Miami anstehen. Man würde Sie als teilnahmsvollen Mann wahrnehmen … als einen Menschen mit hehren Absichten. Wir müssen das tun.«

      Michelin willigte zähneknirschend ein. »Also gut«, sagte er. »Dann setzen Sie eine Grabrede auf; sie soll aber kurz sein und schnell auf den Punkt kommen. Ich will es nicht länger ausdehnen als nötig, ist das klar?«

      »Jawohl, Sir, Mr. President. Ich setze die Schreiber sofort darauf an.«

      Als Eldridge verschwunden war, trat Michelin auf den Balkon und überblickte die Lichter von New Miami. Im Dunkeln erinnerte ihn die Stadt an einen Haufen Diamanten, die ausgebreitet auf schwarzem Samt vor ihm lagen, eine wunderbare Aussicht.

      Dann schaute er zu den winzigen Leuchtpunkten am Himmel auf. Er wusste, bei einigen davon handelte es sich keineswegs um Sterne, sondern um die strahlenden Ringe von Satelliten oder einfach nur um Weltraumschrott. In zweiundsiebzig Stunden würde er hoch über der Erde kreisen und durch ein Bullauge hinunter auf sein Königreich blicken.

      Dann würde sich ihm allerdings kein prachtvolles Bild wie jenes von New Miami bei Nacht bieten, sondern das eines sterbenden Planeten, dessen Ozeane von Blau zu Grau umgekippt waren, da sich ihr letztes Plankton aufgelöst hatte, und das einer Landschaft, in der die Farbe von Wüstensand überwog.

      Ihm oblag es jedoch, über dieses Reich zu herrschen und er fand es immer noch besser, als gar kein Reich zu haben.

      Präsident Michelin war durchaus zufrieden.

      Kapitel 6

       Mausoleum 2069

      »Also gut, Leute, alle hergehört.« Eric Wyman war als Besatzungschef hauptsächlich dafür verantwortlich, dass alles an Bord reibungslos verlief, indem er sein Team in der Spur laufen ließ. Er war über eins-neunzig groß, hatte breite Schultern und eine schmale Taille sowie einen Teint, der an gegerbtes Leder denken ließ, doch sein herausragendes Körpermerkmal waren die verschiedenfarbigen Augen. Infolge eines Leidens war eine Pupille so hellblau geworden, dass sie sich fast nicht mehr vom Weiß der umliegenden Netzhaut unterscheiden ließ; das andere Auge war hingegen so schwarz, dass man aufgrund der sehr dunklen Iris glaubte, es habe gar keine Pupille. Doch Kontrast hin oder her: Sie standen bezeichnend für Wyman als ehemaligen Kommandanten, der die Wastelands oftmals nach Aufständischen durchkämmt hatte. Das hellblaue Auge deutete auf eine zutiefst mitfühlende und zuvorkommende Person hin … einen Menschen des Lichts; das dunkle jedoch repräsentierte seine Bereitschaft zu extremer Gewalt, wenn er an seine Grenzen getrieben wurde.

      An einem Edelstahltisch in der Mitte der Bordküche, die klein und eng war, scharten sich nun seine Untergebenen.

      Jen Jacoby hatte neben Sheena Tolbert Platz genommen, der brünetten Aufseherin der Internierung. Sie war klein und eher niedlich als hübsch, mit ihren sommersprossigen Wangen, unnatürlich geraden Zähnen und den warmen grauen Augen.

      Schott saß ihnen mit defensiv verschränkten Armen gegenüber und sah aus, als sei ihm die Besprechung mehr als lästig. In seinem Gesicht standen graue Barthaare, die sich leicht kräuselten und ihn stets ungepflegt wirken ließen. Momentan machte er einen extrem missbilligenden Eindruck.

      Nachdem er die Aufmerksamkeit aller gewonnen hatte, gab Wyman die Informationen weiter, die er auf seinem Tablet aufgerufen hatte. »Wir haben gerade von den hohen Tieren in New DC eine Order bekommen. Übermorgen findet in New Miami die Gedenkfeier für Governor Anderson statt, woraufhin sie hierher zu uns befördert wird, wo eine abschließende Zeremonie mit einem Aufgebot wichtiger Gäste – darunter auch Präsident Michelin – vorgesehen ist. Diese Sache genießt hohe Priorität. Wir müssen also absolut perfekte Arbeit leisten.«

      »Von wie viel hohem Besuch sprechen wir denn?«, fragte Sheena.

      Wyman schaute auf seinem Tablet nach. »Neben Michelin werden es zwei elysische Senatoren, sein Hauptberater, die Tochter der Gouverneurin und seine Garde, die aus vier bewaffneten Leibwächtern besteht, sein. Nicht zu vergessen natürlich der Priester, also insgesamt zehn Personen. Ihr begreift also, warum wir uns bei dieser Sache von unserer absoluten Sonnenseite zeigen müssen – und damit meine ich auch dich, Jim.«

      Schott drehte sich weg und schnaubte abfällig.

      »Man teilte mir aber mit, dass die Bestattungsfeier nicht lange dauert. Es gibt keinen großen Aufwand; wir müssen nichts weiter tun, als das Grab herzurichten.« Er fuhr mit einem Finger über den Schirm, um Seiten durchzublättern. »Governor Anderson wird auf der Ebene des Observatoriums untergebracht: Sektion 6, Grab 3478.«

      »Also mit Bausch und Bogen«, meinte Schott.

      »Alles vollständig von der FFE bezahlt, der Föderation der Felder von Elysium«, ergänzte Wyman. »Noch Fragen?«

      Niemand hatte welche.

      »Also gut, Leute, ihr wisst, was ihr jetzt zu tun habt. Zeit zum Arbeiten.«

      Jim Schott und Jen Jacoby verschwanden durch verschiedene Schleusen in unterschiedliche Bereiche des Schiffs, doch Sheena Tolbert blieb sitzen.

      Wyman legte das Tablet hin, setzte sich neben sie und streichelte mit mehreren Fingern sanft über ihre Wange.

      Sie hob eine Hand, hielt seine fest und drückte sie an die Seite ihres Gesichts. »Ich hab dich gestern Nacht vermisst«, sagte sie.

      »Jim und ich mussten die Geosphären neu kalibrieren, was lange gedauert hat. Wir waren erst um drei Uhr heute Morgen fertig und ich wollte dich nicht extra wecken.«

      Die Geosphären dienten zur Verankerung des Schiffes. Es handelte sich dabei um acht magnetisch aufgeladene Kugeln rings um das Mausoleum herum, deren Felder sozusagen als Halteleinen maximale Stabilität gewährleisten sollten. Funktionierten zwei Sphären nicht synchron, bekam die Anlage Schlagseite, sodass man sie neu einstellen musste. Eine äußerst zeitintensive Angelegenheit.

      »Heute Nacht komme ich aber«, versprach er ihr mit sanfter Stimme.

      Sie lächelte und gab ihm einen Kuss auf den Handrücken. »Das hoffe ich für dich.«

      »Ich werde da sein, verlass dich drauf.« Er beugte sich nach vorn und küsste ihre Stirn. »Geh und hilf Jen beim Vorbereiten des Grabes der Gouverneurin. Ich muss noch