6 »Sie wollten lieber Jäger als Lehrer, lieber kühn als mild, lieber verschlagen als herzenseinfältig heißen... Sie spielen Kreisel und meiden darum auch das Würfelspiel nicht. Sie gehen fleißig mit dem Spielbrett anstatt mit der Schrift, mit der Wurfscheibe anstatt mit dem Buche um. Sie wissen besser, was dich ein Fehlwurf kostet, als was die Heilswahrheit fordert, verbietet oder verheißt, besser was der Glückswurf bringt, als was sie Gott zu danken schuldig sind... Sie lassen sich silberne Schalen, Kannen von großer Kostbarkeit, Krüge (crateres), ja Trinkhörner (conchas) von bedeutendem Gewicht und einer jedem Zeitalter verhaßten Größe machen. Sie bemalen ihre Weinkrüge und Schleifkannen, während die nahe Basilica von Ruß erfüllt ist.« Vogel, Ratherius von Verona und das zehnte Jahrhundert I. p. 44.
7 Moengals Latein ist etwas verwildert. Wenn indes selbst Bischöfe in der Hofsprache sich klassischer Wendungen wie: sic omnes perriparii possunt bubus agricolantibus vetrenere (So kann jeder Bauer am Pfluge seinen Ochsen was vordröhnen) bedienten und Geschichtschreiber dies in ihren Text aufnahmen (Monachus San. Gall. gesta Karoli I. 19 bei Pertz, Mon. II. 739), so darf dem Latein eines Leutpriesters einiges zu gut gehalten werden.
8 .. Moengal, postea a nostris Marcellus diminutive a Marco avunculo sic nominatus, hic erat in divinis et humanis eruditissimus etc.... Siehe die ganze Geschichte seines Besuchs und Verbleibens im Kloster bei Ekkeh. casus S. Galli cap. 1. Pertz II. 78.
9 .. in campanarium S. Galli per gradus ad hoc quidem nobis paratos ascendere incipit, uti oculis, quia gressu non licuit, montes camposque circumspiciens, vel sic animo suo vago satisfaceret. Ekkeh. casus S. Galli c. 3. Pertz, Mon. II. 99.
Der vorige Abt hat billige Einsicht genommen und mich auf Jahresfrist hierher geschickt, aber der Bruder Marcellus kam nimmer heim. Wie ich hier im Schweiß meines Angesichtes den Tannbaum fällte und den Strichvogel aus den Lüften herunterholte, da ist mir ein Licht aufgegangen, was gesund sein heißt – Fischfang und Weidwerk beizen die unnützen Mücken aus dem Kopf – so stehe ich seit dreißig Jahren der Zelle Radolfi vor, rusticitate quadam imbutus, einer gewissen Verbauerung ausgesetzt, was verficht's? Ich bin gleich der Kropfgans in der Wüste, gleich der Eule, die in Trümmern nistet, sagt der Psalmist, aber frisch und stark, und der alte Moengal gedenkt sobald noch nicht ein stummer Mann zu werden und weiß, daß er wenigstens vor einem Unglück sicher sein darf...
Was meint Ihr für ein Unglück? frug Ekkehard.
Daß ihm Sankt Petrus dereinst den himmlischen Torschlüssel vor die Stirn schlägt und spricht: hinaus mit dir, der du unnütz und eitel Philosophie getrieben!
Ekkehard ließ sich auf Moengals Herzensergießungen nicht näher ein. Ihr habet wohl rauhen Dienst in Sorge der Seelen, sprach er, versteckte Herzen, Heidentum und Ketzerei...
's geht an, sprach der Alte, im Mund der Bischöfe und kaiserlichen Räte, in den Kapitularien und Synodalbeschlüssen nimmt sich's haarsträubend aus, wenn sie den heidnischen Irrwahn abzeichnen und mit Strafsatzung bedräuen. 's ist eben alter Glaube hierlands, im Baum und Fluß und auf lustiger Bergeshöhe der Gottheit nachzuspüren. Jeder auf der Welt muß seine Apokalypsis haben, die Hegauer suchen sie draußen... es läßt sich auch etwas dabei denken, wenn der Mensch frühmorgens im Schilfe steht und die Sonne über ihm aufgeht...
Deshalb kommen sie am Tage des Herrn doch zu mir und singen die Messe mit, und wenn der Sendbote ihnen nicht so manchen Strafschilling aus dem Sack zwickte, würden sie noch fröhlicher sich zum Evangelium wenden. –
Stoßt an, Confrater, die frische Luft... Erlaubt, sprach Ekkehard mit feiner Wendung, daß ich das Wohl des Marcellus, des Lehrers an der Klosterschule, des Verfassers der irischen Übersetzung des Priscianus trinke.
Mir auch recht, lachte Moengal. Was aber die irische Übersetzung betrifft, die möchte einen Haken haben.114
In Ekkehard war das Verlangen groß, seinen hohen Twiel zu erreichen. Kurz vor dem Ziele langer Fahrt hat noch selten einer lange Rast gehalten. Der Berg steht fest in der Erden, sprach zwar Moengal, er entfleucht Euch nimmer.
Aber Moengals Wein und seine Lehre von der frischen Luft hatten für den, der einer Herzogin entgegen sollte, wenig Verstrickendes. Er brach auf.
Ich geh' mit Euch bis an des Pfarrsprengels Grenze, sagte der Leutpriester, heute dürft Ihr mir noch zur Seite gehen, trotz meines verblichenen Gewandes; wenn Ihr auf dem Berg droben festsitzet, dann werdet Ihr meinen, die Verklärung sei über Euch gekommen, und werdet ein vornehmer Herr werden, und wenn Ihr dereinst an Frau Hadwigs Seite gen Radolfs Zelle geritten kommet, und der alte Moengal steht an der Schwelle, so wird ihm eine gnädige Handbewegung als Almosen zugeworfen – der Welt Lauf! Wenn der Heuerling groß geworden, heißt er Felchen und frißt die Kleinen seines Geschlechts.
Das sollt Ihr nicht sagen, sprach Ekkehard und küßte den irischen Mitbruder.
Da gingen sie zusammen und der Leutpriester nahm seine Leimruten mit, im Rückweg den Vögeln des Waldes Nachstellung zu bereiten. Es war ein langer Weg durch den Tannenwald, lang und still.
Wie sich das Gehölz lichtete, da stand in dunkler Masse der hohe Twiel und warf ihnen seinen Schatten entgegen. Moengal aber schaute mit scharfem Aug' den Waldpfad entlang durch die Lichtung der Tannen. Es streicht was durchs Revier, sprach er.
Sie waren wieder etliche Schritte gegangen, da griff Moengal seinen Gefährten am Arm, stellte ihn, deutete vorwärts und sprach: Das sind keine Wildenten noch Tiere des Waldes!
Es kam ein Ton herüber, als wenn fernab ein Roß gewiehert... Moengal sprang seitwärts, schlich sich ein gut Stück im jungen Gehölz vorwärts, legte sich auf den Boden und spähte.
Weidmanns Torheit, sprach Ekkehard und wartete seiner. Jetzt kam er zurück. Bruder, sprach er, liegt der heilige Gall in Fehde mit einem der Gewaltigen dieses Landes?
Nein.
Habt Ihr einen beleidigt?
Nein.
Sonderbar, sprach der Alte, es kommen drei Gewaffnete geritten.
Es werden Boten der Herzogin sein, mich zu empfangen, sprach Ekkehard mit stolzem Lächeln.
Hoiho! brummte Moengal, fehlgeschossen! Das ist nicht herzoglicher Dienstmannen Kleid, der Helm ist sonder Abzeichen. Und im grauen Mantel reitet kein Twieler!
Er hemmte seinen Schritt.
Vorwärts! sprach Ekkehard. Weß Herz ohne Schuld, den geleiten die Engel des Herrn.
Im Hegau nicht immer! war des Alten Antwort. Es war keine Gelegenheit zu weiterem Zwiegespräch, Hufschlag tönte, der Boden klirrte, drei Reitersmänner kamen gesprengt, den Helm geschlossen, das Schwert gezogen...
Folgt mir, rief der Leutpriester, maturate fugam! Er warf seine Leimruten zu Boden und wollte Ekkehard mit zur Seite ziehen. Der aber wandte sich nicht. Da sprang Moengal allein ins Buschwerk hinüber, die Dornen zogen ihm zu den alten Rissen ins morsche Gewand etliche neue, er wand sich los, mit den Sprüngen eines Eichhorns setzte er ins Dickicht. Er kannte die Schliche.
Er ist's! rief der vorderste der Reiter, da sprangen die andern von den Rossen, stolz sah ihnen Ekkehard entgegen. Was wollt Ihr? – keine Antwort; er griff zum Kruzifix, das ihm im Gürtel hing. Im Namen des Gekreuzigten!... wollte er anheben, aber schon war er zu Boden geworfen, unsanfte Fäuste hielten ihn, ein Strick ward um