Mit einer ungewollten, dennoch formvollendeten Verbeugung ging der Butler in die Knie und nahm volle Deckung.
*
„Nehmens Sie’s nicht weiter tragisch“, sagte Mike Rander eine halbe Stunde später zu seinem Butler, „warum sollen nicht auch Sie mal eine Pleite erleben!“
„Dieser Schuß, Sir, war sehr aufschlußreich, wenn ich es so ausdrücken darf.“
„Ach nee!“ Rander grinste seinen Butler spöttisch an.
„In der Tat, Sir. Dieser schallgedämpfte Schuß fiel in einem Augenblick, als ich den Vorzug hatte, Miß Pamela Clayton, Mister Broken und Mister Curson beobachten zu können. Diese drei Personen scheiden demnach einwandfrei als Schützen aus!“
„Natürlich, Parker! Daß ich daran nicht gedacht habe! Kommen als Schützen also nur noch Keswick, Judy Harless und Kathy Lombard in Betracht!“
„Und das Ehepaar Forest, Sir, das man auf keinen Fall vergessen sollte.“
„Der Vollständigkeit halber können wir aber Hazel Belmont aus dem Verdacht entlassen“, meinte Anwalt Rander. Er deutete hinüber auf Hazel, die sich zusammengerollt hatte und schlief. Oder vielleicht auch zuhörte, was im Augenblick aber nicht von Belang war.
„Ein wahrer Glücksschuß, wenn ich es so bezeichnen darf, Sir.“
„Was wollen wir jetzt tun, Parker?“
„Ich möchte eindringlich vorschlagen. Sir, daß diese schallgedämpfte Waffe so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen wird. Sie ist das, was ich als ausgesprochen unangenehm bezeichnen möchte.“
„Und wie stellen Sie sich das vor?“
„Man sollte diejenigen Personen, die dafür als Waffenträger in Betracht kommen, umgehend und nachdrücklich nach der schallgedämpften Waffe befragen.“
„Umgehend? Während der Nacht?“
„Aus Gründen der Sicherheit, Sir, sollte man dieses Vorhaben auf den Tag verlegen.“
„Fassen wir noch mal zusammen“, sagte Rander, „das Ehepaar Forest also, Keswick, Judy Harless und Kathy Lombard. Das werden wir schnell hinter uns bringen, denke ich. Ich denke, dieses Ehepaar ist für uns wohl kaum interessant.“
„Es hat den Anschein, Sir, wie ich es ausdrücken möchte. Letzte Sicherheit gibt erst eine gründliche Durchsuchung!“
„Aber die beiden Forests kommen als Mörder oder Schützen doch niemals in Betracht, Parker.“
„Möglicherweise, Sir.“
„Sie haben mir doch selbst erzählt, daß sie den Revolver vergruben, den Curson dann wieder ausbuddelte und schließlich an Judy Harless verlor. Den hier!“ Rander hielt den Revolver hoch, den Judy Harless auf dem Wrack zurückgelassen hatte. „Wenn wir es mit Mördern zu tun hätten, wäre die Waffe noch in ihrem Besitz.“
„Dies, Sir, ist ein Argument, dem ich im Moment nichts entgegenzusetzen habe! Bleiben demnach noch Mister Keswick, Judy Harless und Kathy Lombard!“
„Ich werde Ihnen jetzt mal was sagen, Parker. Ich habe mir alles gründlich durch den Kopf gehen lassen. Wir sollten unser Hauptaugenmerk auf diese Kathy Lombard richten!“
„Ich bin davon überzeugt, Sir, daß Sie entsprechende Gründe anführen werden.“
„Diese Lombard ist mir einfach zu clever. Denken Sie daran, wie sie sich gegen Sie gewehrt hat! Denken Sie an Ihr Schienbein! Ich wette, sie mischt hier auf der Insel kräftig mit!“
„Wie Miß Pamela Clayton, in deren Besitz sich erstaunlicherweise eine Unterwasserharpune befindet, Sir!“
„Ich muß schon sagen, daß wir es mit wirklich reizenden Mädchen zu tun haben, Parker!“
„Dem kann und muß ich unbedingt beipflichten, Sir“, sagte Parker trocken, „um es vorsichtig auszudrücken, möchte ich andeuten, daß es auch in den kommenden Stunden wohl kaum Langeweile geben wird.“
*
Als die Sonne aus dem Meer stieg, war der Butler bereits wieder auf der Insel. Sein junger Herr blieb mit Hazel Belmont auf dem Wrack zurück, im Augenblick wohl der sicherste Ort.
Parker untersuchte zuerst einmal die Landzunge. Und vor allen Dingen jenen Platz, an dem May Owen lag. Er sah die Schleifspuren im Sand, die die Aktentasche hinterlassen hatte. Und er entdeckte auch den Standort des Mörders samt Ast. Das war aber auch schon alles. Der Mörder hatte ansonsten keine Spuren hinterlassen.
Parker blieb in der Nähe und wartete geduldig ab. Er hatte sich ausgerechnet, daß man May Owen früher oder später entdeckte. Es war sicher, daß man sich dann um sie kümmern würde.
Lange brauchte er nicht zu warten, denn seine Rechnung ging wieder einmal voll auf.
Er hörte das Knacken von Ästchen, leise Stimmen und sah dann Keswick und Judy Harless vor sich, die sich an die Tote heranpirschten.
„Tatsächlich!“ stellte Keswick fast neutral fest, als er die Tote sah, „May ist vom Mörder erledigt worden!“
„Und hat den Aktenkoffer verloren!“ Judy Harless nickte. „Ich konnte nichts dagegen tun, Mister Keswick. Es ging alles zu schnell. Und als auf May geschossen wurde, habe ich mich abgesetzt.“
„Ihnen macht ja niemand Vorwürfe“, meinte Keswick. „Ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt, Judy!“
„Wer mag den Aktenkoffer haben?“ fügte Keswick hinzu. May Owens Schicksal interessierte ihn nicht, das war deutlich durchzuhören. Ihm ging es einzig und allein um den schmalen Aktenkoffer.“
„Broken natürlich“, erwiderte Judy Harless, „für ihn stellt der Inhalt doch ein Vermögen dar!“
„Weiß Gott!“ Keswick nickte. „Deering hat ja schon für ihn danach tauchen müssen.“
„Mister Keswick, offen … Haben Sie Deering umgebracht?“ Judy war hartgesotten und sprach über dieses Thema wie über die allgemeine Wetterlage.
„Nein!“ Keswick schüttelte den Kopf, „ich hätte mich gehütet, mich mit Deering anzulegen. Er tat nach außen hin, als sei er ein Playboy, in Wirklichkeit war er ein sehr routinierter Killer.“
„Dann begreife ich einfach nicht, auf wessen Konto Deering geht. Interessieren, sich außer Broken und Ihnen denn noch andere Personen für die Tasche?“
„Keine Ahnung.“ Keswick hob die Schultern. „Aber wenn wir aufpassen, werden wir es bald wissen.“
Sie entfernten sich, ohne sich weiter um May Owen zu kümmern. Parker blieb bewußt zurück. Bevor er etwas unternahm, mußte May Owen begraben werden.
Nach etwa zwanzig Minuten hatte May ihre letzte Ruhe gefunden. Parker verharrte eine knappe Minute vor dem Grab. Dann setzte er wieder die schwarze Melone auf und schritt ausgesprochen steif und würdevoll hinüber zur eigentlichen Insel.
Die Unterhaltung zwischen Keswick und Judy Harless war sehr aufschlußreich gewesen, sie bewies im Grunde jedoch gar nichts. Keswick mußte Judy gegenüber ja nicht unbedingt die Wahrheit gesagt haben, was Deering anbetraf. Parker spürte es selbst nachträglich noch in den Fingerspitzen, daß der Geschäftspartner von Broken gelogen hatte.
Hier ging es also um einen schmalen Aktenkoffer, hinter dem Keswick her war. Und Broken seinerseits wollte um jeden Preis vermeiden, daß Keswick in den Besitz dieses Koffers kam. Der Inhalt war also das Entscheidende.
Wer auch immer im Moment den Koffer besaß, er mußte schnell herausfinden, daß wesentliche Dinge fehlten. Dafür hatte der Butler schon gesorgt, nachdem er den Koffer geöffnet und den Inhalt überprüft hatte.
Die Negativaufnahmen, dies wußte selbst Mike Rander nicht, befanden sich in Parkers Besitz. Das heißt, er hatte sich dieser Fotos inzwischen entledigt und sie versteckt. Sie