Sie rückte näher an Maria heran, strich ihr zart mit einem Finger eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei flüsterte sie: »So viel mehr Lust sogar, weil sie ebenfalls eine Frau ist und genau weiß, was eine andere Frau braucht …« Ihre rosafarbenen Lippen schienen näher zu kommen, als Maria ihr in die Augen blickte. Rosalyn flüsterte weiter: »Dadurch weiß eine Frau erst, was ihr guttut und was sie braucht – finde ich. Wenn du möchtest, kann ich es dir gern zeigen …«
Maria war wie hypnotisiert von Rosalyns großen, blauen Augen, die immer näher kamen und sich jetzt halb schlossen. Sie spürte ihre weichen Lippen, die sich sanft auf ihre legten. Erregung packte sie, unwillkürlich erwiderte sie den Kuss und ließ sich von Rosalyn umarmen.
In dieser Nacht schrie Maria mehrmals vor Lust und auch Rosalyn keuchte und stöhnte laut. Maria wurde nach allen Regeln der Kunst verwöhnt, indem Rosalyn ihr beibrachte, was »guttat«. Sie küsste sie, streifte mit ihren Lippen über Marias üppigen Körper, flüsterte ihr Kosenamen ins Ohr. Ihre Hände schienen überall zu sein: Sie zogen neckisch an Marias Brustwarzen, umfingen die pralle Brust, die sich vor Erregung hob und senkte, und streichelten Maria zwischen den Schamlippen, dass ihr Hören und Sehen verging. Als Rosalyn sie auch noch leckte, ihre Zunge um ihren Lustpunkt spielte und ihn kräftig reizte, wähnte Maria sich im siebten Himmel. Rosalyn zeigte ihr auch, was sie selbst gern mochte, und Maria erfüllte ihre Wünsche nur zu gern. Zum Schluss stieß sie mit zwei Fingern in Rosalyns heiße Grotte, bis sie auf ihrer Hand zuckte und die Augen verdrehte. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Schrei, doch nur ein lang gezogenes Stöhnen kam heraus. Maria fand es faszinierend, eine andere Frau dabei zu beobachten, wie sie einen Orgasmus hatte. Sah sie selbst genauso aus? »Noch viel schöner!«, behauptete Rosalyn mit breitem Lächeln.
Beide schliefen erschöpft aneinandergekuschelt ein.
***
Der nächste Morgen weckte Maria mit lautem Vogelgezwitscher. Rosalyn war weg, sie war früh aufgestanden, um Marias Aufgaben an deren freiem Tag zu übernehmen. Maria streckte sich zufrieden. Sie stand summend auf, wusch sich und kleidete sich zum Ausgehen an. Heute würde sie in die Stadt gehen, sich Lippenrouge und Kohlestift besorgen – und vielleicht sogar ein kleines Geschenk für Rosalyn? Eingedenk all der Ratschläge trug sie auch jetzt Farbe auf ihre Lippen sowie einen feinen Strich beidseits ihrer Wimpern auf. Ihre Augen glänzten. Lag es an diesem Strich oder an der vergangenen Nacht? Ein leichtes Lächeln spielte um ihre Lippen. Zufrieden nahm sie Mantel und Tasche, lief beschwingt die Treppen hinunter – das Frühstück hatte sie verpasst, fand es jedoch nicht schlimm – und trank in der Küche eine schnelle Tasse Tee, bevor sie in die Stadt aufbrach. Beim Hinauslaufen übersah sie die Gestalt, die von rechts ihren Weg kreuzte, und prallte mit ihr zusammen.
»Ho, ho, ho, junge Dame, haben Sie sich verletzt?« Es war Brentons angenehm tiefe Stimme und seine Hände, die ihr aufhalfen. Maria wurde schwindelig.
»Maria? Du bist das? Du siehst so … anders aus.« Mit prüfendem Blick musterten seine hellgrauen Augen ihre Erscheinung. Außer, dass ihre Haare leicht zerzaust sein mussten, machte sie anscheinend Eindruck auf ihn. Denn er berührte sie leicht am Arm. »Geht es dir gut? Alles in Ordnung?«
Sie fasste sich, stammelte: »Ja … ja, alles in Ordnung, mir ist nichts passiert«, und schlug die Augen nieder. Sie schaffte es nicht, ihn anzusehen, so verlegen war sie. Trotzdem spürte sie seinen Blick und schalt sich selbst eine dumme Gans. Genau diesen Blick wollte sie doch sehen, wenn er sie endlich bemerkte!
»Du hast heute frei, nicht wahr? Dann wünsche ich dir einen schönen Tag.« Seine Hand ließ ihren Ellbogen los. Maria knickste mechanisch, murmelte ein leises »Danke, Sir« und floh aus der Tür.
***
Auf dem Weg in die Stadt schwebte und lachte sie abwechselnd mit leisen, gemurmelten Flüchen über sich, wie dumm sie nur sein konnte, wie furchtbar sie sich verhalten hatte. Was sollte der angebetete Brenton nun von ihr denken? Denn auch wenn sie die vergangene Nacht mit Rosalyn verbracht und die Liebe kennengelernt hatte – ihr Körper glühte noch immer nach dem Sohn des Hauses. Er war so unverschämt attraktiv und roch so männlich! Seinen Duft, als er so nah vor ihr gestanden war, hatte sie noch immer in der Nase. Maria seufzte verträumt. Er hatte sie, die unscheinbare Maria, angesprochen und sogar berührt! Er hatte sie wahrgenommen! Das nächste Mal, so nahm sie sich vor, wenn er wieder in der Nähe war und sie bemerkte, würde sie ihn offen ansehen und lächeln. Laut Rosalyn würde er ihr dann verfallen – oder so gut wie.
Beschwingt erledigte sie ihre Einkäufe in der Stadt, schlenderte durch die verschiedenen Geschäfte, gönnte sich eine Tasse Tee in einem Teahouse und träumte sich ins Brentons Arme. Wie würde er sich anfühlen? Wie würde er küssen? Wäre er zärtlich oder leidenschaftlich stürmisch?
Als sie am Abend in das Haus der Boyles zurückkehrte, liefen die Vorbereitungen für den Empfang am nächsten Tag auf Hochtouren. Für solche Abende wurden zusätzliche Helfer engagiert, unter anderem ein Butler, der den Weinkeller inspizierte und die richtigen Tropfen passend zu den Gerichten auf dem Buffet auswählte sowie die Tische eindecken ließ und das ganze Geschehen mit Argusaugen überwachte. Er würde während des Empfangs im Hintergrund die Fäden ziehen, dafür sorgen, dass die Servierplatten ausgetauscht und die Gläser der Gäste nie leer wurden. Junge Burschen aus der Stadt verrückten die Möbel im Salon, um Platz zu schaffen. Mädchen wurden mit adretten Hausmädchenkleidern ausstaffiert und lernten, die Servierplatten aus der Küche in den Salon zu tragen, ohne zu stolpern. Andere wurden zu Mrs. Sullivan in die Küche beordert, wo sie unter deren strengem Regiment und wachsamen Blicken sämtliche Hilfsarbeiten verrichten mussten. Die Mädchen hatten schon öfter ausgeholfen und wussten, dass sie angemessen entlohnt wurden, deshalb ließen sie sich die schnaufenden, nervösen Kommentare der Köchin gutmütig gefallen. Denn sie wussten auch, dass sie nach dem Empfang die Reste des Buffets mit nach Hause nehmen durften. Die Boyles waren großzügig.
Maria hingegen huschte verstohlen in ihr Zimmer. Sie wollte vermeiden, von Mrs. Sullivan oder Thomas gesehen und zu Arbeiten herangezogen zu werden, die sie auch am nächsten Tag noch verrichten konnte. Nein, heute war ihr freier Tag, und den wollte sie genießen, solange er währte. Sie legte ihre Einkäufe auf das Bett, hängte ihre Kleidung sorgfältig auf. Für Rosalyn hatte sie ein kleines Nähset gefunden. Sie nahm es und legte es vor deren Tür ab. Von unten drangen geschäftige Geräusche zu ihr und Maria verschwand wieder in ihrem Zimmer. Im Teahouse hatte sie noch zu Abend gegessen, dadurch musste sie sich nicht mehr in der Küche blicken lassen. Erleichtert ließ sie sich auf ihr Bett sinken. So ein freier Tag war tatsächlich anstrengend, stellte sie müde fest. Dass sich etwa zwei Stunden später ihre Tür leise öffnete, bekam sie nicht mit.
***
Am folgenden Morgen befanden sich sämtliche Bediensteten des Hauses Boyle in emsiger Geschäftigkeit. Mrs. Sullivan war in ihrem Element. »Caty, wehe, du lässt die Soße anbrennen! Dann ziehe ich dich an den Haaren!« – »Tom, sofort raus mit dir!« – »Mrs. Sullivan, ich heiße Thomas, nicht …« – »Du kannst von mir aus Mr. Pickwick heißen! Aus meinen Töpfen wird nicht genascht! Hinaus!« Der Hausdiener trollte sich schuldbewusst. Maria war wie immer beeindruckt, wie Mrs. Sullivan alles im Blick hatte und auch wusste, was hinter ihrem Rücken vorging. »Ich kenne meine Schlingel, Mädchen«, pflegte sie augenzwinkernd zu Maria zu sagen.
Mrs. Boyle ließ sich stündlich blicken und vom Butler berichten, wie weit die Vorbereitungen gediehen waren. Mr. Simmons wusste, worauf es der Dame des Hauses ankam, und beruhigte sie jedes Mal. Er war ein konzentrierter, strenger Mann mit bereits ergrautem Haar. Leise fragte er, ob auf bestimmte Gäste ein besonderes Augenmerk gerichtet werden müsse, sie also bevorzugt behandelt werden sollten.
»Ja, die Rottenbeks sind wichtig für uns. Bitte sorgen Sie dafür, dass es ihnen an nichts mangelt.« Mrs. Boyle wusste, zu wem ihr Sohn sich hingezogen fühlte, er hatte es schließlich sehr deutlich gesagt. Sie ahnte, dass er der jungen Sabrina bereits an diesem Abend Avancen machen würde. Also hatte sie als seine Mutter dafür zu sorgen, dass das junge Mädchen wohlgestimmt war.
Am frühen Abend trafen die ersten Gäste ein, die meisten hatten sich in kostbare