Roberta hatte keine Ahnung, was sie jetzt sagen sollte, ihre Beziehung zu Lars hatte, wie es schien, ein unrühmliches Ende genommen.
Jemand, der selbst Schiffbruch erlitten hatte, konnte keinem anderen Schiffbrüchigen helfen.
So, wie Nicki sie ansah, erwartete sie nicht nur eine Antwort, sondern auch einen Vorschlag für die Lösung ihres Problems.
»Und wie seid ihr verblieben?« Mehr fiel Roberta momentan nicht ein.
»Peter ist gegangen, und ich kann erst einmal überhaupt nichts tun, denn er macht mit den Kindern eine Ägyptenreise, das war geplant, und hätte ich keine beruflichen Verpflichtungen, wäre ich mitgefahren. Aber wer weiß, wofür es gut ist. Stell dir mal vor, wir wären die ganze Zeit über zusammen gewesen, im Flieger, im Museum, im Hotel, auf dem Schiff …, du, das wäre nicht gegangen, einer von uns wäre schreiend davongelaufen. Nicht einer von uns, sondern ich. Wenn sie von der Reise zurückkommen, ist einige Zeit vergangen, sie sind voll von neuen Eindrücken, schließlich tauchen sie in eine ganz andere Welt ein …, wir haben dann etwas Abstand gewonnen. Ich denke, Peter kann dann mit seinen Kindern reden. Er ist ein sehr sensibler Mann, vielleicht ergibt sich auch schon während der Reise eine Möglichkeit.«
»Das heißt also, Nicki, dass du dir nichts mehr überlegen möchtest, dass du keine Lösung suchst …, du gibst auf.«
»Ich …, ich weiß nicht.«
Sie blickte Roberta an.
»Sag du mir, was ich tun soll.«
»Verflixt noch mal, Nicki, welch unsinnige Forderung stellst du da? Ich kann dir doch nicht sagen, was du tun sollst und was nicht. Wenn du Dr. Bredenbrock liebst, wenn du dir vorstellen kannst, dein Leben mit ihm zu verbringen, dann gibt es doch überhaupt nichts zu überlegen. Kinder sind für Eltern nur so etwas wie eine Leihgabe, wenn sie erwachsen sind, gehen sie aus dem Haus, führen ihr eigenes Leben. Maren und Tim sind keine Kleinkinder mehr. Frag dich, ob du mit Peter und Maren und Tim die nächsten Jahre verbringen möchtest. Wenn du dazu ja sagen kannst, dann rede nach der Rückkehr aus dem Urlaub mit ihm, sag ihm, dass du es dir anders überlegt hast, dass du seinen Antrag annehmen willst, und damit wirst du ihn ganz gewiss sehr glücklich machen.«
Nicki hatte keine Ahnung, was sie sich von dem Besuch bei ihrer Freundin erhofft hatte, auf jeden Fall mehr als das, was bisher gelaufen war.
»Weißt du, Roberta, ich warte erst einmal ab. Manches erledigt sich von selbst.«
Weil sie wusste, dass Roberta mit derartigen Aussagen nicht einverstanden war, stand sie auf.
»Ich gehe jetzt, hole meine Sachen aus dem Haus, werfe den Schlüssel in den Briefkasten, und …«
»Damit versperrst du dir den Weg endgültig«, beendete Roberta den Satz. »Nicki, bleib übers Wochenende hier, wir machen es uns gemütlich, genießen den Augenblick und denken über gar nichts nach.«
»Das wäre schön«, Nicki blickte ganz sehnsuchtsvoll drein, »es geht nicht, ich muss heute Abend auf einer internationalen Konferenz übersetzen, und morgen fliege ich mit meinem Chef nach Kopenhagen.«
»Du sprichst doch überhaupt kein Dänisch.«
Jetzt zeigte sich bei Nicki so etwas wie ein kleines Lächeln.
»Nein, aber es müsste auch bis zu dir durchgedrungen sein, dass international in jeden Bereichen Englisch gesprochen wird. Und wenn einzelne Referenten in ihrer eigenen Landessprache reden, möchte mein Chef, dass ich für ihn das übersetze und aufzeichne. Es wird extra bezahlt, ich kann das Geld gut gebrauchen. Ich habe wieder mal zu viel ausgegeben.«
Nicki würde sich niemals ändern.
»Und was hast du gekauft?«
»Das willst du nicht wirklich wissen, aber es war unnötig. Ich kann dir jetzt aber etwas gestehen, du darfst nicht sauer sein. Nachdem Peter weg war, wollte ich doch wissen, ob ich mich richtig entschieden habe und da …«
»Da bist du zu einem dieser Scharlatane gegangen«, fuhr Roberta dazwischen.
Nicki wurde rot.
»Ich wollte es, ich stand schon vor der Haustür, als ich es mir anders überlegte. Ich bin nicht hineingegangen.«
»Glückwunsch, Nicki, da hast du wenigstens Geld gespart.« Nicki blickte ihre Freundin an.
»Weißt du, Roberta, manchmal wäre ich wirklich gern so wie du. Du gehst deinen Weg, du weißt, was du willst, du lebst ein schönes Leben, hast deinen Lars …, nun ja, das mit Max Steinfeld, das war eindeutig ein Fehlgriff, aber jeder greift in seinem Leben mal daneben. Und diese Ehe und die grässliche Scheidung hast du überwunden, ohne einen Schaden davonzutragen. Du lebst deine Träume.«
»Von denen einige mit einem lauten Knall zerplatzt sind.« Nicki lachte.
»Bei dir doch nicht, du befindest dich auf der Straße des Glücks, toller Mann, tolles Haus, tolle Praxis …«
Sie wurde ernst.
»Roberta, ich neide dir das alles nicht, das weißt du. Ich hätte nur gern ein wenig von deiner Klarheit ab.«
Nicki war angeschlagen, deswegen konnte sie ihrer Freundin augenblicklich nicht erzählen, wie sehr ihr Leben in Trümmern lag. Sie würde es gewiss nicht verschweigen, sondern es ihr später erzählen, wenn Nicki wieder zur Ruhe gekommen war, und wenn sich bei ihr die Wogen wieder geglättet hatten. Möglich, dass sie dann hilfreicher sein konnte.
»Nicki, du musst dir nicht wünschen, eine andere zu sein. Du bist ein ganz wunderbarer Mensch. Wir sind alle verschieden, und das ist gut so. Und sag mal, ergänzen wir uns nicht ganz prächtig, weil wir so verschieden sind?«
Roberta musste sich jetzt verkneifen, hinzuzufügen: »Sogar unsere Lieben haben wir gleichzeitig verloren.« Aber so war es ja nicht. Nicki hätte das haben können, was sie selbst sich so heiß ersehnte. Roberta würde es niemals begreifen, wie man den Antrag eines Mannes, den man liebte, einfach ablehnen konnte, und das ohne eine richtige Begründung. Sie hätte direkt und ohne zu zögern JA gesagt.
Aber so war ihre Freundin Nicki nun einmal, sie war in mancher Hinsicht unberechenbar, was sie allerdings nicht weniger liebenswert machte.
Nicki umarmte Roberta stürmisch.
»Du bist die allerbeste Freundin der Welt, du ahnst überhaupt nicht, wie froh ich bin, dass es dich gibt.« Das musste wieder mal gesagt werden, und nachdem das geschehen war, drückte sie Roberta einen schmatzenden Kuss auf die Wange.
»Und nun gehe ich, und begleite mich bitte nicht zur Tür, denn ich kenne uns, dort werden wir kein Ende finden, und ganz besonders ich werde dir eine Frikadelle ans Knie reden, weil mir immer wieder etwas einfällt. Ich melde mich, und danke noch mal, es geht mir besser.«
Nach diesen Worten stürmte sie davon, ehe Roberta etwas sagen konnte.
In gewisser Hinsicht hatte Nicki recht, sie hatten sich in der Tat immer wieder etwas zu sagen und konnten kein Ende finden.
Außerdem hätte Roberta ihrer Freundin wirklich keinen Ratschlag geben, den Nicki ohnehin nicht befolgen würde.
Peter Bredenbrock und seine Kinder waren erst einmal weg, die Zeit würde es zeigen, ob oder was weitergehen würde.
*
Nachdem ihre Freundin gegangen war, zwang Roberta sich regelrecht, nicht mehr an die geführte Unterhaltung zu denken, auch nicht an Lars. Manche Dinge ließen sich nicht ändern, und wenn man sich immer wieder damit beschäftigte, machte man eine Sache nicht besser.
Um sich abzulenken, da half Roberta nur eines, und das war, sich in die Arbeit