Hillmoor Cross. Shannon Crowley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shannon Crowley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130425
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hatte. Bereits geraume Zeit nutzte er es als Garage. Die Flügeltüren standen offen, seit er vor etwa anderthalb Stunden nach Hillmoor Cross aufgebrochen war. Er parkte, zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieg aus. Dass seine Knie vor Erregung zitterten, nahm er nur unterschwellig wahr. Seine volle Konzentration war bei dem Jungen und bei seinem Vorhaben. Sorgsam schloss er die Türen, nicht ohne zuvor noch einen im Grunde völlig überflüssigen Blick nach draußen geworfen zu haben. Martha würde erst in einigen Tagen wieder nach Hause kommen, und sonst erwartete er niemand. Überraschende Besucher verirrten sich nicht nach hier draußen, an den Rand von Connemara, und seine Freunde meldeten sich grundsätzlich vorher an, um sich nutzlose Wege zu ersparen. Jake zog eine schmale Tür auf, die sich an der linken Seitenwand befand und den Schuppen mit dem Haupthaus verband. Vom Eingang der Scheune aus wurde sie von einem massiven Holzbalken verborgen. Eine Treppe führte hinunter in einen Keller mit etlichen Räumen und Verschlägen, die früher zur Lagerung der Ernte gedient hatten.

      Er ging zum Kofferraum seines Autos, öffnete ihn, schlug die Decke zurück und hob den Jungen heraus. Die Augen des Kindes waren geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich in flachen Bewegungen. Schlaff hing der Kleine in Jakes Armen, aus seiner Nase drang beim jedem Atemzug ein leiser pfeifender Ton. Jake trug ihn in den Keller. Die Verbindungstür ließ er offen. Wenn es dunkel war, würde er den Jungen zurückbringen und am Waldrand aussetzen. Ohne Bart und Kappe konnte ihn der Kleine niemals wiedererkennen. Und mit den Handschuhen und dem Kondom war gesichert, dass Jake keine DNA hinterließ. Er legte das Kind auf den Boden, löste ihm die Fußfesseln, zog ihm die verwaschene Hose aus und die Unterhose. Er keuchte, als er das kleine Genital sah, und vor seinen Augen flimmerte es. Hektisch riss er den Reißverschluss seiner Jeans auf und befreite seine Erektion von den Stoffen. Die Kondome lagen in einer Metalldose auf einer Holzkiste in Griffweite. Er zog sich eines über und begann seine Fantasien in die Tat umzusetzen. Er benutzte den Jungen von vorne und von hinten, war wie besessen und im Rausch, und nahm nichts wahr als seine Gier und seine Triebe. Die vertrauten Schritte und das Rascheln eines unterfütterten Rockes registrierte er, ohne zu begreifen. Ein schriller Aufschrei hinter ihm drang schneidend und unerbittlich in sein von der Ekstase leer gefegtes Gehirn. Jake fuhr herum. Hinter ihm stand Martha! Mit weit aufgerissenen Augen krallte sie ihre Finger in die Wangen. Ihr Anblick traf ihn wie kochendes Wasser, glutheiß und unerträglich. Er sprang auf und schlug zu. Martha kippte nach hinten und prallte mit dem Kopf auf dem Boden auf. In Jakes Kehle stieg ein Schrei, den er in letzter Sekunde zurückhalten konnte. Martha! Verflucht – was machte Martha hier? Er zerrte seine Hose hoch und beugte sich über die alte Frau. Seine Großmutter atmete schwer, aber sie atmete. Er drehte ihren Kopf und erblickte einen kleinen Riss unter den dunklen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haaren, aus dem Blut sickerte. Ihm war, als würde ihn eine Übermacht erwürgen. Er bebte am ganzen Körper, wusste sekundenlang nicht ein noch aus.

      Der Junge! Was war mit dem Jungen? Er blickte zu dem halb nackten Kind. Die Betäubung wirkte noch, aber sicher nicht mehr lange. Er musste ihn von hier wegbringen. Aber was machte er mit Martha? In seinem Kopf arbeitete es fieberhaft. Der Bart, die Kappe – vielleicht gab es eine allerwinzigste Chance, dass sie ihn nicht erkannt hatte? Es war alles so schnell gegangen. Sein Hals und sein Mund fühlten sich an wie mit Sandkörnern und Glassplittern gefüllt. Marthas Atem ging flacher. Jake tastete nach ihrem Puls, der jedoch überraschend kräftig schlug. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er den Drang, erleichtert aufzuschluchzen. Großmutter war zäh – nichts warf sie so leicht um. Er erkannte die Ironie in seinen Gedanken. Himmel, verdammt, er musste handeln, nicht warten, bis beide Opfer zu sich kamen. Jake richtete sich auf. Sein Blick fiel auf einen engen Kellerraum, der rechts von ihm lag. Es war der kleinste Winkel in den Tiefen des alten Gehöftes, mit nur einem schmalen, seit ewigen Zeiten bis gut zur Hälfte mit Brettern vernagelten Lichteinlass direkt unter der Kellerdecke. Von außen hielt dorniges Gestrüpp wilder Rosen das meiste Tageslicht ab. Jake packte Martha unter den Armen und zog sie in den Raum, der kaum Platz für zwei Personen bot. Er warf noch einen letzten Blick auf die alte Frau, ehe er die hölzerne Tür von außen schloss und den Metallriegel vorschob. Eine Stunde höchstens, dann war er wieder da. Bestimmt würde sie zwischenzeitlich wieder zu Bewusstsein kommen, schreien und zetern, wenn er nach Hause kam, und er konnte hinuntereilen, um sie zu befreien. Was er tun sollte, falls sie ihn doch erkannte hatte, war ihm im Moment noch schleierhaft. Jetzt musste er sich erst um den Jungen kümmern. Jake war schlecht.

      Das Kind wurde genau in dem Augenblick unruhig, als er es zurück in den Kofferraum legte. Es bewegte sich, stieß gurgelnde jammervolle Laute aus, und seine Augenlider flattern. Jake nahm den Schwamm, der noch immer hinten im Wagen lag, und drückte ihn gründlich in das kleine Gesicht. Der Kopf des Jungen kippte wieder zur Seite. Ehe er losfuhr, nahm er Bart und Kappe ab und stopfte sie hinter einen Stapel mit Spinnweben überzogener Mauersteine.

      *

      Henry Miller stand in sicherem Abstand am Fenster seines schäbigen Zimmers im zweiten Stock, in dem er seit einem halben Jahr bei der verwitweten Ella Anderson zur Untermiete wohnte, und blickte hinunter auf die Northern Street. Gleich gegenüber dem Haus befand sich die Bushaltestelle. Es war drei Uhr am Nachmittag. Ella stand mit ihrem beigen Fellhütchen, der karierten Lodenjacke und der übergroßen braunen Handtasche erwartungsvoll am Straßenrand. Henry durchzuckte der finstere Gedanke, die Alte zu erschießen. Damit wären zwar seine Probleme nicht gelöst, aber es gäbe einen selbstgerechten Menschen weniger auf der Welt, der ihn schikanieren konnte.

      Die Sache scheiterte schon daran, dass er keine Waffe hatte. Ella verließ die Wohnung jeden Tag pünktlich drei Minuten vor drei Uhr, um den Bus nach Clifden zu nehmen. Dort traf sie sich mit ihrer Freundin Holly Barclay in O’Connels Café auf ein Schwätzchen und etliche Irish Mists. Auf diese irische Likörspezialität freute sie sich jeden Tag aufs Neue. Wenn Ella zurückkam, hatte sie stets noch schlechtere Laune als sonst, und die ließ sie gerne an ihm aus. Erst recht jetzt, da er mit anderthalb Monatsmieten im Rückstand war. Um die Monatsmieten musste er sich unbedingt kümmern, sonst setzte ihn Ella vor Tür, und wenn es mitten in der Nacht war. Henry sah den Bus kommen. Ob Ella einstieg, erkannte er nicht, aber als der Bus weiterfuhr, wartete sie nicht mehr an der Haltestelle. Er seufzte tief und wandte dem Fenster den Rücken zu. Das Leben war zu ungerecht. Ella gehörte das gesamte Haus hier in Blackstone mit insgesamt fünf Parteien, die zur Miete wohnten. Ihr verstorbener Mann, William Anderson, hatte einen florierenden Juwelierladen in Clifden besessen, den sie nach seinem Tod verkauft hatte. Sie mochte wahrlich genug Geld haben, und doch knauserte und zeterte sie ohne Ende. Er dagegen besaß noch knapp zehn Euro für den Rest des Monats, und heute war erst der 16. März.

      Die letzte Miete hatte er Ende Januar bezahlt. Wenn er nicht alten Frauen die Handtaschen klauen wollte, um zu überleben und einen Teil seiner Schulden zu begleichen, brauchte er dringend einen neuen Job. Bis vor drei Tagen hatte er für den einzigen Pizza-Express in Westport Waren ausgeliefert. Nach der letzten Zustellung hatte er sich, ehe er das Firmenfahrzeug zurückbrachte, in Elliots Pub eine große Portion Calconnen zum Abendessen gegönnt, den leckeren Kartoffelbrei mit Zwiebeln und Weißkohl den er so gerne aß, und wie es der Zufall wollte, Richard Shaw getroffen, einen Bekannten. Richard hatte ihn auf ein paar Guinness eingeladen, und Henry war nicht mehr ganz nüchtern gewesen, als er das Firmenauto zurückbrachte.

      Wie es das Unglück wollte, war er auf der Rückfahrt in eine Polizeikontrolle geraten, weil eines der Bremslichter am Wagen nicht funktionierte. Mit den nachgewiesenen 0,9 Promille behielt der Police Inspector Henrys Führerschein gleich ein, und sein Chef, der alte Mac Ewan, hatte ihn noch am selben Abend fristlos entlassen. Seither war die Katastrophe perfekt: Sein Job war weg, der Führerschein auch, gegen ihn lief eine Anzeige wegen alkoholisierten Fahrens, und Ella drohte mit Rausschmiss. Am schlimmsten aber war, dass er Steven Luke, dem Halsabschneider, 500 Euro schuldete, die er gegen ihn beim Pokern verloren hatte. Luke kannte keinen Spaß, wenn es ums Geld ging, und Henry wusste: Wenn er die Summe nicht bald beibrachte, brauchte er sich um seine Zukunft nicht mehr zu sorgen. Dann hatte er nämlich gar keine mehr. Deswegen musste er nun etwas unternehmen, und es gab nur einen Menschen, der ihm helfen konnte. Nötigenfalls musste er ihm eben ein wenig Druck machen und ihn daran erinnern, dass er ihm noch etwas schuldete, und zwar genaugenommen 2.500 Euro. Leider hatte Henry keine Möglichkeit, diesen Betrag rechtmäßig einzufordern, da es sich um seinen Anteil bei einer Pferdewette handelte und er so dumm und gutgläubig gewesen