Kati Küppers und der gefallene Kaplan. Barbara Steuten. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Steuten
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130692
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Kollege, der vor Ort war, hat zu Protokoll gegeben, dass Sie immer wieder gesagt hätten: ›Es tut mir so leid. Ich bin alles schuld.‹ Stimmt das?«

      Kati presste die Lippen zusammen und nickte ebenso zaghaft, wie sie gerade den Kopf geschüttelt hatte.

      »Hätte ich nicht die Tür zum Kirchenkeller aufgelassen, wär der Kaplan nicht die Treppe runtergefallen. Hätte ich nur nicht das Licht im Keller brennen lassen.«

      Kommissar Rommerskirchen warf seinem Kollegen einen fragenden Blick zu. Als dieser nickte, fuhr er fort:

      »Und der Wein?«

      »Welcher Wein?«

      »Frau Küppers, wir wissen mittlerweile, dass Markus Overath nicht durch den Sturz auf der Treppe ums Leben gekommen ist.«

      »Sondern?«

      Der Kommissar überging die Frage und griff unachtsam nach dem Kuli, der prompt auf dem Boden landete. Er hob den Hintern von der Schreibtischplatte und beugte sich runter, um den Stift aufzuheben. Beim Anblick der Boxershorts, die oben über den Bund der Jeans hinausragten, runzelte Kati missbilligend die Stirn und vergrößerte den Abstand zwischen sich und dem jungen Mann.

      »Frau Küppers, wer hat außer Ihnen einen Schlüssel für die Kapelle?«

      Kati versuchte, regelmäßig zu atmen. Er glaubte doch nicht, dass sie … ? Ihr Gesicht war jetzt blasser als das Blatt Papier, das Kommissar Rommerskirchen in der Hand hielt. Sie räusperte sich. Ihre Stimme hatte jeglichen Schwung verloren, als sie an den Fingern abzählte: »Der leitende Pfarrer Pater Remigius, der Vorsitzende des Kirchenvorstandes Kalle Hamacher und der Brudermeister der Sebastianus-Schützen Michael Schulze. Kaplan Overath hatte natürlich auch einen.«

      »Und wer ist für den Messwein zuständig?«, hakte Kommissar Rommerskirchen nach.

      Katis Stimme klang rau. »Ich, Herr Kommissar.«

      Die drahtige Frau war von Natur aus schon klein. Jetzt aber sank sie in sich zusammen. Kommissar Rommerskirchen kämpfte mit seinen Gefühlen. Nein, diese Frau hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit seiner Mutter. Außerdem roch seine Mutter immer nach Vanille. Nicht nach Kirschen. Und war erheblich eleganter. Für Gefühlsduselei war hier wirklich kein Platz.

      »Wissen Sie, wie Strychnin wirkt?« Der Kommissar wedelte mit der Hand, als ob er eine lästige Fliege verscheuchen wollte. »Natürlich wissen Sie das. Sie sind schließlich gelernte Apothekengehilfin.«

      Kati hob erstaunt die Augenbrauen. »Das ist schon eine Ewigkeit her. Seit ich Mutter bin, habe ich nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet. Und meine Älteste ist über 40.«

      »Aber Sie haben ein gutes Gedächtnis, sagte man mir.«

      »Strychnin? Damit hat man früher alles Mögliche versucht zu heilen. Pest, Cholera und Tollwut genauso wie Appetitlosigkeit, Muskelschwäche oder Menstruationsbeschwerden. Strychnin gewinnt man aus den Samen des Ignatius-Bohnenbaums. Der Baum trägt den Namen des Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, da ihn die Jesuiten im 17. Jahrhundert aus Asien nach Europa brachten. Nimmt man wenig, soll es euphorisierende Wirkung haben und die Sinne schärfen. Deshalb hat man Strychnin auch zu Dopingzwecken genutzt. Aber es ist schrecklich bitter. Wer trinkt sowas schon freiwillig?«

      »Das haben wir uns auch gefragt«, entgegnete der Kommissar und versuchte, in der Mimik der Küsterin zu lesen. »Vielleicht jemand, dem der Trank heilig ist?«, fuhr er fort.

      Kati Küppers riss die Augen auf. »Oh Gott. Das Blut Christi!«, flüsterte sie und schlug die Hand vor den Mund. Dann runzelte sie die Stirn. »Nee! Halt! Die Messe ist doch ausgefallen …«

      »Und wer verbotener Weise vom Messwein trinkt, ohne die Messe zu feiern, erhält die gerechte Strafe Gottes und kippt tot um?«

      Kati musterte den Kommissar. Wollte er sie aus der Reserve locken? Wenn er das ernst meinte, hatte er eine merkwürdige Vorstellung von Gott. Missbilligend schüttelte sie den Kopf.

      »Wenn Kaplan Overath aus heiterem Himmel vom Blitz getroffen worden wäre, könnten wir über diese Möglichkeit nachdenken. Aber mein Gott greift eher selten zu solch drastischen Mitteln. Normalerweise kriegt man bei ihm eine zweite, dritte oder auch siebte Chance. Worauf man sich natürlich nicht verlassen sollte. Nicht dass es doch die letzte Chance war.«

      »Gut.« Kommissar Rommerskirchen nickte zufrieden. »Dann stimmen wir also überein, dass eine höhere Macht als Ursache für den Tod des Geistlichen nicht infrage kommt.«

      »Säße ich sonst hier?«

      »Wir haben Fingerabdrücke auf der Flasche mit dem Messwein gefunden und möchten sie gerne mit Ihren Fingerabdrücken vergleichen. Wenn Sie so nett wären …«

      Kati starrte vor sich hin. Dann schüttelte sie sich kurz und sah den Kriminalbeamten an.

      »Ich habe die Flasche aus dem Schrank geholt. Sie werden meine Abdrücke darauf gefunden haben. Und die von Kaplan Overath. Vielleicht auch noch welche von Pater Remigius, da die Flasche bereits angebrochen war.«

      Kommissar Rommerskirchen hob die Augenbrauen. Was Kati Küppers ihm erzählte, wusste er bereits. Und sie hatte vermutlich recht. Schied sie deshalb als Hauptverdächtige aus? Während Philip Rommerskirchen noch mit sich rang, ob er die Küsterin in U-Haft schicken sollte, straffte Kati den Rücken und sah dem Kommissar unverwandt in die Augen.

      »Wenn ich den Kaplan hätte umbringen wollen, hätte ich Handschuhe getragen. Oder nicht?«

      »Weil Sie glauben, dass das die Polizei glaubt, haben Sie vielleicht darauf verzichtet«, mutmaßte der Kommissar halbherzig.

      Auf Katis Stirn zeichnete sich eine steile Falte ab. Sie zog die Mundwinkel spöttisch nach unten. »Genau, Herr Kommissar. Herzlichen Glückwunsch. Sie haben den Fall gelöst.« Sie holte tief Luft und ihre Stimme wurde lauter und schriller. »Werde ich jetzt verhaftet, weil ich ordnungsgemäß meine Arbeit tue? Na dann. Nur zu. Worauf warten Sie noch?«

      »Frau Küppers«, der Kommissar hob beschwichtigend die Hände, »wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Sie hatten die Möglichkeit und die Kenntnis, das Opfer zu vergiften. Außerdem hatten Sie eine lautstarke Auseinandersetzung bei Ihrem letzten Aufeinandertreffen. Dafür gibt es mehrere Zeugen.«

      »Ich habe nicht einen Punkt davon bestritten, Herr Kommissar. Im Gegenteil. Ich habe Ihnen offen von dem Streit erzählt. Und ich Rindvieh hab sogar gedacht, schuld zu sein, weil ich die Kellerluke offen gelassen hab und Kaplan Overath sich beim Sturz das Genick gebrochen hat. Ja Pustekuchen. Gift. Na klar. So mach ich das immer, wenn ich mit jemandem Streit habe. Strychnin in den Tee und schwupp, hab ich quasi meine Ruhe.« Sie stützte die Stirn in die Handfläche. »Susanna im Bade, steh mir bei«, murmelte sie vor sich hin.

      »Das ist nicht der Name Ihres Anwaltes, oder doch?« Kommissar Rommerskirchen suchte nach den richtigen Worten, um die Spannung aus dem Gespräch zu nehmen.

      Kati sah ihn angriffslustig an. »In gewisser Weise doch. Allerdings hat Susanna keine Telefonnummer, unter der man sie persönlich hierher zitieren könnte.« Die Küsterin seufzte. »Nicht einmal bei den ewigen Streitereien mit meinem nörgelnden Nachbarn habe ich einen Anwalt gebraucht.«

      Rommerskirchen horchte auf. »Sie sind also öfter in Streitereien verwickelt.«

      Katis Mund verschmälerte sich zu einem Strich. Großartig. Sie redete sich gerade um Kopf und Kragen. Wenn sie nur ihre Zunge besser unter Kontrolle hätte. Das Bild, das sich der junge Kommissar gerade von ihr machte, geriet mehr und mehr in Schieflage. Dagegen musste sie etwas unternehmen. Schweigen half da nicht weiter.

      »Glauben Sie mir, wenn Sie mit Walter Heinrich unter einem Dach wohnen würden, wären Sie auch öfter in Streitereien verwickelt. Er gehört zu der Sorte Nachbar, der immer im Fenster liegt, wenn einem auf dem Weg zur Mülltonne die Tüte reißt. Und beim nächsten Treffen auf der Straße weist er Sie darauf hin, dass Sie einen Papierschnipsel übersehen haben, der ja im Übrigen in die blaue Tonne gehört und nicht in den Restmüll.«

      Björn