»Kaffee?«, wiederholte ich.
»Kaffee …«, sagte er und ich nickte, immer noch benebelt wie überrascht von seiner direkten, lustvollen Art, meine Vagina zu lecken.
Er stand auf und ging in die Küche. »Machen wir nicht da weiter, wo du gerade aufgehört hast?«, rief ich ihm nach, doch ich wusste, dass er es jetzt nicht zu Ende bringen würde. Er wollte spielen und wusste genau, wie heiß mich dieses Spiel machte.
Kapitel 3 – Es passiert, wenns passiert– Sommer 2010
Ich erinnere mich an einen Abend im Sommer 2010 vor sieben Jahren. Freddys Körper drängte sich gegen meinen und wir küssten uns zaghaft. Im Zelt neben uns lagen Marie, Belle, Jonas und Mark, Freunde von uns.
Belle und ich hatten im August Geburtstag und feierten auch dieses Jahr zusammen. Wir grillten Steaks, tranken Bier und Schnaps und schliefen in Zelten. So, wie jedes Jahr. Nur, dass dieses Mal mein neuer Freund Frederic Müller dabei war. Er war älter und intelligenter als ich. Womöglich war das der Grund, warum ich mich auf ihn einließ.
Er hatte schon einmal Sex. So wie ich. Nur war es etwas anderes als jetzt. Es war Sex mit Menschen, die ich sofort wieder vergaß. Ich hatte, ohne Bedenken gevögelt, doch noch nie hatte ich ›Liebe gemacht‹. Das würde sich heute Nacht ändern, hatte ich geglaubt. Es wäre unser erstes, gemeinsames Mal gewesen und es sollte Sex mit Liebe sein.
»Möchtest du es jetzt tun?«, fragte er flüsternd nach drei Küssen. Unser Zelt war weit genug von den anderen Zelten entfernt, sodass wir ungestört sein konnten. Trotzdem war ich nicht bereit. Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe Kondome dabei«, sagte er und küsste mich noch mal. Ich ließ seine Worte unkommentiert. Klar, wir hatten gesagt, dieser Abend wäre perfekt für unser erstes Mal, aber das war er nun einmal nicht. Freddy sah mich verständnislos an. »Wollen wir es machen?« Freddy war drei Jahre älter als ich. Ich hatte gedacht, dass er schon wissen würde, was zu tun wäre und dass er es drauf hatte, eine Frau zu verwöhnen. Offensichtlich nicht.
»Ich glaube, ich muss auf die Toilette«, entschuldigte ich mich, um der Situation zu entfliehen. Es war nicht ehrlich, fortzulaufen – das wusste ich. Doch Freddy zu sagen, dass ich keinen Sex mehr wollte, war mir unangenehmer. Er war verkrampft, etwas spießig und verhielt sich immer nach Abmachung und Regel. So wie der Stock in seinem Arsch es ihm vorschrieb. Eigentlich war ich schon durch mit ihm, bevor es überhaupt mit uns angefangen hatte. Es war erstaunlich, wie sehr ich einmal für ihn geschwärmt hatte. Freddy würde es nicht verstehen, wenn ich ihm heute Nacht einen Korb geben würde.
Ich eilte in das Haus, die Rackerstraße 3b, und flüchtete ins Bad. Dort blieb ich gut eine halbe Stunde und dachte darüber nach, was ich jetzt tun sollte. Zum Glück folgte Freddy mir nicht, um nach mir zu sehen.
Nach einer Weile verließ ich das Bad und nahm im düsteren, länglichen Flur des leeren Erdgeschosses Schritte wahr. Ein dunkler Schatten im Flur des Hauses. »Hey«, rief ich und spürte, wie meine Fingerkuppen vor Aufregung kribbelten.
Der Schatten wurde zu einer Gestalt, die ich allmählich erkannte. »Chris?« Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich froh war, Christian Singer – der große Bruder meiner besten Freundin – zu sehen. »Was machst du denn hier?« Meine Schultern sanken herab und ich näherte mich leise.
»Ich wollte mal sehen, ob alles okay ist«, sagte er, doch ich verstand es nicht. Er hatte nichts mit Belles und meiner Geburtstagsparty zutun. Was machte er hier wirklich? Trotzdem war Chris fürsorglich und sah nach uns – das machte mich in diesem Moment schwach. Ich schüttelte abermals den Kopf, nahm meine Hand zu meiner Stirn. »He, was los, Minnie?«, fragte er.
»Ach, es ist Freddy.« Ich hatte einen Drink zu viel getrunken.
»Freddy?« Chris kam einen Schritt auf mich zu, wollte mich in den Arm nehmen und für mich da sein.
»Mein Freund«, gab ich gezwungen zu. »Er will es tun, aber ich nicht.« Wir beide wussten, dass es um Sex ging.
»Oh, Minnie, aber du musst nicht.« Seine Stimme machte meine Knie butterweich.
»Mach ihm das mal klar«, meinte ich. »Ich möchte hier einfach weg«, gab ich zu. Verzweiflung erklang in meiner Stimme. »Weg, weg, weg«, murmelte ich.
»Dann komm doch rüber mit zu mir«, schlug Chris mit einem liebevollen Grinsen vor. Manchmal kam er auf irre Ideen. Dies war eine davon. Er wohnte im Schweden-Haus Rackerstraße 3b, gleich nebenan. Es war sein Haus. Bei ihm würde mich niemand finden. Vielleicht Belle – am nächsten Morgen. Doch heute Nacht wären wir ungestört. Es würde mir helfen, aus dieser Situation zu entfliehen und es wäre gleichzeitig falsch.
Ein Versteck, wie es besser nicht sein kann, dachte ich und lächelte.
»Eigentlich keine schlechte Idee«, sagte ich und glaubte in meinem halb beduselten Zustand womöglich selbst daran. Ich fiel ihm in die Arme, klammerte mich an seine starke Schulter und verschwand mit ihm rüber in sein Haus. Es war aufregend. Geheimnisvoll und, zugegeben, auch etwas sexy. Ich erkannte es nicht, aber ich wusste, dass Chris lächelte. Es gefiel ihm, dass ich mit ihm die Nacht verbringen würde. Und wie wir das in solchen Situationen nun einmal so tun, würde ich auch nicht auf seiner Couch schlafen. Die war nämlich zu unbequem. Ich würde auf seinem zwei Meter zwanzig breiten Bett schlafen – neben ihm.
Wir blieben im Wohnzimmer. Chris zog die Vorhänge zu und ich machte es mir auf seinem Sessel gemütlich. Er bot mir Schnaps an und ich nickte begeistert. Wir tranken Kräuterschnaps und alberten herum. Chris kitzelte mich und kam mir näher. Wir hörten nicht auf und spielten unser Spiel weiter – so lange, bis wir die Spannung zwischen uns nicht mehr aushielten. Das war an einigen heimlichen Abenden wie diesem so. Mit ihm schlafen? No way. Schließlich war er der Bruder meiner besten Freundin und wohnte nebenan. Dennoch hatten wir in unserer Vergangenheit nicht die Finger voneinander lassen können.
Trotzdem war er heiß. Braune Locken, einen Drei-Tage-Bart, Karo-Hemden und eine Nerd-Brille. Sowieso war er ein nerdiger Freak und das gefiel mir. Ich mochte so viel an ihm. Dass er hauptberuflich Spielentwickler war und dass er neben seinem Job an Modellautos herumbastelte. Er war der Geek, den ich mir immer an meiner Seite gewünscht hatte.
Ich betrachtete sein Regal und unterbrach damit mein Gekicher und die Spannung zwischen uns. Miniaturautos 1:10 und eine Sci-Fi-DVD-Sammlung. Nichts Überraschendes. »Noch einen Schnaps?«, fragte er mich und stand auf.
Ich schüttelte den Kopf. Noch ein paar Schnaps mehr und ich würde jede Hemmung fallen lassen. Anstatt weiteren Schnaps zu holen, kam er auf mich zu. Er setzte sich auf die Lehne des Sessels und sah mich an. »Oh, Minnie …«, wisperte er. Es kam plötzlich, vorhin hatten wir noch herumgealbert und Spaß miteinander gemacht. Nachdenklich musterte ich ihn. Jetzt schien es ernst zu werden. Ich sah in Chris’ bärenbraunen Augen, in denen Vertrauen funkelte. »Ich wollte dir noch sagen … Du musst dich nicht zu Dingen überreden lassen, die du nicht möchtest.«
»Aber Freddy versteht nicht …«, begann ich, mich herauszureden.
»Dann ist er nicht der Richtige«, sagte Chris und strich mir sanft über meine Schulter.
Christian Singer würde mich beschützen und für mich da sein, ohne Fragen zu stellen. Er würde mich bedingungslos lieben, auf eine mir unverständliche Art und Weise, dachte ich und schloss die Augen. Bullshit, Minnie, was denkst du da? Ich öffnete sie wieder.
Chris beugte sich vor. »Ich kann nicht glauben, dass Belle und du bald wegziehen werdet.« Es ging um Belle und mein Studium in Berlin. Bald würden wir die Rückmeldung von der Uni erhalten und unsere Chancen waren mehr als gut. Besonders für Belle.
»Ich auch nicht«, sagte ich und unterdrückte dieses merkwürdige Gefühl, das mich überkam, wenn ich daran dachte, alles hier zurückzulassen. Ich wollte nicht daran denken, dass dieser Abend hier einer unserer letzten Abende zusammen