„Sie können völlig beruhigt sein, Sheriff“, ließ Parker sich vernehmen und trat ins Licht, „er hat nicht gestanden, weil es nichts zu gestehen gibt …!“
*
Mitternacht …
Josuah Parker war noch unterwegs. Er hatte seinen Wagen in einem kleinen Wäldchen abgestellt und war zu Fuß bis hinauf zum Sherman-Hotel gegangen. Ihm ging es darum, ungesehen dort zu fahnden. Immerhin hatte eine gewisse Kathy Windham ihm zugeflüstert, der Mörder des jungen Harpers könne nur Ernest Litch sein.
Bis auf wenige Fenster war das Hotel um diese Zeit dunkel. Die Hotelgäste lagen sicher schon in ihren Betten. Parker erreichte die Terrasse und ging zur Tür hinüber, hinter der Kathy Windham verschwunden war.
Die Tür war verschlossen.
Parker wollte sich schon abwenden, als er einen Lichtschein wahrnahm, der unter der Tür jetzt sichtbar wurde. Der Butler drückte sich schnell hinter einen der Stützpfeiler, die die Terrasse hielten. Wenig später wurde die Tür aufgeschlossen und geöffnet. Zwei junge Damen traten heraus und stützten einen älteren Mann, der einen zumindest stark angetrunkenen Eindruck machte.
Sie führten ihn etwas mühsam hinüber zum nahen Parkplatz und verstauten ihn in einem Wagen. Anschließend nahm eine der jungen Damen Platz am Steuer, während die zweite Hotelangestellte im Fond Platz nahm. Der Motor wurde Eingelassen. Der Wagen setzte sich ohne Einschalten der Scheinwerfer in Bewegung und verschwand bald darauf in der Dunkelheit.
Parker blieb hinter dem Stützpfeiler stehen und überlegte. Schafften die beiden Hotelangestellten einen Gast weg? Falls ja, wohin und aus welchem Grund? Parker bedauerte es, daß er den Wagen so weit vom Hotel zurückgelassen hatte. So war eine diskrete Verfolgung leider nicht möglich.
Aber da war immer noch die Tür, die die beiden Damen nicht abgeschlossen hatten. Parker drückte sie auf und blinzelte einen Moment lang geblendet in das Licht einer grellen Deckenlampe, die einen langen, schmalen Korridor ausleuchtete. Die Treppe rechts, in der Mitte des Korridors, führte offensichtlich hinauf in die Hotelräume. Der Korridor selbst endete vor einer Tür, die mit Stahlblech beschlagen war.
Josuah Parker, interessiert und neugierig wie immer, hielt auf diese Tür zu. Sie erwies sich als verschlossen. Lagen hinter ihr nur Kellerräume? Barg die Tür irgendein Geheimnis?
Parker verzichtete darauf, sich mit dem Türschloß zu befassen. Er schritt zurück zur Treppe, ging hinauf und erreichte einen viereckigen Lichthof, der nur schwach erleuchtet war. Von diesem Lichthof aus zweigten Korridore und Türen ab. Wie sollte er sich jetzt entscheiden?
Er entschloß sich für den linken Korridor, der seiner Schätzung nach tiefer ins Haus führen mußte. Parker lustwandelte also ungeniert darauflos und hörte plötzlich Gelächter, das Geklirr von Gläsern und roch frischen Tabakqualm. Irgendwo schienen sich noch Gäste zu befinden, die feierten und wahrscheinlich bei bester Laune waren.
Er sollte sich nur geringfügig getäuscht haben …
Hinter einer nur angelehnten Tür fand tatsächlich so etwas wie eine Mitternachtsparty statt, doch die Feiernden waren Hotelangestellte.
Durch den Türspalt konnte der Butler die Frohgestimmten gut beobachten. Ihm fielen die schlanken Blondinen auf, die durchweg die Tracht von Zimmermädchen oder Hotelhostessen trugen. Sie umstanden die hohe Theke einer Kellerbar und konsumierten erstaunliche Mengen Alkohol.
Die Blondinen waren natürlich nicht unter sich. Es gab eine Reihe mehr oder weniger junger Männer, die mit ihnen feierten und offensichtlich bereits leicht angetrunken waren. Es handelte sich um Kellner, Hausdiener und um einen gewissen Ernest Litch, der offensichtlich den Ton angab.
Wie gesagt, die Feiernden waren bester Stimmung, die gerade ihren Höhepunkt erreicht zu haben schien. Leicht indigniert nahm Josuah Parker nämlich zur Kenntnis, daß die jungen Damen sich offensichtlich sehr ungeniert ihrer Oberkleidung entledigten …
*
„Wie sind Sie denn hier ’reingekommen?“ fragte leider in diesem Augenblick eine mehr als erstaunte Stimme hinter dem Butler. Parker kam diese Stimme recht bekannt vor. Wenn ihn nicht alles täuschte, gehörte sie zu Steven Landly, der ihm freundlicherweise, aber ohne jeden Grund immerhin tausend Dollar zugesteckt hatte.
„Ich erlaube mir, Ihnen einen schönen Abend zu wünschen“, sagte Parker und drehte sich langsam zu Landly um.
„Los, gehen Sie schon ’rein“, sagte Landly ungnädig und fuchtelte mit einer Pistole herum, „wir haben was gegen Einbrecher …“
Notgedrungen mußte Parker die Tür aufstoßen.
Die jungen Damen, die beruhigenderweise Badeanzüge trugen, Einteilige und Bikinis, sahen den Butler erstaunt an, mußten dann aber durchweg kichern. Parker paßte nicht in die ausgelassene Umgebung. Er sah aus wie ein Leichenbitter.
Die feiernden Männer reagierten erheblich anders. Sie umringten blitzschnell den Butler und nahmen das an, was der Volksmund eine drohende Haltung genannt hätte.
„Parker …?“ fragt Ernest Litch. Er hatte sich vorgeschoben und sah den Butler kopfschüttelnd an.
„Ich bin der Ansicht, daß ich Ihnen eine Erklärung schuldig bin, Mr. Litch!“
„Nur, wenn Sie wollen, Parker.“ Litch lächelte. Eine knappe Kopfbewegung genügte vollkommen, um die neugierigen Herren zu verscheuchen. „Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Drink ein …! Wenn Sie schon mal hier sind, können Sie ja auch mitfeiern …!“
„Ich nehme Ihre freundliche Einladung dankbar an“, gestand der Butler, während er mit Litch zur Bartheke ging, „darf ich fragen, wo ich mich hier befinde …?“
„In der Saunaabteilung des Hotels … Wir führen hier Gesundheitskuren jeder Art durch … Da, sehen Sie … dort sind die Saunakabinen … Für Einzelpersonen und für den Massenbetrieb … Dort sind die Tauchbecken … Dort die Bäderabteilung … Und dort drüben die Schwitzkästen … Wenn Sie Bedarf haben, brauchen Sie sich nur anzumelden. Gute Behandlung wird zugesichert …!“
Parkers Gesicht verzog sich zu einem pflichtschuldigen Lächeln. Litch hatte übrigens die Wahrheit gesagt. Hier im Souterrain des Sherman-Hotels gab es tatsächlich eine sehr modern eingerichtete Bäderabteilung.
Die jetzt mehr als leicht bekleideten Damen hüpften gerade in das große, rechteckige gekachelte Tauchbecken und spielten darin wie ausgelassene Kinder. Die Herren der Schöpfung wichen zurück, als sie naßgespritzt wurden.
„Was darf ich Ihnen anbieten?“ fragte Litch, der neben Parker auf einen Barhocker gestiegen war.
„Falls vorhanden, würde ich einen Cognac vorziehen.“
„Bekommen Sie …! Ist doch selbstverständlich. Sie wundern sich wohl, warum wir feiern, wie?“
„In der Tat, wenngleich ich einräumen möchte, daß es mich natürlich nichts angeht. Ich möchte nicht neugierig erscheinen.“
„Einmal in der Woche feiern wir hier … Wir, das Hotelpersonal … Man braucht diese Entspannung, sonst dreht man bei diesem Betrieb einfach durch.“
„Man scheint gern zu feiern …!“
„Und ob … So, hier wäre Ihr Cognac, Parker! Kamen Sie zufällig vorbei?“
„Ich sah Licht, fand die unter der Terrasse befindliche Tür geöffnet und folgte dem fröhlichen Lärmen, wenn ich es so ausdrücken darf.“
„Treiben sich noch weitere Gäste in der Gegend herum?“ Die Frage wurde beiläufig gestellt, doch Parker ahnte, daß Litch auf die beiden jungen Damen anspielte, die den betrunkenen Herrn aus dem Hotel gebracht hatten.
„Ich glaubte zwei Personen gesehen zu haben, doch dann stellte sich dies als eine offensichtliche Täuschung der Sinne heraus“, antwortete Parker. Er nippte am Cognac und sah den jungen Damen zu, die herumtollten