Er schaute sich nach Hazel Belmont um.
Sie war nicht mehr zu sehen. Sie hatte die günstige Gelegenheit ergriffen und war hinüber zur Insel gegangen. Es war fast selbstverständlich, daß sie Randers Beutewaffe mitgenommen hatte.
Der junge Anwalt kühlte seinen schmerzenden Kopf mit dem tiefblauen Wasser der Lagune. Und er ärgerte sich, daß er Hazel vertraut hatte. Ihm wurde klar, daß sie ihn systematisch eingelullt hatte und Parker einen tollen Bären aufgebunden haben mußte. Diese Seejungfrauen waren mehr als nur Hostessen! Ähnliches hatten Rander und Parker früher schon einmal vermutet.
Rander setzte sich hoch. Was sollte er jetzt tun? Versuchen, zu Parker zu stoßen? Oder war es richtiger, noch hier an Bord zu bleiben? Er stand auf, doch seine Beine machten da nicht so recht mit. Sie trugen ihn noch nicht, gaben nach und waren schwammig, weich. Rander seufzte und ließ sich nieder. Selbst wenn er es gewollt hätte, er hätte es nicht geschafft. Wütend gestand er sich ein, daß er vorerst auf der „Seejungfrau“ bleiben mußte.
Es war also fast so wie schon oft in der Vergangenheit. Sein Butler schien einfach unverwundbar zu sein, und Parker hielt wieder einmal alle Fäden in der Hand.
Mike Randers Kopf wurde plötzlich fast magnetisch von einer Bewegung am Strand angezogen.
Mühsam richtete er sich noch einmal auf und sah genauer hinüber. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Dort unter den Palmen stand Mrs. Ethel Forest und winkte aufgeregt, als sei etwas Schreckliches passiert …
*
„Danke“, sagte Kathy Lombard, die inzwischen wieder zu sich gekommen war. Sie sah an sich herunter und lächelte. Parker hatte sie angezogen, schnell und geschickt.
„Ich hoffe, es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut“, sagte Parker, „wegen der Verletzung sollten Sie sich keine Sorgen machen. Miß Lombard … In spätestens zwei Wochen wird man nur noch eine schwache Narbe sehen.“
„Wer hat geschossen?“
„Judy Harless!“
„Sie ist gefährlich“, sagte Kathy Lombard, „hüten Sie sich vor ihr, Mister Parker!“
„Ist sie gefährlicher als Sie, Miß Lombard?“
„Sie wollen jetzt alles wissen, nicht wahr?“ Sie setzte sich etwas auf und war erstaunt, wie gut dies gelang. Wahrscheinlich war sie sogar überrascht, daß die Verletzung tatsächlich nicht so schlimm war, wie sie vermutet hatte.
„Einige Informationen könnten in der Tat nicht schaden“, meinte Josuah Parker, „aber ich möchte betonen, daß ich Sie niemals zwingen würde, irgendwelche Aussagen zu machen.“
„Ich bin wirklich Angestellte der Midways“, sagte sie, „das ist eine Detektiv-Agentur in Honolulu …“
„Wer engagierte Sie, wenn ich so direkt fragen darf?“
„Mister Broken … Er sagte uns, er sollte umgebracht werden. Er war ein paarmal anonym angerufen worden.“
„Hatte er einen bestimmten Verdacht?“
„Keswick!“
„Ließ er sich darüber etwas näher aus?“
„Er sagte uns, Keswick wollte Alleininhaber der Firma werden. Mister Broken zeigte uns Geschäftsunterlagen, aus denen hervorgeht, daß Keswick heimlich Aktienpakete der gemeinsamen Firma auf kauft.“
„Dies ist durchaus üblich“, erwiderte Parker, „Partner ist man nur solange, wie es gemeinsame geschäftliche Interessen gibt … Wieso fühlte er sich aber von Keswick bedroht?“
„Wenn Broken stirbt, hat Keswick das Vorkaufsrecht, das ist vertraglich ausgemacht.“
„Ist dies umgekehrt auch der Fall?“
„Richtig“, gab sie zurück, „falls Keswick etwas zustößt, hätte Broken alle Möglichkeiten, sich Keswicks Anteile zu besorgen.“
„So etwas könnte man überspitzt Einladung zum Mord bezeichnen“, sagte Parker und deutete ein feines Kopfschütteln an. „Ich frage mich jetzt, warum Mister Broken zu dieser gemeinsamen Ferienfahrt einlud?“
„Das weiß ich nicht. Ich nehme aber an, er wollte Keswick zwingen, endlich einmal Farbe zu bekennen! Vielleicht wollte er sich mit ihm auch nur versöhnen.“
„Wir werden Mister Broken über dieses Thema befragen“, entschied der Butler, „wenden wir uns den drei Damen Owen, Harless und Belmont zu. Miß Lombard. Sind Ihnen diese Damen bekannt?“
Zu seiner Überraschung nickte sie.
„Tatsächlich, Miß Lombard? Als was kennen Sie diese drei Damen?“
„Es sind Angestellte von Keswick“, entgegnete sie, und ihre Stimme wurde immer sicherer, „sie arbeiten in einem Nachtbetrieb!“
„Der Omahu heißt?“
„Stellen Sie sich keine übliche Bar oder ein übliches Hotel vor, Mister Parker. Das Omahu ist eine Spielhölle, die sich gewaschen hat. Und die drei Mädchen leiten den Laden. Es sind Frauen, die hart sind und alle Tricks kennen.“
„Sollte ich unterstellen, daß sie bereits mit den Gesetzen in Konflikt geraten sind?“
„Das stimmt sogar“, redete Kathy Lombard weiter, „sie waren etwas zu drastisch in ihren Methoden, als sie sich mit angetrunkenen oder ausgeplünderten Gästen auseinandersetzten …“
„Eine nette Mannschaft, die Mister Broken sich da an Bord der ‚Seejungfrau‘ holte!“
„Freiwillig tat er es nicht, obwohl er keine Ahnung hatte, wer sie sind … Keswick bestand darauf, daß sie mitkamen. Broken roch sofort Lunte. Er glaubte zu wissen, daß sie ihm wichtige Papiere ab jagen sollten, für die Keswick sich interessierte.“
„Und worin, wenn ich immer weiterfragen darf, bestand Ihre Aufgabe?“
„Ich sollte vorsichtig herausfinden, was sie eigentlich wirklich wollten. Keswick hatte ja nur einen vagen Verdacht.“
„Fanden Sie Mister Brokens Argwohn bestätigt?“
„Wegen des Orkans ist es dazu gar nicht mehr gekommen, Mister Parker!“ „Bliebe noch Miß Pamely Clayton … Ist sie Ihnen ebenfalls bekannt?“
„Nein … Aber ich sage Ihnen ehrlich, daß ich es ihr einfach nicht abnehme, daß sie so harmlos ist wie sie tut!“
„Die Situation ist nach wie vor äußerst verwickelt“, meinte der Butler, „bliebe noch das Ehepaar Forest … Wieso ist es von Mister Broken eingeladen worden? Sie werden ihm entsprechende Fragen ja wohl gestellt haben.“
„Die Forests …!“ Kathy Lombard hob die Schultern, „aus diesem Ehepaar werde ich einfach nicht klug … Als ich Mister Broken danach fragte, wich er aus. Ich habe nur so viel mitbekommen, daß sie um ein paar Ecken mit ihm verwandt sein müssen. Aber wenn Sie mich fragen, Mister Parker, so halte ich das für eine Ausrede, die mich nicht überzeugen kann!“
„Falls man Verwandte dieser Provenienz einlädt, müssen schon mehr als triftige Gründe vorliegen“, sagte Parker und nickte andeutungsweise. „Haben Sie besondere Wünsche, wohin Sie gebracht werden möchten?“
„Bringen Sie mich dahin, wo ich vor dem Mörder sicher bin“, sagte Kathy Lombard …
*
„Ich habe ja solch eine schreckliche Angst“, sagte Ethel Forest, als Mike Rander durch das seichte Wasser hinauf zum Sandstrand stieg. Rander fühlte sich zwar immer noch schwach auf den Beinen, doch die Aussicht, etwas tun zu können, belebte ihn immer mehr.
„Was ist denn passiert, Mrs. Forest?“ fragte Rander.
„Ich … Ich glaube, John und ich haben einen Toten gesehen.“