„Man wird die Decke in meinen Mietwagen hineinpraktiziert haben.“
„Eine faulere Ausrede ist Ihnen wohl nicht eingefallen, wie?“
„Die Wahrheit erinnert häufig an eine faule Ausrede, Mr. Andrew. Im übrigen sind Sie ausgesprochen beleidigend. Als Mörder dieses Mannes hätte ich die Decke selbstverständlich vernichtet, wenn ich sie nicht sogar am Tatort zurückgelassen hätte.“
„Jeder Gangster macht seinen ganz persönlichen Fehler.“ Andrew blieb unzugänglich.
„Dann möchte ich hiermit unsere Unterhaltung für beendet erklären“, sagte Parker, wandte sich ab und verließ das Leichenschauhaus.
Andrew sah ihm aus zusammengekniffenen Augen nach. Culpers und Higgins schnauften wie Dampfloks an einer Steigung und verstanden die Welt nicht mehr. Warum, so fragten sie sich synchron und insgeheim, wurde dieser komische Bursche nicht verhaftet und eingelocht? Warum setzte man ihn nicht so lange unter Druck, bis er die Wahrheit sagte.
„Gehen wir“, meinte Andrew zu seinen beiden Hilfssheriffs, „er entkommt uns nicht … So lange er frei herumläuft, haben wir die Chance, daß er einen Fehler macht …!“
*
Parker befand sich endlich in seinem Hotelzimmer.
Er war, das muß wahrheitsgemäß gesagt werden, redlich müde und sehnte sich nach einem erquickenden Schlaf. Dennoch nahm er sich Zeit, bevor er ins Bett schlüpfte. Als vorsichtiger Mensch, der er nun einmal war, wollte er jeder Eventualität aus dem Weg gehen.
Um völlig ungestört sich der Nachtruhe hingeben zu können, räumte er erst einmal die einteilige Matratze aus dem Bett und schob sie in eine gegenüberliegende Zimmerecke. Hier baute er sich ein warmes Nest, von dem aus später einige hauchdünne und fast unsichtbare Nylonfäden zur Tür und zu verschiedenen anderen Orten des Zimmers abzweigten.
Endlich begab der Butler sich zur Ruhe. Er hoffte auf einen ungestörten Schlaf. An weiteren Sensationen und Überraschungen war er im Moment nicht interessiert.
Doch aus dieser geplanten Nachtruhe wurde nichts, wie sich bald zeigen sollte.
Nach einer knappen Stunde wachte Parker auf. Er blieb unbeweglich liegen, öffnete nur die Augen und setzte seine Ohren als Frühwarnsystem ein.
Draußen vor der Hotelzimmertür tat sich irgend etwas.
Dort mußte sich ein neugieriger Besucher befinden, der jetzt sogar alle Anstalten traf, das Türschloß zu öffnen.
Der Besucher überwand dieses Hindernis wie ein echter Profi. Fast geräuschlos bekam er das Schloß auf, um dann die Tür langsam aufzudrücken. Er nahm sich dabei die notwendige Zeit und überhastete nichts.
Schließlich hatte er es geschafft.
Er stand im Zimmer, drückte die Tür gegen den Rahmen Zurück und verschmolz mit der Dunkelheit, die im Hotelzimmer herrschte. Er hatte jetzt wieder eine kleine Pause eingelegt und wartete, ob sein Opfer etwas gemerkt hatte.
Dieses Opfer hatte nicht nur etwas gemerkt, es wußte durch und durch Bescheid.
Parker zupfte an der ersten Nylonschnur.
Ein blendend helles Blitzlicht, der Tür genau gegenüber angebracht, flammte auf.
Die zweite Nylonschnur …!
Der erstarrte, überraschte Eindringling, der zu diesem Zeitpunkt nichts als grellrote Punkte sah und noch mit dem Überraschungsmoment kämpfte, fühlte einen Schlag mitten auf der Nase. Gleichzeitig breitete sich auf dem Gesicht ein weicher, widerlich klebender Brei aus, der eine Mischung aus Honig und zähem Teig zu sein schien.
Die dritte Nylonschnur …!
Der nächtliche Besucher, der nun vollends die Fassung verloren hatte, spürte einen stechenden Schmerz in der Gegend der rechten, unteren Gesäßhälfte.
Das alles war zuviel!
Er gurgelte, schlug mit den Händen in der Luft herum und verlor dabei sein Schießeisen. Der nächtliche Besucher rutschte aus, als er einen bestimmten Punkt im Zimmer überschritten hatte. Seine Beine wurden förmlich hochgerissen. Krachend landete der Eindringling auf seinen vier Buchstaben und stöhnte gepeinigt auf. Welcher Mensch setzt sich auch schließlich gern oder freiwillig in peinlich spitze Heftzwecken?
Parker schaltete das reguläre Deckenlicht ein und begutachtete seinen Besucher. Es handelte sich um einen jetzt reichlich bekleckerten jungen Mann, schmal wie ein Knabe, gekleidet in einen hautengen Trikotanzug.
„Wenn Sie sich einen kleinen Augenblick gedulden, werde ich Ihnen gern zu Diensten sein“, sagte Parker und barg erst einmal die Waffe seines Gastes. Es handelte sich um eine 22er, eine vom Kaliber her erstaunlich kleine Waffe.
Dies brachte den Butler auf einen Gedanken, der ihm bisher überhaupt noch nicht gekommen war. Er fühlte sich veranlaßt, seinen Besucher etwas anzusehen.
Er staunte nicht schlecht, als er gewisse sekundäre Geschlechtsmerkmale erkannte, die eindeutig darauf hinwiesen, daß er es mit einer jungen Frau zu tun hatte …
*
„Sie können selbstverständlich die Dusche benutzen“, sagte Parker sehr bald darauf, „hoffentlich haben Sie sich nicht zu sehr verletzt.“
„Was Sie da getan haben, war sehr unfair“, sagte Kathy Windham schluchzend und rieb sich die immer noch schmerzende Kehrseite, „wer ahnt denn schon, daß Sie mit solchen Tricks arbeiten …“
„Wer ahnt schon, daß er auf diese Art und Weise besucht wird?“ gab der Butler zurück, „was, so möchte ich fragen, haben Sie sich von dieser Aufwartung versprochen?“
„Darüber reden wir, wenn ich wieder wie ein Mensch aussehe“, erklärte sie, „du lieber Himmel, wie sehe ich aus …! Zum Fürchten, Mr. Parker …!“
Sie hatte gewiß nicht übertrieben. Ihr verklebtes Gesicht erinnerte an die Maske einer Amazonas-Gottheit. Das lange Haar war strähnig und zerzaust. Sie beeilte sich also, ins angrenzende Badezimmer zu gelangen.
Während sie duschte, rollte der Butler seine diversen Fangvorrichtungen ein. Er entfernte die ferngesteuerte Gabelschleuder, die die Klebemasse in das Gesicht der Kathy Windham geschleudert hatte, er entfernte den Kugelschreiber mit der Treibgaspatrone und den schmerzhaften Dornen und sprühte ein wenig Antirutschspray auf jene Stelle des Bodens, die er vorher entsprechend präpariert hatte. Selbstverständlich, daß er die Heftzwecken einsammelte. Er wollte Kathy Windham keine weiteren Überraschungen bereiten. Seiner bescheidenen Ansicht nach hatte sie bereits mehr als genug erdulden müssen.
Sie kam ungewöhnlich schnell zurück in das Hauptzimmer und trug über dem sonst nackten Körper eine Pyjamajacke, die Parker ihr aus seinen Privatbeständen zur Verfügung gestellt hatte. Kathy Windham sah jetzt wieder frisch und ausgesprochen appetitlich aus. Parker musterte sie distanziert, dennoch mit Wohlgefallen.
„Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen gern einen Cognac anbieten, Miß Windham.“
„Und ob ich erlaube“, gab sie lächelnd zurück. Sie schlüpfte in einen Sessel und zog ihre langen, schlanken Beine unter den Körper. Sie benahm sich wie selbstverständlich, völlig unbefangen. Parker schraubte die Flachflasche auf und servierte formgerecht einen Cognac, den sie sofort trank und auch offensichtlich genoß.
„Stellen Sie, bitte, keine Kragen“, sagte sie dann, „ich werde Ihnen alles erzählen.“
„Sie spannen mich auf das, was man die Folter nennt, Madam.“
„Ich weiß jetzt, daß Sie wirklich Mr. Josuah Parker aus Chikago sind.“
„Und wie, wenn ich fragen darf, haben Sie dies herausgefunden?“
„Durch die Überraschungen hier im Zimmer.“
„Sie